Freiluft-Filmseminar gegen Austerität - "Laissez-Faire" (2015) mit Einführung von Dr. Susanna Böhme-Kuby
Foto: Filmseminar gegen Austerität
Wann: Mi, 29.05.2024, 21:00 Uhr
Wo: Filmseminar gegen Austerität, Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg, Campus Von-Melle-Park
Im Rahmen der Kampagne „International solidarisch – Schluss mit Austerität!" findet das „Filmseminar gegen Austerität" in den Hörsälen rund um den Philosophenturm der Uni Hamburg statt. Mit Filmen rund um das Thema Austerität vs. Solidarität werden die internationale, kulturelle und historische Bedeutung des Bruchs mit dem Neoliberalismus reflektiert – im Sommer auch wieder als Freiluftkino.
Bei der nächsten Vorstellung des Filmseminars gegen Austerität am Mittwoch, den 29. Mai 2024, um 21 Uhr (c.t.) wird der Film „Laissez-Faire“ von Ruggero Arenella aus dem Jahr 2015 gezeigt und diskutiert.
Der Film-Essay rechnet eindrucksvoll mit der neoliberalen Freiheitsideologie ab und legt zugleich Spuren dafür, was aus der Geschichte zu lernen ist für die gegenwärtige, kollektive, demokratisch-planvolle und bewusste Gestaltung menschenwürdiger Lebensbedingungen.
Für die Einführung und Diskussion kommt die Literaturwissenschaftlerin Dr. Susanna Böhme-Kuby aus Venedig nach Hamburg.
(Bei Regen unter dem Dach im Durchgang beim Rechtshaus, Schlüterstraße, Höhe Hausnummer 26/28.)
Näheres zum Film:
„Laissez-Faire“
(Doku | Regie: Ruggero Arenella | IT 2015 | 80 Min. | OmU)
„Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.“
(Jean Baptiste Henri Lacordaire, „Conférences de Notre-Dame de Paris“, 1848-1850.)
Die Europäische Union aufzulösen wäre gewiss keine adäquate Antwort auf die Probleme unserer Zeit. Sie jedoch per se zum Inbegriff von Frieden, Wohlstand und Demokratie zu erklären, geht an der Wahrheit mindestens ebenso weit vorbei. Am ehesten trifft wohl die Kennzeichnung zu, die EU verkörpere die institutionalisierte „Idee der Freiheit“. Um diese „Idee“, die nach Meinung von (Rüstungs-)Industrie, Medien und offizieller Politik neuerdings auch hierzulande wieder mit der Waffe in der Hand verteidigt werden solle, ist es allerdings nicht gerade zum Besten bestellt. Sie hat sich allerspätestens im Laufe ihres mittlerweile 40 Jahre währenden, globalen „Siegeszuges“ in Form des Neoliberalismus gründlich selbst kompromittiert. Die profitgetriebene Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, unkontrollierte Pandemien, millionenfach Elend, Hunger und Unterentwicklung in den Ländern des globalen Südens, explodierende soziale Ungleichheit in den Metropolen, das Schüren kriegerischer Konflikte und die Aushöhlung von Völkerrecht und zivilen, internationalen Institutionen, der Abbau sozialer Rechte und Errungenschaften, die Privatisierung öffentlichen Eigentums und der sozialen Daseinsvorsorge, wachsende Prekarität, Vereinzelung und Perspektivlosigkeit sowie die Begünstigung des Aufstiegs der extremen Rechten – all dies gehört wohl zur wenig ruhmreichen Bilanz der freiheitlichen Marktgesellschaften nach 1990.
Der Film-Essay „Laissez-Faire“ des italienischen Regisseurs Ruggero Arenella zieht eine solche Bilanz. Entstanden 2015 unter dem Eindruck der katastrophalen Folgen der bis heute fortgeführten EU-Austeritätspolitik als Beantwortung der globalen Finanzkrise 2008, veranschaulicht er zugleich, wie der einst revolutionäre bürgerliche Liberalismus im Laufe des 20. Jahrhunderts zur totalitären Freiheitsdoktrin des Neoliberalismus pervertiert werden konnte, gegen welche sozialkritisch-egalitären Bestrebungen einer solidarischen Gesellschaft er sich dabei richtete und mit welchen ideologischen und machtpolitischen Mitteln er ab Beginn der 1980er-Jahre vorläufig durchgesetzt werden konnte.
Im Zentrum der Reflexionen, die von zahlreichem historischen Bildquellenmaterial sowie durch Einordnungen bewanderter Politiker:innen, Ökonom:innen, Historiker:innen, Politikwissenschaftler:innen und Aktivist:innen untersetzt werden, steht dabei die These, dass es den neoliberalen Vordenkern gelang, mit allgemeinen Begrifflichkeiten wie „Freiheit“, „Eigenverantwortung“, „Flexibilität“ oder „Modernisierung“ die Suggestion zu erzeugen, eine deregulierte Gesellschaft (zur ungezügelten Kapitalakkumulation) sei tatsächlich zum Vorteil Aller. Dabei konnte sich eine Mitte der 1970er Jahre beginnende Stagnation der durch intensive Kämpfe der Arbeiterbewegung errungenen, auf keynesianische Umverteilungspolitik von Oben nach Unten orientierten Sozialstaatsmodelle in Westeuropa und den USA zunutze gemacht werden.
Dennoch bedurfte es massiver kapitalgestützter Einflussnahme zutiefst antidemokratischen Charakters (bis hin zur gewaltsamen Errichtung einer Militärdiktatur wie in Chile 1973), um die rückwärtsgewandte Ideologie der Freiheit als „Allheilsbringerin“ gesellschaftlich durchzusetzen.
Heute, da das Scheitern dieses auf Ausbeutung, Konkurrenz und Ungleichheit beruhenden Gesellschaftsmodells umfänglich zu konstatieren ist, gewinnt zweifelsohne die Frage nach Alternativen neu an Bedeutung.
Der Film beantwortet diese Frage nicht. Aber mit Verweisen auf progressive historische Errungenschaften, angefangen bei der Oktoberrevolution in Russland über den New Deal in den USA, den Versuch des demokratischen Sozialismus in Chile bis hin zu den antikolonialen Befreiungsbewegungen Afrikas sind eindrucksvolle Spuren dafür gelegt, was aus der Geschichte zu lernen ist für die gegenwärtige, kollektive, demokratisch-planvolle und bewusste Gestaltung menschenwürdiger Lebensbedingungen.
Dafür bedarf es zunehmend des beherzten, humanistisch-assoziierten Engagements der Vielen.
Freiheit macht nur Sinn, wenn Frieden, Solidarität und soziale Gleichheit ihre positive Zweckbestimmung bilden. Das gilt nicht zuletzt auch für die Europäische Union.
Darum: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
Zum Filmseminar gegen Austerität:
Das Filmseminar wird organisiert und durchgeführt vom FSR Erziehungswissenschaft, der Fachschaftsrätekonferenz und dem Referat für Internationale Studierende (RIS) der Uni Hamburg.
„Die Abschaffung der Schuldenbremse ist eine Wiederherstellung von Demokratie. Diese bedarf kritischer, aufgeklärter, kultivierender, anspruchsvoller, solidarisch denkender und kooperativ verantwortlich engagierter Menschen. Nehmen wir die Geschichte in unsere Hand!“ (Hamburger Manifest gegen Austerity, 2018).
Mit der Kampagne „International solidarisch: Schluss mit Austerität“ haben wir uns als Studierendenschaft zum Ziel gemacht, die weltweit verheerende Austeritätspolitik ein für alle Mal zu beenden und somit eine neue geschichtliche Etappe einzuleiten: eine der bewussten, planvollen, demokratischen Gestaltung global menschlicher Lebensverhältnisse!
Das ist keine Kleinigkeit. Genau deshalb wollen wir mit einer thematischen Filmreihe rund um diese Auseinandersetzung die Ansprüche und den Horizont dafür weiten, was gesellschaftlich wie persönlich an menschlicher Entwicklung möglich ist und dafür die internationale und geschichtliche Dimension der Bedeutung einer Überwindung des Austeritätsdogmas erfassbar machen, uns gemeinsam entsprechend politisch, historisch, ökonomisch und kulturell qualifizieren und so zur erfreulichen Mittäterschaft anregen.
In diesem Sinne zeigen und diskutieren wir alle zwei Wochen regelmäßig international herausragende, wie auch weniger bekannte, historische wie aktuelle Produktionen aus aller Herren Länder – Spielfilme, aufklärerische Dokumentationen oder bissige Satiren. Diese sollen Geschichte und Krisenhaftigkeit des neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells, die ökonomischen und sozialen Ursachen und die Genese der aktuellen gesellschaftlichen Krise, die Profiteure und Interessen hinter dieser Politik, die antifaschistischen, sozial progressiven und emanzipatorischen Kämpfe zu ihrer Überwindung, die internationale Spezifik und globale Gemeinsamkeit dieser Auseinandersetzungen sowie exemplarisch die zu erstreitende Perspektive einer menschlicheren Gesellschaft beleuchten. Um anschaulich zu machen, dass eine bessere Welt möglich ist, wenn wir sie selbst gemeinsam schaffen und wie dies gelingen kann.
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