26 August 2004
Presseerklärung der Dekane der geisteswissenschaftlichen Fachbereiche der Universität Hamburg zu den von Senator Dräger angekündigten Stellenstreichungen
In seiner Pressekonferenz am 23. August 2004 hat der Senator für Wissenschaft und Gesundheit dagegen unverändert an seinen Plänen festgehalten, die Zahl der Professuren von derzeit 155 auf die Hälfte zu reduzieren. Über die konkreten Auswirkungen, dass damit nämlich zugleich 80% der geisteswissenschaftlichen Fächer wegfallen müssten, hat er sich nicht geäußert. Zudem sind in seiner Darstellung – den Presseberichten zufolge – zahlreiche Unterstellungen enthalten, gegen die wir hiermit Protest einlegen. Wir stellen richtig:
- Konkret bedeutet eine derart drastische Reduzierung von Professorenstellen die Streichung zahlreicher Fächer und Studiengänge, die nicht mit wissenschaftlichen Mitarbeitern allein betrieben werden können. In den Sprachwissenschaften blieben nur noch die Lehrer ausbildenden Fächer übrig, alle wissenschaftlichen Studiengänge mit Abschluss M.A. oder Dr. phil. würden entfallen; von den übrigen Geisteswissenschaften, immerhin knapp 30 Fächer, blieben neben Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Sinologie und Japanologie vielleicht noch Geschichte oder Philosophie erhalten. Die teils einzigartigen Kompetenzen in den Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, deren Aufbau Jahrzehnte erfordert hat, wären damit in wenigen Jahren vernichtet. Die Metropole Hamburg, die sich rühmt, Tor zur Welt zu sein, würde damit ihre Universität in den Geisteswissenschaften auf Provinzniveau reduzieren.
- Das Versprechen einer besseren Ausstattung, die durch das Streichen der Hälfte aller Professorenstellen möglich werden soll, entbehrt jeder Grundlage. Mit den Streichungsplänen des Senators wird keine Verbesserung der Ausstattung der Professuren erreicht, sondern in einigen Bereichen sogar gegenüber der Universitätsplanung eine deutliche Verschlechterung.
Außerdem wird die vorgesehene Umwandlung der Hälfte der Professuren in Mitarbeiterstellen (viele davon Doktoranden, die selbst noch in der Ausbildung stecken) die Qualität der geisteswissenschaftlichen Arbeit erheblich mindern: Die Lehre wird leiden, und für die Forschung wird nicht mehr genügend kritische Masse vorhanden sein. Die Fachbereiche halten auch weiterhin daran fest, dass die Einheit von Forschung und Lehre auch im Bachelor-Bereich durch Professoren gewährleistet sein muss und hier nicht eine Ausbildung zweiter Klasse angeboten werden darf.
- Der Senator verbreitet den Eindruck, die Universität und insbesondere die Geisteswissenschaften seien reformunwillig. Dieser Eindruck ist falsch. Seit anderthalb Jahren wird intensiv an der Gründung der geisteswissenschaftlichen Fakultät sowie an der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen gearbeitet. Es liegen für viele Fächer neue Entwürfe vor, Prüfungsordnungen sind erarbeitet worden. Hierfür sind allerdings verlässliche Grundlagen erforderlich, die nun nicht mehr gegeben sind. Aus diesem Grunde haben wir die Arbeit an diesen beiden Projekten bis auf weiteres eingestellt.
Wir haben unter Berücksichtigung der Sparauflagen Strukturpläne erarbeitet, die bereits starke Stellenkürzungen von ca. 20% und eine deutliche Reduktion der Professorenstellen (von 155 auf 130) zugunsten anderer Gruppen des Wissenschaftlichen Personals vorsehen. Sie erlauben es, die Fächervielfalt beizubehalten und zugleich zukunftsweisende Entwicklungen einzuleiten.
Alle Planungen werden aber zunichte gemacht, wenn der Senator jetzt mit rigiden planwirtschaftlichen Vorgaben massiv in die interne Gestaltung der Universität eingreift, die er durch das Hamburger Hochschulgesetz für grundsätzlich autonom erklärt hat.
- Die Kollateralschäden der Planungen sind beträchtlich: Internationale Kooperationen mit Partnern auf der ganzen Welt werden abgebrochen, Forschungen, die in manchen unserer Fächer zur Weltspitze zählen, werden eingestellt werden müssen, und die in vielen unserer Fächer vorbildliche Lehre wird auf ein Rumpfstudium eingedampft. Ob der Arbeitsmarkt an solchen Absolventen überhaupt Interesse hat, wagt niemand zu fragen, abgesehen davon, dass selbst für die Nachfrage staatlicher Hamburger Institutionen, z.B. die der Museen, nach Ethnologen, Volkskundlern oder Archäologen an der Universität Hamburg keine Ausbildung mehr stattfinden könnte.
Wir fordern deshalb den Senator und die Behörde für Wissenschaft und Gesundheit nochmals auf, alles zu tun, um den Ruf des Wissenschaftsstandortes Hamburg und der Universität nicht durch eine Zerschlagung der Geisteswissenschaften nachhaltig zu schädigen.
Für Rückfragen:
Prof. Dr. Knut Hickethier
Dekan, Fachbereich Sprach, Literatur- und Medienwissenschaft
Tel.: (040) 428 38-4045
E-Mail: hickethier"AT"uni-hamburg.de
Prof. Dr. Andreas Eckert
Dekan, Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaft
Tel.: (040) 428 38-2591
E-Mail: andreas.eckert"AT"uni-hamburg.de
Prof. Dr. Bruno Reudenbach
Dekan, Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde
Tel.: (040)428 38-7188, -3279
E-Mail: reudenbach"AT"kunstgeschichte.uni-hamburg.de
Prof. Dr. Michael Friedrich
Dekan, Fachbereich Orientalistik
Tel.: (040)428 38-5736, -5930
E-Mail: michael.friedrich"AT"uni-hamburg.de