Größtes Tiergenom entziffertWie Verwandte des Lungenfischs das Land besiedeln konnten
29. Januar 2021, von Newsroom-Redaktion
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Das vollständig sequenzierte Genom des Australischen Lungenfischs ist das größte sequenzierte Tiergenom und hilft, den Landgang der Wirbeltiere besser zu verstehen. An der Sequenzierung waren zwei Wissenschaftler aus dem Fachbereich Biologie der Universität Hamburg maßgeblich beteiligt.
Mit Hilfe neuester DNS-Sequenziertechnologien konnte eine Gruppe von Laboren in Konstanz, Würzburg, Hamburg und Wien das Genom des Australischen Lungenfisch vollständig sequenzieren. Das Genom mit einer Gesamtgröße von über 43 Milliarden DNS-Bausteinen ist 15-fach größer als das des Menschen und das größte Tiergenom, das bislang sequenziert wurde. Dessen Analyse gibt wertvolle Einblicke in die genetischen und entwicklungsbiologischen evolutionären Innovationen, die die Besiedlung des Landes durch Fische möglich machten. Die Befunde, die Online im Wissenschaftsjournal Nature publiziert sind, erweitern das Verständnis für diesen entscheidenden evolutionären Fortschritt im Devon vor 420 Millionen Jahren.
Lungenfische sind die nächsten lebenden Fischverwandten des Menschen. Sie haben noch viel von einem Fisch, aber auch schon einiges von Landwirbeltieren wie den Menschen. Der vor 150 Jahren entdeckte Australische Lungenfisch (Neoceratodus forsteri) ist ein „lebendes Fossil“, das anderen bis vor 100 Millionen Jahren lebenden Lungenfischen (Ceratodus) täuschend ähnlich ist. Deren „fleischige“ Flossen haben eine anatomische Knochenanordnung, die schon erkennbar derjenigen in unseren Gliedmaßen gleicht. Wie ihr Name sagt, besitzen Lungenfische außerdem eine Lunge, mit der sie an der Wasseroberfläche Luft atmen müssen, um nicht zu ertrinken.
Lungenfische haben eine extrem lange Evolutionsgeschichte. Sie gehören zu den wenigen überlebenden „Fleischflossern“ (Sarcopterygii), von denen viele, die vor zirka 420 Millionen Jahren lebten, längst ausgestorben sind. Das macht das Studium ihres Genoms so wichtig.
„Die vollständige Sequenzierung des Genoms des Australischen Lungenfischs hat uns nun ermöglicht, die evolutionäre Schlüsselposition der Lungenfische als nächste lebende Verwandten der Tetrapoden zu bestimmen“, sagt Prof. Dr. Thorsten Burmester vom Fachbereich Biologie der Universität Hamburg. Somit ist auch eine frühere Hypothese aus dem Jahr 2013 bestätigt, dass der Lungenfisch näher mit den Landwirbeltieren verwandt ist als der Quastenflosser, der über 50 Jahre nach seiner Entdeckung im Jahr 1938 als unser nächster noch lebender Fischverwandte angesehen wurde.
In der Genomanalyse wurden genomische Präadaptionen gefunden – genetische Voranpassungen an die neuen, zuvor nicht vorhandenen Umweltbedingungen des Landlebens. Die Studie rekonstruiert, ausgehend von der Genomsequenzierung, die Landeroberung unter mehreren Aspekten wie etwa der Evolution der Gliedmaßen aus Flossen, der Luftatmung, des Geruchssinns oder der Fortpflanzung. So konnte gezeigt werden, dass die gleichen Gene, die auch im Menschen die Embryonalentwicklung der Lunge steuern, auch in der Lunge der Lungenfische diese Funktion haben.
Mehrere einzelne Chromosomen des Lungenfisches sind jeweils so groß wie das komplette menschliche Genom (mit 23 Chromosomen) zusammen. Diese enorme Größe erklärt sich durch mobile DNS-Elemente verschiedener Klassen, deren Position im Genom veränderlich ist und die insgesamt 90 Prozent des gesamten genetischen Materials ausmachen. „Der Lungenfisch hat demnach zwar ein großes Genom, dieses hat jedoch viele repetitive, also sich wiederholende, DNA-Sequenzen“, sagt Dr. Andrej Fabrizius aus der Arbeitsgruppe Molekulare Tierphysiologie des Fachbereichs Biologie. Für die Sequenzierung des Genoms der Lungenfische wird Prof. Dr. Thorsten Burmester gemeinsam mit Prof. Dr. Axel Meyer von der Universität Konstanz und Prof. Dr. Manfred Schartl von der Universität Würzburg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2018 gefördert.
Originalpublikation
Axel Meyer, Siegfried Schloissnig, Paolo Franchini, Kang Du, Joost Woltering, Iker Irisarri, Wai Yee Wong, Sergej Nowoshilow, Susanne Kneitz, Akane Kawaguchi, Andrej Fabrizius, Peiwen Xiong, Corentin Dechaud, Herman Spaink, Jean-Nicolas Volff, Oleg Simakov, Thorsten Burmester, Elly M. Tanaka, Manfred Schartl (2020): Giant Lungfish genome elucidates the conquest of land by vertebrates.