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  5. Die große Liebe aus dem Hörsaal

Die große Liebe aus dem HörsaalVor 69 Jahren wurden Franz und Ursula Meyer an der Universität Hamburg ein Paar

23. Oktober 2018, von Hendrik Tieke

Die Meyers auf Exkursion im Schlick der Haseldorfer Marsch (1952)

Foto: Meyer

Die Meyers auf Exkursion im Schlick der Haseldorfer Marsch (1952)

Wie viele Pflanzen leben in Spieekeroogs Dünen? Ursula und Franz Meyer nehmen Maß (1951)

Foto: Meyer

Wie viele Pflanzen leben in Spieekeroogs Dünen? Ursula und Franz Meyer nehmen Maß (1951)

Noch immer ein Paar – Franz und Ursula Meyer (2018)

Foto: UHH/Tieke

Noch immer ein Paar – Franz und Ursula Meyer (2018)

Die Hamburger Biologiestudierenden in den bayerischen Alpen – wenig später entkommen sie nur knapp einem Steinschlag (1950)

Foto: Meyer

Die Hamburger Biologiestudierenden in den bayerischen Alpen – wenig später entkommen sie nur knapp einem Steinschlag (1950)

Ursula Meyer bei einer Exkursionspause (1952)

Foto: Meyer

Ursula Meyer bei einer Exkursionspause (1952)

Franz Meyer sammelt auf Sylt Algen (1952)

Foto: Meyer

Franz Meyer sammelt auf Sylt Algen (1952)

Selbst bei privaten Ausflügen war das Mikroskop dabei (1952)

Foto: Meyer

Auch beim Ausflug mit Freunden ist das Mikroskop dabei.

Immer wieder hat die Universität Hamburg die große Liebe mit sich gebracht: Jedes Semester finden hier Studierende den Partner fürs Leben. „Wir haben uns dort kurz nach dem Krieg kennengelernt – als Studierende sich noch siezten“, erzählen Franz und Ursula Meyer. Sie sagen: „Die Zeit an der Universität Hamburg hat uns geprägt und war eine der schönsten unseres Lebens.“

Für Franz Meyer änderte der Krieg alles. 1945 endete sein wohlbehütetes Leben als Teenager in Stettin und er musste an die Ostfront. Beim Kampf um Berlin verletzte ihn eine Granate schwer; danach lag er wochenlang im Lazarett – mit gerade einmal 16 Jahren. Wie fängt man nach solchen Erlebnissen ein normales Leben an? Nach Stettin konnte Franz Meyer nicht zurück, das gehörte jetzt zu Polen. Deshalb entschied er sich, Abitur bei seinen Großeltern in Buxtehude zu machen. Schließlich wollte er unbedingt studieren, am liebsten Biologie. Hier konnte er sich den Pflanzen widmen – friedliche, komplexe Wunder der Natur, die ihn schon immer fasziniert hatten. Eine geordnete Welt, ganz anders als der Krieg. Die Universität im nahen Hamburg bot solch ein Studium an, und wer ein Praktikum am Botanischen Institut vorweisen konnte, wurde damals bei der Einschreibung bevorzugt. So wurde Franz Meyer erst Praktikant und dann Student. Eine unbeschwerte Zeit brach an.

Aus der Geisterstadt Münster nach Hamburg

In der letzten Woche des Praktikums, im Sommer 1949, begegnete Franz Meyer seiner heutigen Frau Ursula zum ersten Mal – bei einem Praktikantentreffen, auf das ihr Vater sie mitgenommen hatte. Der hatte mit seiner Tochter das westfälische Münster in den letzten Kriegsmonaten verlassen und war seit 1945 Biologieprofessor in Hamburg. „Münster war eine gespenstische Ruinenstadt, völlig zerstört“, erinnert sich Ursula Meyer. „Hamburg war zwar auch schwer bombardiert worden, doch waren hier wenigstens einige Gebiete verschont geblieben. Dazu gehörte auch der damalige botanische Garten im heutigen Planten und Blomen. Dort lag das Botanische Institut mit seiner Professorenwohnung, in der wir wohnten.“ Nur eine Woche nach dem ersten Treffen von Franz und Ursula begann das Semester, und zufällig saßen die beiden gleich am ersten Tag im Hörsaal nebeneinander. Und das sollte mehrere Semester so bleiben. Denn auch Ursula hatte sich als Studentin eingeschrieben.

„Die Universität Hamburg war berühmt dafür, einen der fortschrittlichsten Biologiestudiengänge in Deutschland anzubieten“, sagt Franz Meyer. „Jeder Biologiestudierende lernte hier neben der Tier- und Pflanzenkunde auch die Grundlagen der Chemie und der Physik. Das war damals noch kein Standard, hat uns aber ein tiefes Verständnis für die Natur gegeben. Schließlich sondern Pflanzen ja auch Substanzen ab, die man nur mit chemischen Kenntnissen analysieren kann, und Tiere unterliegen genauso den physikalischen Gesetzen der Mechanik wie Maschinen oder Menschen.“

Steinschlag in den Alpen und ein Spaziergang in Blankenese

Unter der Woche schrieben Franz und Ursula Meyer bei Vorlesungen mit oder lernten bei Praxiskursen, wie man Tiere seziert, Pflanzen unter dem Mikroskop betrachtet oder Pilzbefall bei Nahrungsmittel-Lieferungen im Hamburger Hafen feststellt. Jeden Samstag fuhren sie dann mit ihren Mitstudierenden ins Umland. Dabei untersuchten sie etwa, wie viele Kleinstlebewesen in einem Kubikmeter Erde leben, bestimmten die heimische Tier- und Pflanzenwelt oder erstellten präzise Karten von der Hamburger Natur. In den Semesterferien unternahmen sie dann größere Exkursionen. „1950 sind wir zum Beispiel ins Hochgebirge der österreichischen Alpen gefahren“, erzählt Ursula Meyer. „Wir sind auf Felsen geklettert, um seltene Blumen zu sammeln, haben in entlegenen Berghütten auf dem Boden übernachtet und entgingen einmal nur knapp einem gewaltigen Steinschlag.“

Bei solchen Exkursionen lernt man sich kennen, kommt sich näher. „Am Anfang haben wir uns wie alle Studierenden noch gesiezt“, sagt Ursula Meyer. „Aber nach so viel gemeinsam verbachter Zeit sind wir dann zum Du übergegangen." Franz Meyer ergänzt: „Ich hatte schon eine Weile ein Auge auf Ursula geworfen, mich aber nie so richtig getraut, sie nach einem Treffen zu fragen. Dann meinten unsere Mitstudierenden, ich solle doch mal bei der Professorenwohnung klingeln und sie zu einem Spaziergang in Blankenese einladen. Das habe ich dann getan. Und wenig später waren wir dann ein Paar.“

Vom Hamburger Studenten zum bekannten Professor

Die Meyers schlossen ihr Biologie-Studium mit Bestnoten ab und blieben beide noch zum Promovieren an der Universität Hamburg. Als Franz 1956 seinen Doktortitel verliehen bekam, hielt er dann – ganz klassisch – bei Ursulas Vater um ihre Hand an. Als auch sie zwei Jahre später Doktorin wurde, heirateten die beiden und bekamen drei Kinder, um die sich Ursula hauptsächlich kümmerte, so wie es damals noch üblich war. Franz Meyer habilitierte sich an der Universität Hamburg, arbeitete dort als Dozent und an der angegliederten Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft. 1970 wurde er dann Professor in Hannover und über die Jahre zu einem der wichtigsten Experten für Baum- und Staudenforschung in Deutschland.

 „Ohne die Universität Hamburg wäre ich nie Professor geworden“, sagt Franz Meyer. „Ich habe eine Ausbildung erhalten, die für damalige Verhältnisse wegweisend war. Und ich habe hier gelernt, die genaue Mitte zwischen penibler Detailforschung und dem Blick für das Machbare im Auge zu behalten. Vieles von dem, was ich aus Hamburg mitgenommen habe, habe ich als Professor an sicherlich einige tausend Studierende weitergegeben.“ Und, für Franz Meyer mindestens genauso wichtig: „An der Universität Hamburg habe ich die Frau fürs Leben getroffen.“

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Verändert am 5. Juni 2020

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