Digitale KommunikationNeue Emojis zwischen Spaß und politischem Statement
11. Februar 2020, von Christina Krätzig
Foto: Emojipedia.org
Vom Mammut über die Transgenderflagge bis hin zum Grabstein: In diesem Jahr können Smartphone-Benutzer insgesamt 117 neue Emojis verwenden. Doch darunter sind nur wenige Smileys oder Gesten, obwohl diese am beliebtesten sind. Warum Emojis auch politisch wirken und wie Bildchen zum Standard werden, erklären Wissenschaftler der Universität Hamburg.
Ein Mann in einem Brautkleid ist ein politisches Statement – nicht nur in der Realität, sondern auch in der digitalen Kommunikation. Doch auch wenn die männliche Braut ab der zweiten Jahreshälfte als neues Emoji verfügbar ist, wird sie vermutlich ebenso wie Mammut und Pömpel selten verschickt werden: Einfach weil Handybesitzer kaum Emojis verwenden, die Menschen, Tiere oder Dinge zeigen.
„An meiner Professur wurden kürzlich 19.000 von Jugendlichen geschriebene Textnachrichten ausgewertet. Sie enthielten ca. 9200 Emojis. Darunter waren 8000 Smileys und Herzen, aber nur 274 Tiere und Gegenstände“, erklärt der Germanist Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos. Aus dieser und ähnlichen Studien schlussfolgert er: „Welche neuen Emojis vorgeschlagen werden, hängt nicht direkt damit zusammen, was Menschen mit den Emojis machen. Bei der Schaffung neuer Emojis geht es vielmehr auch darum, ein politisches Signal zu setzen: beispielsweise für Partizipation, Gleichberechtigung und Inklusivität.“
Emojis vermitteln eher Gefühle als Sachverhalte
Die wichtigsten Funktionen von Emojis liegen auf der zwischenmenschlichen Ebene, erklärt Androutsopoulos weiterhin. „Sie zeigen das eigene Befinden oder verdeutlichen, wie Geschriebenes zu verstehen ist. Darüber hinaus dienen sie dazu, eine Atmosphäre von Sympathie und Einverständnis zu schaffen.“ Letzteres veranschaulicht der Sprachwissenschaftler anhand von Chatverläufen. Freundinnen beenden beispielsweise jede Nachricht mit einem Herzchen, auf Tinder Flirtende wiederholen die Emojis, welcher der oder die andere verwendet. „Dieses Verhalten beobachten wir in allen Bereichen der menschlichen Kommunikation. Im realen Leben werden Gesten oder Körperhaltungen wiederholt, um Verständnis und Zugewandtheit zu demonstrieren, und in der digitalen Kommunikation eben Emojis.“
Grundsätzlich übernehmen Emojis keine völlig neuartigen Funktionen, sondern erfüllen Aufgaben, die herkömmlicherweise anders gelöst werden: durch Mimik und Gestik – oder auch durch Satzzeichen. „In den von uns untersuchten Threads finden sich kaum Punkte oder Kommata. Emojis übernehmen die Funktionen von Satzeichen, indem sie Sätze gliedern, einen Themenwechsel einleiten oder das Geschriebene verstärken“, sagt Androutsopoulos.
Dass das Niveau der Kommunikation durch die Verwendung der bunten Bildchen sinkt, befürchtet der Germanist nicht. Im Gegenteil: Die Ebenen zwischen informeller und formalerer Kommunikation, zwischen geschriebener und gesprochener Sprache verschwimmen nach seinen Beobachtungen heutzutage. „Es gibt weniger starre Regeln und mehr Wahlmöglichkeiten, auch weil Emojis Alternativen zum geschriebenen Wort bieten und Gefühle auf einer zusätzlichen, neuen Ebene transportieren. Sich nuanciert und auf der angemessenen Ebene auszudrücken, erfordert auch in der digitalen Welt eine hohe kommunikative Kompetenz“, betont er.
Ein internationales Gremium entscheidet, welche neuen Emojis es gibt
Das sogenannte „Standardisierungs-Konsortium“ sitzt in den USA. Welche Bilder, Symbole oder Smileys einen Code zugewiesen bekommen und damit international nutzbar sind, wählt das Konsortium aus Vorschlägen der Netzgemeinde aus. In ihm sind viele große Softwareunternehmen vertreten, aber auch Privatpersonen gehören ihm an.
„Die Standardisierung ist notwendig, damit unterschiedliche Software ein Zeichen erkennt, beispielsweise, wenn ein Smiley mit Lachtränen von einem Smartphone auf ein anderes, mit einem anderen Betriebssystem laufendes Smartphone geschickt werden soll. Das Handy sendet nicht etwa das Bild, sondern einen Code; für den Lachtränen-Smiley beispielsweise U+1F602“, erklärt Marlo Häring, Doktorand in der Arbeitsgruppe Angewandte Softwaretechnik an der Universität Hamburg.
Wie das Bild konkret gestaltet wird, entscheidet jedes Softwareunternehmen selbst. So hat der Smiley mit Lachtränen beim Messenger WhatsApp und bei Google eine sichtbare Zunge, die Firma LG Electronics zeigt ihn im Halbprofil und der Webbrowser Mozilla mit Ohren. Wird er von einem System in ein anderes transferiert, ändert er auch sein Aussehen.