Lehrpreis der Universität Hamburg„Gute Lehre zielt auf den Aufbau von Handlungskompetenz“
7. Mai 2025, von Newsroom-Redaktion
Foto: UHH/Esfandiari
Die Verleihung des Lehrpreises der Universität Hamburg fand im Rahmen der zusammen mit dem Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) organisierten Veranstaltung „Hauptsache Lehre“ im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek statt. Neben den fünf Preisträgerinnen und Preisträgern wurden auch Lehrende und studentische Tutorinnen und Tutoren, die ein hochschuldidaktisches Zertifikat am HUL erworben haben, geehrt.
Fünf engagierte Lehrende sind mit dem erstmals verliehenen, neuen Lehrpreis der Universität Hamburg geehrt worden. Sie erhielten die Auszeichnungen in den Kategorien „Inspirierende und wirksame Lehre“, „Mutige und grenzüberschreitende Lehre“ und „Entwicklung und Erneuerung von Lehre“.
Für welche Lehrveranstaltungen die Preisträgerinnen und Preisträger ausgezeichnet wurden, worauf sie bei der Gestaltung dieser geachtet haben und was für sie gute Lehre ausmacht, schildern sie in den unten aufgelisteten Interviews. Mehr Informationen zum Lehrpreis und dessen Verleihung finden sich in der Pressemitteilung.
Dr. Susanne Koch
Dr. Susanne Koch. Foto: UHH/Esfandiari
Worum ging es in der/den Lehrveranstaltung(en), für die Sie ausgezeichnet wurden?
Zum Wintersemester 2020 sind an der Universität Hamburg die beiden neuen Studiengänge „Lehramt an Grundschulen“ und „Lehramt für Sonderpädagogik mit der Profilbildung Grundschule“ mit den Pflichtfächern Mathematik und Deutsch eingeführt worden. Seither bin ich maßgeblich an der Konzeption und Durchführung des Teilstudiengangs Mathematik beteiligt. Teilweise habe ich selbst Vorlesungen gehalten, teilweise habe ich in Modulen, in denen ein:e Kolleg:in die Vorlesung gehalten hat, Übungsgruppen oder Lernwerkstätten betreut. In diesen letzteren Veranstaltungen arbeiten die Studierenden vornehmlich selbstständig, jedoch unter Betreuung, an Aufgaben zum Vorlesungsstoff.
Leitung von bzw. Mitwirkung in folgenden Modulen:
Einführung in das mathematische Denken und Arbeiten (Bachelormodul; Übungsleitung und Lernwerkstättenleitung)
Grundkonzepte der Arithmetik (Bachelormodul; Übungsleitung und Lernwerkstättenleitung)
Grundkonzepte der diskreten Mathematik und des stochastischen Denkens (Bachelormodul; Vorlesung, Übungsleitung und Lernwerkstättenleitung)
Digitale Medien zur Mathematik (Bachelormodul in Form eines Computerpraktikums; Veranstaltungsleitung)
Fachwissenschaftliche Hintergründe schulmathematischer Inhalte (Mastermodul, Vorlesung und Übungsleitung)
Seminar zu fachwissenschaftlichen Hintergründen schulmathematischer Inhalte (Mastermodul)
Darüber hinaus habe ich verschiedene, teilweise auch interdisziplinäre, Abschlussarbeiten (Bachelor- und Master) in den oben genannten Studiengängen betreut.
Was war Ihnen bei der Gestaltung dieser Lehrveranstaltung(en) besonders wichtig?
Die Studierenden der oben genannten Studiengänge wählen das Fach Mathematik nicht freiwillig. Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen steht dem Fach kritisch, mitunter sogar mehr oder weniger verängstigt gegenüber. Vor dem Hintergrund, dass diese Studierenden ihre Haltung zur Mathematik bei ihrer späteren Tätigkeit als Lehrkraft in den Unterricht einbringen und so die Einstellung ihrer Schüler:innen gegenüber dem Fach entscheidend prägen, verfolge ich in der Ausbildung das Ziel, (grund)schul- und hochschulmathematische Themen des fachlichen Curriculums zu vernetzen und eine Lernumgebung zu schaffen, die möglichst vielfältige, individuelle und vor allem positive Erfahrungen bei der Beschäftigung mit Mathematik erlaubt.
Die Einbindung ausgewählter Schulbuchaufgaben hat sich dabei als besonders gewinnbringend herausgestellt: Wenngleich diese Aufgaben in ihrer originären Fassung zumeist nur den Ausgangspunkt einer von mir deutlich erweiterten Aufgabenstellung darstellen, ist der Bezug zur späteren Tätigkeit für die meisten Lernenden offensichtlich. Ein eventuell vorhandener innerer Widerstand, sich mathematisch anzustrengen, wird so häufig merklich reduziert.
Zudem bieten derartige Aufgaben mitunter hervorragende Möglichkeiten im Hinblick auf Verallgemeinerung, Abstraktion oder Formalisierung. Im besten Fall wecken die tieferen Einsichten in grundlegende mathematische Strukturen Freude an dem Fach oder sogar Neugier auf mehr. So hoffe ich, dazu beizutragen, dass sich die Studierenden befähigt fühlen, einen modernen, abwechslungsreichen und begeisternden Mathematikunterricht zu gestalten.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Gute Lehre zeichnet sich für mich durch verschiedene Merkmale aus. Ein zentraler Aspekt ist sicherlich, dass die Lehrperson Enthusiasmus für das Fach ausstrahlt. Dies motiviert und inspiriert Studierende, sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen.
Ebenso halte ich eine adressatengerechte Ansprache für bedeutsam, um die Inhalte für alle zugänglich zu machen. Als wichtig erachte ich außerdem, verschiedene Zugänge zu den Inhalten anzubieten, um unterschiedlichen Lernstilen und Vorkenntnissen gerecht zu werden.
Förderlich für die Lernatmosphäre ist sicherlich auch, wenn die Lernmaterialien so gestaltet sind, dass Erfolgserlebnisse auf verschiedenen Niveaustufen möglich sind: Denjenigen, die sich mit der Verarbeitung des Lernstoffs (anfänglich) etwas schwertun, sollte Gelegenheit eingeräumt werden, Einsicht in die wichtigen Grundlagen zu gewinnen.
Gleichzeitig sollten Lernende, die kognitive Herausforderungen suchen, zur vertieften Auseinandersetzung mit dem Stoff angeregt werden. In diesem Kontext erachte ich es als sinnvoll, wenn kurze Exkurse zu spannenden Zusammenhängen eingeschlagen werden, die möglicherweise über den eigentlichen Lernstoff hinausgehen.
Schließlich finde ich wichtig, dass ein Lernangebot fair gestaltet ist: Lernende sollten die Möglichkeit haben, die Lernziele zu erreichen, wenn sie sich engagiert mit den Inhalten auseinandersetzen und die zur Verfügung stehenden Lern- und Unterstützungsangebote vollumfänglich nutzen.
Prof. Dr. Parisa Moll-Khosrawi
Prof. Dr. Parisa Moll-Khosrawi. Foto: UHH/Esfandiari
Worum ging es in der/den Lehrveranstaltung(en), für die Sie ausgezeichnet wurden?
Die Inhalte der Lehrveranstaltungen spiegeln das breite Spektrum der Notfallmedizin wider. Die Vermittlung erfolgt schrittweise im Sinne einer didaktischen Lernspirale und umfasst mehrere aufeinander aufbauende Veranstaltungen.
Was war Ihnen bei der Gestaltung dieser Lehrveranstaltung(en) besonders wichtig?
Bei der Gestaltung der Lehrveranstaltung(en) war es mir besonders wichtig, eine lernzielorientierte und kompetenzbasierte Didaktik umzusetzen, die den Prinzipien des konstruktivistischen Lernens folgt. Zentrale Bedeutung hatte dabei der Einsatz der Lernspirale: Inhalte wurden nicht isoliert, sondern in aufeinander aufbauenden Lernphasen vermittelt, wobei frühere Kenntnisse kontinuierlich vertieft und mit neuen Aspekten verknüpft wurden.
Ergänzend kamen verschiedene didaktische Methoden zum Einsatz, um unterschiedlichen Lernstilen gerecht zu werden – etwa problembasiertes Lernen (PBL), Fallarbeit mit realitätsnahen Szenarien sowie Simulationstraining zur Förderung klinischer Entscheidungs- und Handlungskompetenzen. Die Interaktivität zwischen Lehrenden und Lernenden wurde gezielt gefördert, um selbstgesteuertes Lernen, Reflexion und kritisches Denken zu stimulieren.
Insgesamt stand eine praxisnahe, zugleich aber theoriegeleitete Ausbildung im Mittelpunkt, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch zur Entwicklung professioneller Handlungskompetenz beiträgt.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Gute Lehre zeichnet sich für mich durch eine lernendenzentrierte, aktivierende und reflexionsfördernde Didaktik aus. Sie orientiert sich nicht nur an der reinen Wissensvermittlung, sondern zielt auf den Aufbau von Handlungskompetenz, kritischem Denken und selbstgesteuertem Lernen.
Zentrale Elemente sind die klare Definition von Lernzielen, ein didaktisch sinnvoller Methodenmix sowie die Passung zwischen Inhalt, Zielgruppe und Lehrformat. Essenziell ist dabei die Förderung intrinsischer Motivation durch Relevanzbezug, Anwendungsorientierung und aktive Einbindung der Studierenden – etwa durch problemorientiertes Lernen, Gruppenarbeiten, Fallanalysen oder Simulationen.
Gute Lehre schafft außerdem ein konstruktives Lernklima, bietet strukturierte Rückmeldung und nutzt formative wie summative Evaluationen zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung. Sie versteht sich als dialogischer Prozess und ist offen für didaktische Innovationen, um sowohl fachliches als auch überfachliches Lernen nachhaltig zu ermöglichen.
Anton Sefkow, Lukas Musumeci, Marten Borchers
Anton Sefkow, Marten Borchers und Lukas Musumeci (v. l.)
Worum ging es in der/den Lehrveranstaltung(en), für die Sie ausgezeichnet wurden?
In der Lehrveranstaltung „Innovation by Legal Design Thinking“ haben Studierende aus den Fakultäten Rechtswissenschaft und MIN echte Prozesse und Herausforderungen aus der Praxis analysiert, um diese zu optimieren. Dazu folgten sie dem Konzept Legal Design Thinking, mit dem Ziel, ko-kreativ eine Lösung in Form eines funktionierenden digitalen Prototyps zu entwickeln. Die Teilnehmenden arbeiteten eigenständig und wurden vom Lehrteam sowie weiteren Expert:innen unterstützt. Das Lehrprojekt bietet so authentische Einblicke in innovative Arbeitsweisen und die Automatisierung von Rechtsanwendungen, die sowohl für das Studium, als auch für die spätere Berufstätigkeit von Bedeutung sind.
Was war Ihnen bei der Gestaltung dieser Lehrveranstaltung(en) besonders wichtig?
Für uns war die trans- und interdisziplinäre Gestaltung als auch das agile Vorgehen entscheidend. So ermöglichten wir, dass sich die Teilnehmenden deutlich über ihre Kompetenzen und Erfahrungen hinaus austauschen und problemorientiert arbeiten konnten. Die agile Arbeitsweise auf Augenhöhe war dabei insbesondere wichtig, um Lösungen für Probleme mit unklaren Anforderungen zu entwickeln. Dieser Herausforderung sind wir auch dadurch begegnet, dass wir frühzeitig erste Lösungen skizziert und anschließend testgetrieben weiterentwickelt haben.
Was macht für Sie gute Lehre aus?
Anton Sefkow: Gute Lehre zeichnet sich meiner Meinung nach dadurch aus, dass man die Horizonte der Studierenden ernst nimmt und versucht, sich in deren Lage zu versetzen. Da kann man dann fragen: „Was würde ich attraktiv finden?“, „Was kann ich wirklich für die später Praxis gebrauchen?“ (jedenfalls dem Eindruck nach) und „Was nützt es mir für mein weiteres Fortkommen?“ (etwa formale Verwertbarkeit). Hat man auf alle drei Fragen eine Antwort parat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es gute Lehre ist.
Marten Borchers: Für mich sind die Praxisnähe und der Mut zur Lücke entscheidend. In Innovationsprojekten gibt es selten klaren Anforderungen und es ist mit Ungewissheiten zu leben, denen aktiv und auf Augenhöhe begegnet werden soll.
Lukas Musumeci: Guter Lehre wohnt ein Element der Ermächtigung und somit der Persönlichkeitsbildung im Sinne von Bildung durch Wissenschaft inne. Diese Ermächtigung ist in unserer Veranstaltung spätestens dann deutlich wahrnehmbar, wenn wir als Lehrende die Kontrolle über den Gestaltungsprozess komplett an die Studierenden übergeben und diese ganz selbstverständlich übernehmen. Ein Moment, der mich in allen Durchläufen bewegt hat.