Hintergrund und Details zum Forschungsschwerpunkt „Inflammation, Infektion und Immunität“
Infektionskrankheiten gehören zu den größten Herausforderungen für die Existenz der Menschheit. Wir stehen heute einer Vielzahl dringender wissenschaftlicher, politischer, sozialer und ethischer Fragen gegenüber, deren Bewältigung eine kreative Zusammenarbeit erfordert. Darüber hinaus beeinflussen die unmittelbaren Auswirkungen von Pandemien nahezu jeden Aspekt der menschlichen Gesellschaft. Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftler:innen unterschiedlichster Disziplinen setzen sich aktiv mit dem Gesundheitsmanagement und seinen gesellschaftlichen Folgen auseinander, insbesondere im Hinblick auf die zögerliche Inanspruchnahme von Impfmöglichkeiten und die Bedenken der Bevölkerung gegenüber Quarantänemaßnahmen.
Im Zuge der Evolution entwickeln sich die molekularen Strukturen der Erreger von Infektionskrankheiten und auch die ihrer Wirte aufgrund ständiger Interaktionen fortlaufend weiter. Darüber hinaus beeinflussen Erreger Kulturen, Religionen, soziale Gefüge und die Macht von Staaten, verändern ethische Normen und schüren Vorurteile und Ausgrenzung.
Zudem begünstigen Klimawandel und demografische Veränderungen weiterhin die globale Ausbreitung von Krankheitserregern und verschärfen die bestehenden Herausforderungen. Die Vielzahl der für die Infektionsbiologie und -medizin relevanten Faktoren sind Gegenstand unterschiedlichster Wissenschaftsdisziplinen und ihre Erforschung erfordert daher transdisziplinäre Ansätze. Die im stetigen Wandel begriffenen molekularen Strukturen der Infektionserreger und ihre sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen führen dazu, dass Infektionskrankheiten weiterhin an der Spitze der globalen Gesundheitsherausforderungen stehen und neue Herausforderungen für das Wohl der Gesellschaft entstehen.
An der Universität Hamburg (UHH) und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie deren außeruniversitären Partnerinstituten in der Metropolregion Hamburg, dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), dem Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY), dem Leibniz-Institut für Virologie (LIV) und dem Forschungszentrum Borstel (FZB), wird die Erforschung von Infektionskrankheiten – und ganz allgemein die Infektionsbiologie – in einem Forschungsumfeld vorangetrieben, in dem die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Krankheitserregern und ihren Wirten im Mittelpunkt stehen. Der Forschungsbereich untersucht insbesondere, wie Individuen und die Gesellschaft auf Infektionen reagieren. Ein wichtiger komplementärer Forschungsschwerpunkt umfasst dabei die Reaktionen des Körpers auf Infektionen durch Entzündungen und Immunität.
In Hamburg ist die transdisziplinäre Zusammenarbeit der Geistes- und Sozialwissenschaften mit der Biomedizin und den Lebenswissenschaften von zentraler Bedeutung für die Erforschung von Infektionskrankheiten. Das neu gegründete Centre for the Study of Health, Ethics, and Society (CHES) nimmt aufgrund der Sichtbarkeit seiner beteiligten Wissenschaftler:innen und ihrer innovativen Forschungsansätze eine führende Rolle in der internationalen transdisziplinären Wissenschaft ein.
Wir sind uns bewusst, dass neu auftretende Krankheiten komplexe kulturelle, ethische und gesellschaftliche Herausforderungen darstellen, die das Zusammenwirken verschiedener Fachgebiete, unterschiedlicher Methoden (z. B. diachrone und synchrone Analysen, quantitative Datensätze, soziale Erhebungen) sowie heterogener Wissensansätze (z.B. historische, anthropologische, philosophische, biomedizinische, physikalisch-chemische, mathematische) erfordern, um eine umfassende Erforschung zu gewährleisten. Diese Herangehensweise trägt zur Entwicklung von humanitären, ethischen und sozial gerechten Maßnahmen bei, die zu einer wirksamen Bewältigung bestehender und neu auftretender Infektionskrankheiten beitragen können.
Die Metropolregion Hamburg verfügt über eine exzellente Forschungsinfrastruktur und ein ideales intellektuelles Umfeld, das sich als internationales, kollaboratives Zentrum für die Erforschung von Infektionskrankheiten etabliert hat und ein hohes Ansehen in der Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit genießt.
Das Centre for Structural Systems Biology (CSSB) spiegelt diesen kollaborativen Ansatz wider und umfasst zudem auch überregionale Partner wie die Medizinische Hochschule Hannover und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (Braunschweig). Das CSSB bietet eine einzigartige Kombination von technischen Voraussetzungen und Expertise, um zelluläre Prozesse mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu verfolgen. Unter Nutzung dieser Infrastruktur entschlüsseln die CSSB-Forschungsgruppen virale, bakterielle und parasitäre Strukturen und deren komplexe Wechselwirkungen mit Strukturen infizierter Wirtszellen.
Darüber hinaus ist die Metropolregion zudem ein wichtiger Standort innerhalb des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), das sich auf den Transfer biomedizinischer Grundlagenforschung in die medizinische Anwendung konzentriert. Der DZIF-Partnerstandort Hamburg-Lübeck-Borstel-Riems befasst sich unter anderem mit der Epidemiologie der Malaria.
Weitere Schwerpunkte sind die Umsetzung von Erkenntnissen zur Immunantwort der Tuberkulose in die klinische Praxis, die Diagnostik neu auftretender Infektionskrankheiten und die Erforschung geeigneter Impfstoffe sowie die Anwendung neuer Therapieansätze bei Hepatitis. Der Standort ist durch zahlreiche Kooperationsprojekte eng mit den afrikanischen Partnerinstitutionen des DZIF verbunden.
Das Leibniz Center Infection (LCI) ist eine strategische Allianz der drei norddeutschen Leibniz-Forschungsinstitute – das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), das Leibniz-Institut für Virologie (LIV) und das Forschungszentrum Borstel (FZB) – die sich der Erforschung der wichtigsten Infektionskrankheiten widmet. Die Verbundprojekte des LCI konzentrieren sich auf grundlagenorientierte und translationale biomedizinische Fragestellungen.
Darüber hinaus thematisieren die öffentlichkeitswirksamen LCI-Symposien die gesellschaftliche Relevanz von Infektionskrankheiten, etwa deren Langzeitfolgen oder „One-Health“ Aspekte. Einzigartig machen den Standort Hamburg auch die Strahlungsquellen des Deutschen Elektronen-Synchrotons (DESY) und des European X-Ray Free-Electron Lasers (XFEL) in der Science City Hamburg Bahrenfeld. Die ebenfalls dort verortete Außenstelle des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) trägt mit seiner strukturbiologischen Expertise und mit seinem aktuellen Forschungsprogramm „Molecules to Ecosystems“ weiter zur Vorreiterrolle Hamburgs im Bereich integrierter strukturbiologischer Ansätze zur Erforschung von Infektionskrankheiten bei. Die Betrachtung eines breiten Spektrums von Krankheitserregern (Viren, Bakterien, Parasiten) und Wirtsorganismen (Mensch, Tier, Pflanze) bietet das Potenzial, Infektionsmechanismen übergreifend und in ihrer Gesamtheit zu untersuchen und zu verstehen.
Das Centre for Data Science in Infection and Immunity (CDI2) befindet sich derzeit im Aufbau und wird ein Zentrum für Datenwissenschaft sein, das große Datensätze und KI-gestützte Analysen von Infektionskrankheiten auf verschiedenen Ebenen integriert. Das CDI2 vereint Gruppen am UKE, der UHH, dem LIV und dem BNITM, die sich mit Datenwissenschaften im Bereich Infektionskrankheiten beschäftigen. Zusammen mit dem Hub of Computing and Data Science (HCDS) und dem Zentrum für nachhaltiges Forschungsdatenmanagement (RDM) an der UHH sowie der starken Expertise zur Strukturdaten-Analyse am CSSB wird das CDI2 leistungsstarke Ressourcen für multidimensionale Datenerfassung und -analyse im Bereich der Infektionskrankheiten schaffen.
Auf der Grundlage dieser innovativen Erfolgsbilanz und des Ausbaus der Infrastruktur ist Hamburg bestens aufgestellt, um die beschriebenen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen durch eine kontinuierliche transdisziplinäre Zusammenarbeit zu bewältigen. Diese Zusammenarbeit führte 2025 zu einem Antrag für ein DFG-Exzellenzcluster mit dem Titel „Gateways to Health: How Pathogens Shape Global Life (Gateways)“. Gateways zielt darauf ab, die unterschiedlichen Forschungskulturen der beteiligten Disziplinen zusammenzuführen, und über die Verbreitung der Forschungsinhalte hinaus ein gesellschaftliches Engagement zu fördern.