UHH Newsletter

Juni 2009, Nr. 3

INTERVIEW

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Dr. Elke Grittmann



Kontakt:

Dr. Elke Grittmann

Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft
Allende-Platz 1
20146 Hamburg

e. elke.grittmann-at-uni-hamburg.de
www

Interview mit Dr. Elke Grittmann, Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft

Eine Studie des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft erregte in den vergangenen Wochen die Aufmerksamkeit der Medien. Es geht um die Folgen der Konzentrationsbewegungen, die derzeit bei Regionalzeitungen – und nicht nur dort – zu beobachten sind.
Frau Grittmann, die Studie, die Sie anlässlich einer Tagung in Schwerin Anfang Mai vorgestellt haben, ist in den Medien auf große Resonanz gestoßen. Sowohl die taz als auch der NDR haben die Ergebnisse Ihrer Studie aufgegriffen und diskutiert. Worum geht es in der Untersuchung?

In der Studie geht es darum, ob sich die Zusammenlegung und die Kürzung der Ressourcen auf Vielfalt und Qualität der Berichterstattung auswirkt. Die verstärkte ökonomische Ausrichtung der Tageszeitungsverlage auf Kosten der Qualität wird schon seit längerem von Journalisten thematisiert. Wie in der ganzen Bundesrepublik stehen die Tageszeitungsredaktionen auch in Norddeutschland massiv unter Druck, viele Stellen werden abgebaut, Redaktionen zusammengelegt.
 
Konkret haben wir uns die Frage gestellt, ob es durch die Zusammenlegung von zwei Mantelredaktionen [Redaktionen, die den überregionalen Teil einer Zeitung produzieren, die Red.], der Ostsee-Zeitung in Mecklenburg-Vorpommern und den Lübecker Nachrichten in Schleswig-Holstein, zu einem lediglich graduellen inhaltlichen Verlust von Vielfalt kommt. Häufig wird ja behauptet, dass die Themen sowieso relativ ähnlich seien, das wollten wir überprüfen. Oder ob es sich um einen deutlichen Verlust von Vielfalt im Vergleich zur Berichterstattung der anderen Zeitungen in den beiden Bundesländern handelt, wenn die Berichterstattung vereinheitlicht wird.

Auch haben wir uns die Qualität der Berichterstattung anhand einiger Indikatoren angeschaut, die wir für die Regionalzeitungen für besonders wichtig betrachten. Dazu zählen beispielsweise die journalistische Sorgfalt in der Berichterstattung, die Einordnung und Erklärung von Geschehnissen für die Leserinnen und Leser oder die analytische Tiefe der Berichterstattung. Das haben wir mit einer systematischen und quantitativen Inhaltsanalyse der sechs großen Zeitungen in den beiden Bundesländern untersucht.

Wie erklären Sie sich das große Interesse der Medien?


Im ersten Moment war ich überrascht, da wir beim Pressetag der Journalistenverbände in Schwerin zunächst einmal nur erste Ergebnisse präsentiert haben. Wenn man sich jedoch die allgemeine Entwicklung der Tageszeitungen und die öffentliche Diskussion über deren Zukunft anschaut, erklärt sich eigentlich das große Echo. 

Seit wir mit der Studie im Herbst letzten Jahres begonnen haben, hat das Thema jedoch noch einmal deutlich an Brisanz gewonnen: Im Herbst 2008 hat einer der größten Zeitungsverlage in Deutschland, die WAZ-Gruppe in Essen, angekündigt, dass sie rund 300 Stellen in den Redaktionen abbauen will und hat den Bezug der Nachrichtenagentur dpa gekündigt. Die ehemals eigenständigen Wirtschaftstitel von Gruner + Jahr werden seit März von einer gemeinsamen Redaktion produziert, in Mecklenburg-Vorpommern wurden ebenfalls zwei Mantelredaktionen zusammengelegt. Die Frage nach den Folgen dieser Konzentration und der Verringerung von Ressourcen für die Meinungsvielfalt und Qualität der Zeitungen ist daher im Moment wieder aktuell.

Dann haben Sie die allgemeine Diskussion zum Anlass für Ihre Studie genommen oder wie kam es zu der Studie?

Angestoßen wurde die Studie zum einen konkret durch eine Anfrage der Journalistenverbände in Mecklenburg-Vorpommern, dort wie auch in Schleswig-Holstein sind die Tageszeitungen von dieser Entwicklung besonders stark betroffen. Ausgangspunkt war der Eindruck, dass sich die Veränderung der Rahmenbedingungen nicht nur auf die Journalisten, sondern inzwischen auch auf Qualität und Vielfalt der Zeitungen und des Zeitungsmarktes auswirkt. Darüber wird ebenfalls seit längerem öffentlich diskutiert. Systematische Analysen lagen dazu noch nicht vor. 

Entscheidend war auch, dass wir im Fach in den letzten Jahren neue methodische Herangehensweisen entwickelt haben, die sich für die Überprüfung eignen, bislang aber noch nicht in dieser Form für die Untersuchung dieser Frage genutzt wurden. Daher war es in beiderlei Hinsicht eine wissenschaftliche Herausforderung, das Thema aufzugreifen und zu untersuchen. 

Die Hans-Böckler-Stiftung hat das Projekt unterstützt. Im Wintersemester habe ich dann ein Lehr-Forschungs-Projektseminar angeboten. Das Forschungsdesign der Studie haben die Studierenden gemeinsam mit mir konzipiert, eine großartige Leistung der Gruppe. 

Worin sehen Sie die Bedeutung gerade der regionalen Tageszeitung?

Sie haben nicht nur eine Informations-, sondern auch eine Orientierungsfunktion: Neben der Regionalberichterstattung  müssen sie Themen überregionaler Bedeutung für ihre Leserschaft, für ihre Region entsprechend gewichten und aufbereiten. Das lässt sich nicht delegieren. Entscheidungen auf Bundesebene können für Schleswig-Holstein eine ganz andere Relevanz besitzen als für Mecklenburg-Vorpommern.

Die von uns gewählten Indikatoren zur Messung von Qualität wie beispielsweise die Einordnung von Geschehnissen, Hintergrundberichterstattung und analytische Tiefe sind für überregionale Tageszeitungen inzwischen ganz entscheidende Kriterien, um sich in der Medienkonkurrenz zu behaupten. Bei den regionalen Tageszeitungen lässt sich das nicht beobachten, im Gegenteil. Es besteht die Gefahr, dass die Zeitungen die öffentliche Aufgabe nicht erfüllen, aber auch weiter Leserinnen und Leser verlieren, wenn das nicht geleistet wird.

Wenn ich das richtig verstehe, so überschneiden sich die Verbreitungsgebiete der sechs untersuchten Tageszeitungen nicht. Warum ist es Ihrer Ansicht nach dennoch so wichtig, dass es in der überregionalen Berichterstattung zu keiner Konvergenz kommt, sondern eine möglichst große Vielfalt der Berichterstattung herrscht?

Ja, das ist richtig. Bei den Zeitungen, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, handelt es sich weitgehend um Monopolzeitungen bzw. gibt es viele Kreise, in denen der Leserschaft lediglich eine regionale Tageszeitung zur Verfügung steht. Vielfalt ist damit schon im Regionalen nicht gewährleistet. Wenn nun auch noch die überregionale Berichterstattung vereinheitlicht wird, schwindet die publizistische Vielfalt insgesamt. Für die politische Kultur eines Bundeslandes zum Beispiel hat das schon eine gewisse Relevanz. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die schon erwähnte Orientierungsfunktion für eine Region noch geleistet werden kann.

Und was sind die Schlüsse, zu denen Sie kommen?


Unsere erste Auswertung hat ergeben, dass es durch die Zusammenlegung von Redaktionen zu einem deutlichen Verlust von Vielfalt kommt. Auch die Qualität der Zeitungen weist durchgehend Defizite auf. Wir können keinen einfachen Kausalzusammenhang herstellen, aber angesichts der Entwicklungen in den Redaktionen kommen wir zu dem Schluss, dass die Bedingungen in den Redaktionen zumindest mit ausschlaggebend dafür sind. Das ist insofern fatal, als sich die Tageszeitungen nach unserer Einschätzung nur durch eine bessere Qualität weiter behaupten können.

Werden Sie die Ergebnisse veröffentlichen, eventuell sogar die Studie noch vertiefen?

Auf jeden Fall ist das geplant. Wir haben ja erst einmal die zentralen Befunde vorgestellt. Eine ausführliche Publikation mit der ausführlichen Darstellung unserer theoretischen Überlegungen und vor allem vertiefenden und differenzierten Analysen und der Ergebnisse ist jetzt in Vorbereitung.

Frau Grittmann, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

 
 
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