Kummer und Hoffnung im HarzWie Menschen den Wandel ihres Waldes erleben
13. August 2025, von Red.

Foto: UHH/Sievert
Der Wald im Harz ist von einem dramatischen Wandel geprägt. Hitze, Trockenheit und der Befall durch Borkenkäfer lassen vor allem die in höheren Lagen dominierenden Fichtenwälder großflächig absterben. Die Doktorandin Inga Janina Sievert erforschte im Rahmen des Exzellenzclusters für Klimaforschung CLICCS an der Universität Hamburg, wie Menschen in der Region die Veränderungen erleben.

Wie gehen Sie als Ethnologin vor?
Die zentrale Methode der Ethnologie ist die teilnehmende Beobachtung. Neben Interviews habe ich meine Gesprächspartner und -partnerinnen auch bei ihren Tätigkeiten im Wald begleitet. Während meiner einjährigen Feldforschung im Harz war ich mit Forstleuten und Mitarbeitenden des Nationalparks unterwegs, habe mit ihnen Bäume gepflanzt und vom Käfer befallene Bäume „ausgezeichnet“. Ich habe Jagden und Waldbrandübungen der Freiwilligen Feuerwehr begleitet, war mit Anwohnerinnen und Anwohnern wandern und Pilze sammeln. Dabei zeigte sich: Viele empfinden den Zustand des Waldes als Krise und Bedrohung, einige jedoch sehen in seiner langfristigen Umgestaltung auch eine Chance. Die verschiedenen Perspektiven hängen stark von individuellen Erfahrungen ab. Doch jede Person, die ich im Wald traf, war emotional betroffen.
Welche Emotionen waren besonders häufig anzutreffen?
Viele Menschen erleben widersprüchliche Gefühle angesichts des Waldwandels. Der desolate Zustand macht traurig – bei einigen führt die Belastung durch gestiegene Arbeitsanforderungen sogar zu Depressionen und Burnout. Ein Förster formuliert es so: ‚Das geht einem richtig ans Herz. So viele Probleme! Da fällt man wirklich in ein Loch.‘ Gleichzeitig betonen viele, wie wichtig es ist, optimistisch zu bleiben, um ihren Job fortsetzen zu können.
Einige Befragte verknüpfen ihre Erfahrungen mit Erinnerungen an Krisen, die in der Vergangenheit überwunden wurden. Diese zyklische Sicht auf Krisen spendet Hoffnung. Wut zeigt sich vor allem als Reaktion bei Lokalpolitikern und richtet sich unter anderem politisch gegen den Nationalpark. Der globale Klimawandel spielt in den lokalen Klärungen oft nur eine untergeordnete Rolle. Das ist nachvollziehbar und nur auf den ersten Blick ein Herunterspielen des Klimawandeldiskurses. Vielmehr zeigt sich: Lokale Erklärungen und Bezüge sind den Menschen wichtig, weil sie Handlungsmacht verleihen.
Und wie sehen die Menschen in die Zukunft?
Wann ist die Zukunft? Diese Frage stellt sich besonders deutlich im Blick auf den Wald. Im Wirtschaftswald setzt man auf schnell wachsende Nadelbäume, um den Holzbedarf rasch zu decken. Der Nationalpark hingegen verfolgt das langfristige Ziel eines Buchenmischwaldes: In den Schutzwäldern werden aktuell Mutterbäume gepflanzt, die sich selbst vermehren sollen. Dort wird erst die übernächste Waldgeneration heutigen Zielen entsprechen – ein Zeithorizont von über zweihundert Jahren, weit außerhalb des direkten Einflusses heutiger Generationen. Trotzdem gibt dies vielen Menschen Hoffnung. Sie sind sich einig, dass ihr Wald künftig ganz anders, viel jünger und diverser aussehen wird.
Der Beitrag erschien zuerst im Hamburger Abendblatt, in der Reihe "Klimaforscherinnen und Klimaforscher berichten" des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg.

