EU-Förderung für Meteorologin der Universität HamburgWie die Verdunstung von Regen Wetter und Klima beeinflusst
7. September 2023, von Christina Krätzig
Foto: MPI-M/Diallo
Dr. Raphaela Vogel aus dem Fachbereich Erdsystemwissenschaften erforscht die Rolle von Wolken im Klimasystem. Insbesondere will sie verstehen, was bei einsetzendem Regen in Wolken vor sich geht. Ihre Arbeit wird nun mit einem ERC Starting Grant gefördert.
In jeder Sekunde schießt das Wolkenobservatorium auf Barbados tausende Laserstrahlen in den Himmel. Diese erfassen alle in der Luft befindlichen Wassertropfen. Und das nicht erst seit gestern: Bereits 13 Jahre reicht die Datensammlung zurück.
Mit neueren Methoden untersucht, könnten diese Daten deutlich mehr über die Vorgänge in den Wolken verraten als bislang ausgenutzt wurde, vermutet die Meteorologin Dr. Raphaela Vogel von der Universität Hamburg. Den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) hat sie von ihrer Annahme ebenfalls überzeugt: Sie bekommt eine der wichtigsten Förderungen für Nachwuchsforschende in Europa. Der ERC Starting Grant gibt ihr fünf Jahre Zeit für ihre Forschung und beinhaltet eine Fördersumme in Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Neue Informationen über die Geschwindigkeit der Regentropfen
„Noch verstehen wir nicht genau, was bei einsetzendem Regen in Wolken vor sich geht“, erklärt die Meteorologin. „Doch solange die physikalischen Vorgänge nicht besser verstanden sind und wir keine Beobachtungsdaten zum Vergleich haben, können wir nicht sicher sein, dass die Klimarechenmodelle die Entwicklung von Wolken in einer mit Treibhausgasen angereicherten Atmosphäre korrekt abbilden.“ Das aber ist ein Problem, denn niedrige Wolken kühlen – pauschal gesagt – die Erde durch ihre Schatten ab. Würden sie weniger, könnte dies die Erderwärmung weiter anheizen.
„Dank neuer Verfahren können wir aus den Messdaten von Barbados Informationen über die Geschwindigkeit der Regentropfen ableiten, die sich im Augenblick der Messung über der Station Richtung Boden bewegen, und daraus auf ihre Größe schließen“, erklärt Vogel. Das ist wichtig, denn Regentropfen entwickeln eine hohe Geschwindigkeit. Bei ihrem Fall verdunstet Wasser und die Verdunstungskälte verstärkt die Fallgeschwindigkeit weiter. Es entsteht ein Abwärtsstrom aus kalter Luft, die sich schließlich wie ein See über dem Boden ausbreitet. Ein solcher Kaltluftsee oder auch „Cold Pool“ kann einen Durchmesser von bis zu 200 Kilometern erreichen. Über ihm ist der Himmel meist wolkenlos.
„Cold Pools unterdrücken die Wolkenbildung im Innern und verstärken sie an den Rändern – ich möchte herausfinden, welcher der beiden Effekte dominiert“, erklärt Vogel. In einem zweiten Schritt sei dann zu klären, ob es künftig mehr Cold Pools geben wird oder nicht.
Vorhandenes Wissen besser in Wettermodelle zu überführen
Neben der Neuinterpretation bestehender Daten wird Vogel mit ihrem Team auch versuchen, das vorhandene Wissen über die Physik der Wolken besser in Wettermodelle zu überführen. Dazu will sie eine noch relativ junge Methode anwenden. „Wir werden mit Supertropfen-Modellen arbeiten. Anhand weniger sogenannter Supertropfen können diese Modelle alle relevanten Prozesse des Wachstums und der Interaktion von Regentropfen simulieren“, erklärt Vogel. Sie hofft, dass die Supertropfen es ihr ermöglichen, genauere Wettersimulationen für große Gebiete zu erstellen. Das wäre neu, denn aufgrund der riesigen Rechenkapazitäten, die dafür benötigt werden, können Forschende bislang nur entweder kleine Gebiete sehr genau oder größere Gebiete weniger genau modellieren.
In Kombination mit den neuen Beobachtungsdaten wird Vogel zum ersten Mal bewerten können, ob die Modelle diese Regenprozesse realistisch abbilden. So kann sie prüfen, ob das Wettergeschehen richtig berechnet wird: für die Vergangenheit und damit hoffentlich auch für die Zukunft.
Universitätspräsident Prof. Dr. Hauke Heekeren: „Herzlichen Glückwunsch, Dr. Raphaela Vogel! Die EU-Förderung für die UHH-Meteorologin zeigt die Breite der Exzellenzuniversität Hamburg im Bereich Spitzenforschung. Die Klimaforschung ist dabei ein thematischer Profil-Schwerpunkt der Universität Hamburg und die wissenschaftlichen Leistungen im Fachbereich Erdsystemwissenschaften im CEN (Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit) sind auch im internationalen Vergleich hervorzuheben. Mit angewandten Forschungsprojekten wie diesem tragen wir unsere Erkenntnisse in die Gesellschaft hinein. In diesem Fall lernen wir besser zu verstehen, wie unser Klimasystem funktioniert; davon profitieren wir alle und die Gesellschaft. Der ERC Starting Grant ist eine der höchstmöglichen Auszeichnungen des Europäischen Forschungsrats in der Wissenschaft.“
Zur Person
Dr. Raphaela Vogel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Meteorologischen Institut am Fachbereich Erdsystemwissenschaften sowie Mitglied im Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. Im November 2022 hat sie im Fachjournal Nature eine Studie zur künftigen Entwicklung von Passatwolken veröffentlicht. Mithilfe einer groß angelegten Messkampagne konnte sie zeigen, dass Annahmen über den Beitrag dieser Wolken zur Klimaerwärmung korrigiert werden müssen, weil die Wolken weniger empfindlich auf äußere Einflüsse reagieren als lange angenommen.