UHH Newsletter

November 2014, Nr. 68

INTERVIEW



Kontakt:

Prof. Dr. Matthias Glaubrecht
Wissenschaftlicher Direktor, Centrum für Naturkunde (CeNak)

t. 040.42838-2275
e. matthias.glaubrecht"AT"uni-hamburg.de

Professor Dr. Matthias Glaubrecht ist wissenschaftlicher Direktor des neuen Centrums für Naturkunde. Foto: UHH/Sukhina

Professor Dr. Matthias Glaubrecht ist wissenschaftlicher Direktor des neuen Centrums für Naturkunde. Foto: UHH/Sukhina

Brückenbauer in die Wissenschaft. Interview mit Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, Leiter des neu gegründeten Centrums für Naturkunde

Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, 52, hat zum 1. Oktober die Professur für „Biodiversität der Tiere“ angetreten und ist wissenschaftlicher Direktor des neu gegründeten „Centrums für Naturkunde (CeNak)“, das am 21. Oktober vorgestellt wurde. Aus diesem soll mittelfristig wieder ein Naturhistorisches Museum entstehen, das es bis 1943 in Hamburg einmal gab. Wir haben den gebürtigen Hamburger, der vorher die Forschungsabteilung des Naturkundemuseums Berlin geleitet hat, zum Interview getroffen.

Herr Glaubrecht, wann waren Sie zuletzt in einem Naturkundemuseum – mal abgesehen vom Naturkundemuseum in Berlin, wo Sie bisher gearbeitet haben?

Im Berliner Naturkundemuseum war ich jeden Tag, aber das letzte andere Museum, das ich besucht habe, war das Queensland Museum im australischen Brisbane. Das war im Oktober des vergangenen Jahres, während einer Forschungsreise.

Und können Sie solche Besuche genießen oder gehen Sie durch die Ausstellung und schauen, was Sie für die eigene Arbeit mitnehmen können?

Jedes Museum hat einen eigenen Charakter und natürlich profitiert man davon, die anderen zu sehen. Für Berlin kann ich sagen, dass wir eine Ausstellung konzipiert haben, die wiederum für andere Vorbildwirkung entwickelt hat. Es muss uns auch für Hamburg gelingen, eine Vorreiterrolle zu spielen, was Ausstellungen angeht.

Dazu werden Sie als Leiter des Centrums für Naturkunde (CeNak) Gelegenheit haben. Was ist die Aufgabe dieser neuen Einrichtung?

Das CeNak besteht im Wesentlichen aus drei großen Sammlungen: der Geologie-Paläontologie, der Mineralogie und vor allem der Zoologie. Wir überführen diese drei Sammlungen mitsamt Fachpersonal in das neue Centrum. Wenn es nach unserer Idee geht, sollen sie noch durch das Herbarium Hamburgense ergänzt werden.

Das höhere Ziel dieser Umstrukturierung ist es, eine historische Fehlentwicklung zurückzudrehen: Wir wollen den Hamburgerinnen und Hamburgern mit der Gründung des CeNak bewusst machen, dass sie 1943 einen erheblichen Kriegsverlust erlitten haben, als alliierte Bomben das Naturhistorische Museum am Hauptbahnhof zerstörten. Große Teile der Sammlungen dieses Museums waren glücklicherweise ausgelagert worden, zum Beispiel die Alkoholsammlung. Dadurch konnten historische Bestände gerettet werden.

Aber die Sammlungen sind durch die Strukturen, die man ihnen in der Folge auferlegt hat, sträflich vernachlässigt worden. Mithilfe des CeNak drehen wir diese Entwicklung zurück. Hamburg ist die einzige große Metropole, die ein solches Museum hatte und auch verdient, aber nicht hat. Dieses Manko wollen wir beheben.

Neben der strukturellen ist also auch eine räumliche Zusammenlegung geplant.

Ja, in einem Naturhistorischen Museum, von dem wir uns visionär erhoffen, dass es in Hamburg an einem zentralen Ort den Besucherinnen und Besuchern offen steht.

Die Idee ist, ein Gebäude zu errichten, in dem die Sammlungen mit den Forschungseinrichtungen untergebracht werden können. Sie müssen sich bei einem Naturkundemuseum nämlich immer zwei Teile denken: zum einen eine Forschungsinfrastruktur mit den Sammlungen, den dort beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und ihren darauf aufbauenden Forschungsprojekten sowie der Ausstellung, die der Öffentlichkeit eine Brücke zur Wissenschaft schlägt.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, wenn man Forschung und Präsentation in der Öffentlichkeit erfolgreich zusammenbringen will?

Die Kunst beim Ausstellungsmachen besteht heute darin, ein Fenster zur Wissenschaft herzustellen. Was wir zeigen wollen ist, welche Themen in dieser Forschungsinfrastruktur bearbeitet werden. Wir wollen in Hamburg eine Ausstellung zu einem der großen Zukunftsthemen der Menschheit schaffen: Biodiversität.

Wie gehen wir mit unserer biologischen Vielfalt um? Wie erforschen wir sie? Wozu erforschen wir sie? Und wie können wir sie erhalten und schützen? Die Forschung eines Naturkundemuseums muss sich solchen Fragen stellen – mithilfe der vorhandenen Archive, die übrigens nicht nur Asservatenkammern sind. Man legt die Objekte nicht einfach ab, nach dem Motto: Schön, dass wir sie haben. Sie haben vielmehr eine bedeutende Funktion als Belege aus der Vergangenheit. Was wir mit dem CeNak haben, ist eine Großforschungseinrichtung wie das DESY.

Das klingt nach einem langfristigen Vorhaben. Kann man einen Zeitplan absehen?

Ich hoffe, dass wir hier von einem mittelfristigen Projekt reden. Meine Wunschvorstellung wäre, dass wir das Universitätsjubiläum 2019 nutzen, um eine definitive Grundsteinlegung, wenn nicht sogar Richtfest oder Eröffnung dieses Naturhistorischen Museums zu begehen.

Was ändert sich mit der Gründung des Centrums konkret für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Unter meiner Leitung werden wir zunächst das Zoologische Museum zukunftsfähig machen, d.h. wir ändern zum Beispiel räumliche Strukturen innerhalb des Museums, insofern dass wir etwa die Arbeitsabläufe anschauen, wir bündeln die Forschungsaktivitäten, die bisher unter anderen Vorzeichen gelaufen sind, und richten sie auf das neue Thema der Biodiversität aus.

Heute geht es ja in der Regel vor allem auch darum, Bestände zu digitalisieren und im Internet zugänglich zu machen. Wozu braucht es dann überhaupt noch ein Naturkundemuseum?

Das ist eine ganz entscheidende Frage, denn es ist eine irrige Annahme, dass durch Digitalisierung eine Substitution erlangt ist. Hier geht es nicht um eine Verschlagwortung von Büchern, sie können aus einem Datenbankeintrag und einem Foto keine DNA entnehmen, keine Protein- oder Isotopenanalyse durchführen.

Die Digitalisierung von Sammlungen ist lediglich die Verfügbarmachung der Daten und Kenntnisse, aber sie als Ersatz für die Archive zu sehen, wäre so, als würden Sie sagen: Ich bin verheiratet, und mir reicht eigentlich das Bild meiner Frau. Dann können Sie selbst beurteilen, ob es sich dabei um eine glückliche Ehe handelt. Digitalisierung ist sicher wichtig und es ist schön, wenn man ein Foto von seiner Frau hat. Aber es ist noch schöner, wenn man sie im Arm hält.

Das Interview führte Anna Maria Priebe.
 

Themen dieser Ausgabe

Download

RSS-Feed

 
Home | Impressum | Datenschutz | Kontakt