Willkommen an Bord„Vom Grüffelo bis zu den Liedern von Taylor Swift: Literatur ist nicht an das Medium Buch gebunden“Prof. Dr. Tobias Kurwinkel verstärkt die Geisteswissenschaften
8. März 2024, von Kurwinkel/Red.
Foto: Frank Preuß
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Tobias Kurwinkel.
Prof. Dr. Tobias Kurwinkel kommt zum Wintersemester 2023/24 von der Universität Duisburg-Essen und tritt an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für „Neuere Deutsche Literatur, insbesondere Literatur und Kinder- und Jugendkulturen“ an.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Ich bin Literaturwissenschaftler und beschäftige mich, wie Albrecht Schöne geschrieben hat, mit dem „Menschheitsgedächtnis der Wörter und Sätze, der Schriftwerke und Dichtungen“. Die Adressaten der Wörter und Sätze sind in meinem Falle vor allem Kinder und Jugendliche, die „Schriftwerke und Dichtungen“ Bilderbücher und Jugendromane, aber auch Kinderfilme und Popsongs, also vom „Grüffelo“ über „Bibi und Tina“ bis zu „Die Tribute von Panem“ und den Songs von Taylor Swift. Wie Jürgen Fohrmann und Harro Müller einmal sinngemäß formulierten: Literatur ist nicht an das Medium Buch gebunden, Literatur ist eine Formmöglichkeit eines oder mehrerer Medien.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Erzählen ist anthropologische Universalie oder anders und zugespitzt: Der Mensch ist Mensch, weil sie und er erzählt. Wir erzählen, wenn wir uns morgens beim Kaffee treffen, wenn wir Alltag berichten und begreifen wollen, wenn wir Informationen austauschen. Wir erzählen, wenn wir unterhalten – und unterhalten werden wollen. Die Ergebnisse dessen sind medienübergreifende Phänomene und ich arbeite daran, das „Was“ und „Wie“ dahinter zu verstehen und verständlich zu machen.
Für meine Kinder und mit meinen Kindern wird das deutlich, wenn wir im Auto „Die drei ???“ hören und darüber sprechen, warum die Folge so spannend ist, wenn ich mit meiner ältesten Tochter über die Filmadaption von „One of Us is Lying“ und den Entlehnungen aus „The Breakfast Club“ diskutiere – oder mir meine Kinder erklären, dass es nun wirklich „cringe“ sei, dass ich gerade „weird“ gesagt habe.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Hamburg ist für mich eine weltoffene, eine im stetigen Wandel begriffene Metropole, die ein ganz besonderes norddeutsches Flair zeitigt. Darauf freue ich mich – und auf die Museen, die Konzerte, auf die Sternschanze und das Karolinenviertel.
Die Universität atmet, lebt diese Weltoffenheit, den Wandel und dieses Flair, vielleicht nicht zuletzt, weil sie nicht am Rande der Stadt, sondern in ihrer Mitte liegt. Die Verbundenheit von Stadt und Universität möchte ich mir zunutze machen und Lehr- und Forschungsprojekte wie z. B. „Illustrators in Residence“ aus dem Hörsaal in die Stadt tragen: Dabei stellen Illustratorinnen und Illustratoren von Bilderbüchern in Ateliergesprächen Zuhörenden ihre Kunst vor, situieren und reflektieren die Ästhetik ihrer Werke, die Poetik ihrer Bilder. Daran knüpfen Gespräche zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Moderierenden und Teilnehmenden an.
Die Künstlerinnen und Künstler grafischer Literatur stehen häufig am Rand der öffentlichen und wissenschaftlichen Wahrnehmung. Das Lehr- und Forschungsprojekt, zu dem auch eine Buchreihe gehört, rückt gerade sie und ihre Arbeiten in den Fokus.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg, etwa in Bezug auf Transfer:
Grundsätzlich möchte ich mit Projekten und Konzepten wie „Illustrators in Residence“ zu den Transferaktivitäten der Universität in den Bereichen kulturelle Bildung und Wissenschaftsdialog beitragen.
Wichtig sind mir aber auch verschiedene Publikationsprojekte, die im Bereich der Grundlagenforschung angesiedelt sind: Dazu gehört z. B. eine Reihe von Einführungsbänden in die Kinder- und Jugendliteraturwissenschaft, deren methodisches Fundament eine transmediale Narratologie ausstellt. An der Reihe von insgesamt vier Bänden, die im Narr Francke Attempto Verlag als UTB-Bücher erscheinen werden, arbeite ich u. a. mit zwei Kolleginnen und Kollegen aus dem Institut für Germanistik.
Ein weiteres Großprojekt ist ein Lexikon zu Motiven in Kinder- und Jugendmedien, an dem zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland mit Beiträgen beteiligt sind. Das Lexikon wird im Metzler Verlag als sogenanntes „Living Handbook“ und als Veröffentlichung in Buchform erscheinen. Dem Lexikon liegt ein trennscharfer und operationalisierbarer Motivbegriff zugrunde, eine typologische Ordnung von Motiven in Kinder- und Jugendmedien sowie ein tragfähiges Analyseinstrument, das in Form eines Modells sowohl den narrativen Kern von Motiven erkennbar macht als auch seinen unterschiedlichen konkreten Ausgestaltungsdimensionen und -ebenen gerecht wird.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Meine Lehrveranstaltungen sind durch den lebendigen Dialog zwischen Studierenden und mir als Lehrendem geprägt, der von einer gleichwertigen Partnerschaft getragen ist. Eine solche Beziehung ist die Basis für das forschende Studieren, dem ich als hochschuldidaktischem Prinzip gerecht zu werden versuche.
Dies gelingt mir insbesondere in Seminaren und Übungen, bei denen ich das wissenschaftliche Internetportal KinderundJugendmedien.de, für das ich verantwortlich bin, integrieren kann. Das Portal, das sowohl fachwissenschaftliche als auch didaktische Informationen über Themen, Entwicklungen und Neuerscheinungen des speziellen Medienangebots für Kinder und Jugendliche bereitstellt, ist mittlerweile das größte seiner Art im deutschsprachigen Raum.
So führe ich beispielsweise demnächst eine Lehrveranstaltung zu aktuellen Kinder- und Jugendbüchern durch, bei der Studierende kollaborativ in kleinen Gruppen arbeiten und forschen und ihre Ergebnisse schließlich auf dem Portal veröffentlichen. Das Seminar vermittelt literaturwissenschaftliche Analysepraxis, aber dabei vertiefen die Studierenden nicht nur ihr Wissen über Methoden und Verfahren, die sie auf Kinder- und Jugendliteratur anwenden, sondern bekommen in Form von Open Access auch einen Einblick in den wissenschaftlichen Publikationsdiskurs und entwickeln Schreibkompetenzen.