Bildband zu den Kunstwerken der Universität Hamburg erschienenVon Feininger bis Kokoschka: Der Campus als Kunstmuseum
16. April 2019, von Hendrik Tieke
Gemälde, Skulpturen, Reliefs und Sticker-Collagen – auf dem Campus der Universität Hamburg gibt es fast so viele Kunstwerke wie in einem Museum. Nun ist ein Bildband erschienen, der sie vorstellt und dabei einen neuen Blick auf die bewegte Geschichte der Hochschule bietet.
Oskar Kokoschka im Hörsaal, Candida Höfer in der Bibliothek und Hans-Joachim Frielinghaus an der Liegewiese – wer die Gebäude, Plätze und Grünflächen der Universität Hamburg betritt, ist von Kunst umgeben. Die Werke inspirieren aber nicht nur: Sie bieten auch eine besondere Perspektive auf die Geschichte der Hochschule.
Kunstwerke erzählen eine andere Geschichte als Zeitzeugen
„Mit dem Band Kunstschätze und Wissensdinge wollen wir eine ganz eigene Geschichte der 100 Jahre alten Universität erzählen“, sagt Prof. Dr. Iris Wendeholm. „Denn in den Kunstobjekten der Hochschule kristallisiert sich die bewegte Geschichte der Universität, zeigen sich ihre Vordenker und geistigen Initiatoren, spiegelt sich Fachgeschichte.“ Wenderholm ist Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Hamburg und gibt den Bildband gemeinsam mit Dr. Christina Posselt-Kuhli heraus. Zusammen mit Lehrenden verschiedener Fachrichtungen und Studierenden der Kunstgeschichte beschreiben sie darin die Entstehung und Bedeutung von einhundert Arbeiten.
„Aus den Kunstwerken können wir etwas über die Universität lernen, was wir von Zeitzeugen und schriftlichen Quellen nicht erfahren“, erklärt Posselt-Kuhli. „Denn hinter jeder künstlerischen Auftragsarbeit und jeder Annahme von Kunst-Geschenken steckt eine Haltung, mit der die Hochschule den Themen und Gepflogenheiten der Zeit begegnet. Genau diese Haltung spricht aus den Kunstwerken des Campus zu uns.“
Die Universität – ein Spiegel der Zeit
Die Universität hat die Arbeiten erworben, geschenkt bekommen oder in Auftrag gegeben oder sie befinden sich im Umfeld der Hochschule. Das Spektrum reicht dabei von Gipsabgüssen über Acryl-Bilder bis zu Holzschnitten und haushohen Wandgemälden. Im Bildband zeigen die Autorinnen und Autoren anhand dieser Kunstwerke, wie sehr sich jene Haltung der Universität in den letzten 100 Jahren gewandelt hat.
In den 1920er Jahren etwa spielten professoraler Pomp und Repräsentation noch eine große Rolle. Das kann man am Beispiel der Halskette der Universitätsrektoren sehen, einem schweren, filigranen Geschmeide. Wappenschilden gleich sind die Symbole aller Fakultäten in ihm eingefasst. Die Universitätsleiter trugen die Kette bis in die 1960er Jahre hinein bei offiziellen Anlässen, zusammen mit Talar, Ordinarienhut und spanischem Fächerkragen. Heute wird sie im Historischen Rektorenzimmer im Hauptgebäude ausgestellt.
Nüchterne Reliefs und zielsuchende Bomben
Von einer Entwicklung hin zu geschmacklicher Nüchternheit zeugt dagegen ein Wand-Relief aus den späten 1950er Jahren. Es zieht sich wie ein roter, abgerundeter Miniatur-Canyon durch das Obergeschoss des Audimax; geschaffen hat es der Hamburger Bildhauer Karl Hartung. Die Universität gab es zu einer Zeit in Auftrag, als sich die Kunst mit abstrakten Formen und Bildern radikal von den völkischen Blut-und-Boden-Darstellungen des Nationalsozialismus abwendete – und als die Gesellschaft diese Episode der deutschen Geschichte zu verdrängen suchte.
Einen künstlerischen Aufruf, sich aktiv und kritisch mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, findet man im Gebäude der Sozialwissenschaften am Allende-Platz. Dort gestaltete der Maler Constantin Hahm in den 1980er Jahren ein Treppenhaus, einige Flure und einen Seminarraum. Mit seinen grellbunten Bildern zeigt er die Auswirkungen von Kriegen – anhand von brennenden Häusern, zielsuchenden Bomben und zusammengepferchten Menschen in Bunkern. Der Auftrag an diesen Künstler war ein Statement: In den 1980er Jahren gingen die Menschen überall in Deutschland auf die Straße, um für Frieden zu demonstrieren, auch auf dem Hamburger Campus. Mit Kunstwerken wie diesen greift die Hochschule die Bedürfnisse der Gesellschaft auf – so, wie sie es mit ihrer Forschung und Lehre auch tut.
Der Bildband
„Kunstschätze und Wissensdinge. Eine Geschichte der Universität Hamburg in 100 Objekten“ ist im Michael Imhof Verlag erschienen. Der Bildband ist unter anderem im Unikontor für 29,95 € erhältlich.
Kunstwerke an der Universität Hamburg (Auswahl)
- Lyonel Feiningers Holzschnitte „Segelschiffe“ (1918) und „Buddelstätt“ (1920), Thünen-Institut für Holzforschung
- Candida Höfers Fotografie des Lesesaals im Warburg-Hauses (2000), Fachbereichsbibliothek Kulturwissenschaften
- Die Hamburger Gelehrten-Gemälde (17. bis 19. Jahrhundert), Staats- und Universitätsbibliothek
- Cecilia Herrero-Laffins Wandgemälde „Jüdisches Leben am Grindel“ (1995), Campus Von-Melle-Park
- Michael Grey Wolf Guruevs Acrylbild zur Evolutionsgeschichte „Only a Little Drop of Eternity“ (1982-83), Centrum für Naturkunde, Zoologisches Museum
- Die Holzskulptur „Calao“, die einen massigen Vogel zeigt, ehem. Foyer des Asien-Afrika-Institutes
- Hans-Joachim Frielinghaus (1978) „Stele“, an der südwestlichen Liegewiese auf dem Campus Von-Melle-Park