Serie Forschen & VerstehenMensch oder Maschine – bei wem bestellen Kundinnen und Kunden mehr?
16. August 2023, von Red.
Foto: pixabay/Fotorech
Immer häufiger kommen Kundinnen und Kunden beim Einkauf oder im Dienstleistungssektor nicht mehr zuerst mit Mitarbeitenden in Kontakt, sondern mit automatisierten Prozessen und Maschinen. An der Fakultät für Betriebswirtschaft untersucht Prof. Dr. Karen Gedenk gemeinsam mit Dr. Kai Widdecke und Dr. Cord Otten in einem aktuellen Projekt anhand von Fast-Food-Restaurants, ob sich dadurch das Kaufverhalten ändert.
Früher wurde man in Fast-Food-Restaurants noch gefragt, was man denn gerne hätte. Heute tippt man seine Bestellung vielerorts in einen Automaten. Wie untersuchen Sie die Auswirkungen dieser Veränderungen auf das Kaufverhalten?
Wir arbeiten dafür mit einem Fast-Food-Unternehmen zusammen, das in seinen Restaurants Automaten eingeführt hat. Das heißt, eine Bestellung kann entweder bei dieser Maschine oder bei einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter aufgegeben werden.
Das Unternehmen hat uns dafür zum einen Transaktionsdaten von 20 seiner Restaurants zur Verfügung gestellt, mit denen wir messen, ob Kunden mehr oder weniger kaufen, wenn sie ihre Bestellung an einem Automaten aufgeben statt bei einem Menschen. Zum anderen haben wir Kundinnen und Kunden in zwei der Restaurants des Unternehmens befragt, um Ursachen des Verhaltens zu erforschen.
Was haben Sie herausgefunden?
Tatsächlich bestellen die Gäste des Fast-Food-Unternehmens am Automaten deutlich mehr als am Tresen: Im Durchschnitt geben sie in unseren beiden Studien 14 bzw. 16 Prozent mehr aus. Für das Unternehmen ist das natürlich erfreulich, da es so deutlich mehr Umsatz macht und der Deckungsbeitrag steigt. Für die Kundinnen und Kunden sind die gesundheitlichen Folgen weniger schön, denn sie bestellen am Automaten nicht nur mehr, sondern auch ungesünderes Essen. Zum Beispiel enthalten Bestellungen am Automaten 32 Prozent mehr Zucker und 42 Prozent mehr Transfette.
Konnten Sie herausfinden, warum Bestellungen am Automaten im Schnitt größer ausfallen?
Es gibt Indizien für zwei Ursachen. Zum einen sind Maschinen besser im Cross-Selling, das heißt, sie bieten automatisch weitere Produkte an, und fragen zum Beispiel konsistent, ob man zum Essen nicht vielleicht noch einen Kaffee möchte. Zum anderen ist der soziale Druck bei Bestellungen am Automaten geringer. In Fast-Food-Restaurants kauft man vor allem ungesunde Produkte – und das ist gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Tresen eventuell peinlich. Am Automaten fühlt man sich weniger beobachtet und beurteilt.
Wie können und sollten diese Erkenntnisse praktisch genutzt werden?
Die Forschung ist natürlich vor allem für Unternehmen interessant, da sie daraus wichtige Hinweise für den Einsatz von Bestell-Automaten ableiten können. Häufig wird Automatisierung insbesondere unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass man Personalkosten sparen will. Unsere Forschung zeigt, dass auch erhebliche Erlös-Effekte auftreten können. Unsere Forschung hat aber auch Implikationen für Gesellschaft und Politik, wenn es um die Förderung gesunder Ernährung geht. So könnte man zum Beispiel Restaurants verpflichten, an Bestellautomaten gut sichtbar nachvollziehbare Nährwertangaben zu machen, um Kundinnen und Kunden vor ungesundem Essverhalten zu warnen.
Forschen & Verstehen
In den acht Fakultäten der Universität Hamburg forschen rund 6.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch viele Studierende wenden oft bereits im Studium ihr neu erworbenes Wissen in der Praxis an. Die Reihe „Forschen & Verstehen“ gibt einen Einblick in die große Vielfalt der Forschungslandschaft und stellt einzelne Projekt genauer vor. Fragen und Anregungen können gerne an die Newsroom-Redaktion(newsroom"AT"uni-hamburg.de) gesendet werden.