Willkommen an Bord„Wale machen glücklich“Prof. Dr. Helena Herr verstärkt die Meereswissenschaften
13. Oktober 2025, von Herr/Red.

Foto: L. Hickmott
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Meeresbiologin Prof. Dr. Helena Herr.
Prof. Dr. Helena Herr hat zum Wintersemester 2025/26 eine Professur für „Ökologie der Meeressäuger“ an der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften angetreten. Es handelt sich um eine gemeinsame Berufung mit dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Helena Herr war vorher wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Biologie sowie am Centrum für Erdsystemwissenschaften und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Ich beschäftige mich mit der Erfassung von Meeressäugerpopulationen, ihrer räumlichen Verteilung, ihren Habitatansprüchen sowie dem Einfluss menschlicher Aktivitäten. Mein Fokus liegt derzeit auf den Großwalen der Antarktis und ihrer Populationserholung. Die meisten Walarten wurden durch den Walfang im 20. Jahrhundert an den Rand des Aussterbens gebracht und erholen sich nun – manche besser, manche schlechter – in einer neuen Welt, mit neuen Einflüssen; daraus ergeben sich viele Fragen und Herausforderungen.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Meiner fünfjährigen Tochter erzähle ich immer, dass wir von vielen Walen nicht mal wissen, wie viele es von ihrer Art gibt, warum sie wo vorkommen und wo sich ihre Nahrungsgründe oder Paarungsgebiete befinden. Um das also herauszufinden, zähle ich Wale und andere Meeressäugetiere von Schiffen, aus Flugzeugen, Helikoptern und mit Drohnen, erstelle Karten mit ihrer Verteilung und errechne ihre Anzahl. Außerdem besendere ich Wale, um zu verfolgen, wohin sie schwimmen, welche Routen sie wählen und wo sie sich gerne aufhalten. Und ich untersuche, was sie fressen, welche Bedrohungen es für sie heutzutage gibt und was wir tun können, um sie zu schützen. Dass Wale wichtige Ökosystemfunktionen erfüllen, zum Beispiel, weil sie zur Kohlenstoffspeicherung im Meer beitragen, und wofür das von Bedeutung ist, das erzähle ich ihr dann, wenn sie etwas größer ist.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Ich bin geborene Hamburgerin und liebe diese Stadt! An der Uni habe ich bereits mehrere Jahre gearbeitet und mein Institut und den Fachbereich sehr schätzen gelernt. Jetzt, in neuer Funktion und in Kooperation mit dem AWI, eine Arbeitsgruppe für Meeressäugerökologie aufbauen zu dürfen, erfüllt mich mit großer Freude und Tatendrang.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg (in Bezug auf Transfer, Lehre o. Ä.):
Am Institut für Marine Ökosystem und Fischereiwissenschaften werde ich die Forschung und Lehre um das Level der (warmblütigen) Top-Prädatoren ergänzen. Die Studiengänge am IMF behandeln die Biodiversität der Ozeane, die Funktionsweise mariner Nahrungsnetze, und das Management mariner Ressourcen und Ökosysteme. Da fügen sich meine Forschungsschwerpunkte und die Meeressäuger perfekt ein.
Ich freue mich darauf, den Studierenden diese Tiergruppe, ihre Bedeutung und Funktion im Ökosystem näherzubringen. Außerdem werde ich an der Uni eine Anlaufstelle für alle Fragen zu Meeressäugetieren sein. In Medien und Gesellschaft besteht ein großes Interesse an meinem Fachgebiet und es kommen regelmäßig Fragen auf, zum Beispiel wenn Wale stranden, sich in fremde Meeresgebiete verirren oder ungewöhnliches Verhalten zeigen, wie etwa die Interaktion von Orcas mit Segelschiffen an den Küsten von Spanien und Portugal.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Ich sage immer ‚Wale machen glücklich‘ – mir ist noch kein Mensch begegnet, den Wale kalt lassen, der nicht auf die ein oder andere Weise von ihnen fasziniert ist oder mehr über sie erfahren möchte. Viel entscheidender ist aber, dass am IMF Forschungs- und Entscheidungsträger:innen des marinen Ressourcenmanagements und des Meeresschutzes ausgebildet werden. Meeressäugetiere stellen eine bedeutende Komponente des marinen Ökosystems dar und sind damit wichtiger Bestandteil von Ökosystemansätzen und ganzheitlichen Managementkonzepten.
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Walforschung, insbesondere in der Antarktis, ist naturgemäß sehr kollaborativ. Unsere Forschungsobjekte sind äußerst schwer zu erreichen, Daten zu erheben ist kostenintensiv und zeitaufwendig und grundsätzlich schwierigen Witterungsbedingungen unterworfen. Da ist es besonders wichtig, erhobene Daten miteinander zu teilen und zusammenzuführen, um das Maximum an Information auszuschöpfen.
Ein gutes Beispiel ist das ‚Lost Giants‘-Projekt, in dem wir mit einer Vielzahl an beteiligten Institutionen versuchen wollen, eine circum-polare Populationsabschätzung von Antarktischen Blauwalen zu erreichen – basierend auf Photoidentifikationsdaten aller Beteiligten. Wichtige Kooperationspartner sind hier unter anderem der British Antarctic Survey, die Australian Antarctic Division, NOAA und die University of Pretoria.
Für uns ist die Internationale Walfangkommission (IWC) ein wichtiges Vernetzungsorgan, die sich – neben ihrer ursprünglichen Funktion als Managementorgan für den Walfang – heutzutage vor allem mit neuen Bedrohungen und Managementanforderungen für Wale befasst und entsprechendem Forschungsbedarf definiert. Des Weiteren ist die Walforschung natürlich eng mit der Forschung an den Nahrungsorganismen verbunden und ich arbeite viel mit der Krillforschung am AWI sowie der Planktongruppe der Universität Gdansk zusammen.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Wale erfüllen wichtige Ökosystemfunktionen, nicht nur als Top-Prädatoren, die das Nahrungsnetz strukturieren, sondern auch als Nährstoffaufbereiter und als direkte und indirekte Kohlenstoffspeicher. Diese Ökosystemleistungen sind durch die Fast-Ausrottung der Wale im 20. Jahrhundert größtenteils verloren gegangen. Die zunehmende Populationserholung, die wir derzeit beobachten, bedeutet auch eine Wiederbelebung dieser Ökosystemdienstleistungen, inklusive eines Beitrags zur Kohlenstoffbindung im Meer, die in den Zeiten des Klimawandels wichtiger ist denn je.

