Projekt „Black Box Science“ gibt Einblicke in den Wissenschaftsbetrieb„Umwege und Abzweigungen sind völlig normal“
10. August 2020, von Tim Schreiber
Foto: Rainer Kaufmann
Viele Menschen haben keine klare Vorstellung davon, wie Wissenschaft im Alltag funktioniert. Der Physiker Prof. Dr. Rainer Kaufmann möchte mit seinem Projekt „Black Box Science“ Einblicke geben – und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu ermuntern, sich über die alltäglichen Herausforderungen austauschen.
Herr Prof. Kaufmann, Sie sind seit einigen Jahren im Wissenschaftsbetrieb. Wie fühlte sich der Einstieg in die schwarze Box mit dem Namen „Wissenschaft“ an?
Wie undurchsichtig der Wissenschaftsbetrieb sein kann, erfahren viele wohl zum ersten Mal, wenn sie mit ihrer Doktorarbeit beginnen. Zum Beispiel, wenn man plötzlich merkt, dass die Wissenschaft nicht immer so geradlinig verläuft, wie es nach außen hin kommuniziert wird oder in Projektbeschreibungen ausgeführt ist. Später geht es dann weiter, wenn man eine eigene Forschungsgruppe einrichten darf. Man wird an vielen Stellen ins kalte Wasser geworfen und steht plötzlich vor vielen ganz neuen Fragestellungen. Zum Beispiel: Wie setze ich meine Forschungsgruppe zusammen? Suche ich mir Kolleginnen und Kollegen, die ganz ähnlich arbeiten wie ich, oder suche ich mir eher das Gegenteil? Was ist besser? Darum geht es in der ersten Folge von ‚Black Box Science‘.
Was ist das Ziel Ihres Projekts und an wen richtet es sich?
Ziel des Projekts ist es, Kommunikation unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu ermöglichen und ein bisschen mehr Licht in den Alltag in der Wissenschaft zu bringen. Es gibt schon sehr viele Videos, in denen Menschen in weißen Kitteln über ihre Forschung berichten. Bei meinem Projekt geht es aber um die vielen Fragen, die um die konkreten Forschungsthemen herum den Alltag bestimmen. Das können Anträge für Forschungsgelder sein, aber auch Arbeitsstrukturen im Team oder die Verknüpfung von Forschung und Lehre. Gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind solche Themen wichtig und interessant.
Was sieht man denn, wenn man in die Blackbox Wissenschaft hineinschaut?
Zum Beispiel wird ja oft der Eindruck vermittelt, Wissenschaft läuft immer sehr strukturiert und nach Plan. Es gibt ein Problem oder eine Fragestellung, dann wird das untersucht und man findet eine Lösung. In Wirklichkeit ist es doch häufig so, dass man zwar einen Plan hat. Aber dann ergibt sich doch ein anderes, unvorhergesehenes Problem, das zuerst gelöst werden muss – und vielleicht ist das wissenschaftlich sogar viel interessanter. Es ist natürlich wichtig, zunächst eine Struktur zu haben, an der man sich orientieren kann. Vieles kommt dann aber unterwegs anders – und das ist auch gar nichts Schlechtes, sondern eben typisch für die Wissenschaft, da man sich oft auf ganz neue Pfade begibt.
Um welche Themen wird es in Ihren Videos noch gehen?
Ein großes Thema ist der Veröffentlichungsdruck, unter dem viele leiden. In der Wissenschaft muss sich jeder und jede immer in Zahlen messen lassen. Das ist aber schwierig – gerade in Phasen, in denen es nicht geradlinig läuft und nicht jeder Meilenstein planmäßig erreicht wird. Auch darauf wollen wir ein ehrliches Licht werfen. Ich freue mich darauf, Lösungsansätze zu diskutieren oder Vorschläge für einen guten Umgang damit zu hören. Ähnlich wie mit den Veröffentlichungen ist es übrigens grundsätzlich bei Karrieren. Die sehen ja auch immer sehr gradlinig aus. Es klingt ganz häufig so, als ob jemand schon in jungen Jahren ganz genau wusste, was er oder sie machen möchte. Auch das ist tatsächlich nicht immer so, Umwege und Abzweigungen sind völlig normal.
Wo soll die Diskussion über die Themen stattfinden?
Wir haben als Hauptkanal Twitter gewählt. Wir haben aber auch unsere Website mit dem Blog. Dort haben wir viel zusätzliches Textmaterial bereitgestellt und eine Kommentarfunktion. Wir freuen uns, wenn wir eine aktive Diskussion haben. Dadurch können wir unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Es geht dabei aber nicht darum, am Ende eine Art Guide zu erstellen, sondern um den Austausch und darum, einfach mal Fragen zum wissenschaftlichen Alltag zu stellen. Auf manche davon gibt es auch keine schnelle Antwort, die müssen dann eben einfach offengelassen werden.
"Black Box Science" - Einführungsvideo
Über das Projekt
Auf Außenstehende kann der Wissenschaftsbetrieb wie eine schwarze Box wirken: Was genau im Inneren passiert, lässt sich oft nur erahnen. Das gilt auch für Nachwuchsforschende, die gerade ihre Karrieren starten. Mit seinem Projekt „Black Box Science“ möchte Prof. Dr. Rainer Kaufmann einen Einblick hinter die Kulissen der Wissenschaft ermöglichen und Erfahrungen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern austauschen. Dafür hat er sich vorgenommen, pro Jahr vier aufwendig gestaltete Videos zu veröffentlichen und damit eine Diskussion anzuregen. Das Projekt wird von der VolkswagenStiftung gefördert und ist zunächst bis Ende 2022 geplant. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Projekts.