UHH Newsletter

Oktober 2015, Nr. 78

INTERVIEW



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Henning Jacobsen
Masterstudent Molecular Life Sciences

e. henningjacobsen"AT"gmx.net

Prof. Dr. Zoya Ignatova
Institut für Biochemie und Molekularbiologie

t. 040.42838-2332
e. zoya.ignatova"AT"chemie.uni-hamburg.de

Die Flu Fighters der Universität Hamburg mit Henning Jacobsen (hockend, rechts) und Betreuerin Prof. Dr. Zoya Ignatova vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie (stehend, ganz rechts) waren das erste norddeutsche Team im Finale des iGEM-Wettbewerbs. Foto: UHH/iGEM-Team Flu Fighters

Die Flu Fighters der Universität Hamburg mit Henning Jacobsen (hockend, rechts) und Betreuerin Prof. Dr. Zoya Ignatova vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie (stehend, ganz rechts) waren das erste norddeutsche Team im Finale des iGEM-Wettbewerbs. Foto: UHH/iGEM-Team Flu Fighters

„Erfahrungen von unschätzbarem Wert“ – Henning Jacobsen holt mit den „Flu Fighters“ eine Bronzemedaille bei internationalem Wettbewerb für synthetische Biologie

Well done! Mit einer Bronzemedaille im Gepäck kam das Team „Flu Fighters“ der Universität Hamburg vom Finale des International Genetically Engineered Machine (iGEM)-Wettbewerbs für synthetische Biologie aus den USA zurück. Henning Jacobsen studiert im dritten Mastersemester Molecular Life Sciences an der Universität Hamburg und ist einer der Flu Fighters. Im Interview berichtet er von stressigen Vorbereitungen, begeisterten Studierenden und spannenden Ideen für das nächste Jahr.

Herr Jacobsen, Sie entwickeln zusammen mit neun anderen Studierenden der Universität Hamburg einen Wirkstoff gegen Influenza-Viren, der aus Coli-Bakterien gewonnen wird, wie sie zum Beispiel im menschlichen Darm vorkommen. Damit haben Sie es bis ins Finale von iGEM geschafft, einem internationalen Forschungswettbewerb für Studierende auf dem Gebiet der synthetischen Biologie am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Der Wirkstoff wurde bereits Ende vergangenen Jahres entdeckt. Auf diese sehr spannende Arbeit sind wir gestoßen, gerade als wir anfingen, uns Gedanken um ein Projekt zu machen. Dazu kommt, dass das Institut für Biochemie und Molekularbiologie sehr stark auf dem Gebiet der RNA-Biochemie ist und wir daher von Haus aus ein Interesse an dieser Arbeit hatten. Und letztlich ist das Thema Influenza für uns allgegenwärtig – jeder von uns musste sich schon mal mit einer Grippe rumschlagen.

Wie viel Zeit und Arbeit steckt in so einem Projekt? Wie lässt sich das neben dem Studium schaffen?

Wir haben die Entscheidung, an dem Wettbewerb teilzunehmen, recht spät getroffen und lange Zeit stand es auf Messers Schneide, ob wir das Ganze überhaupt finanzieren können. Zu Beginn mussten wir vor allem konzeptionelle Arbeit leisten, Mittel akquirieren und Arbeitsplätze finden. Dazu mussten wir uns Gedanken zu Fragen der Sicherheit und natürlich den Wettbewerbskriterien machen. Das alles war Arbeit, die wir uns allerdings frei einteilen konnten. Schwierig wurde es, als wir im Juni begannen, im Labor zu arbeiten. Viele von uns haben parallel ihre Bachelorarbeit geschrieben und der Rest befand sich mitten im Semester. Neben den Praktika, Vorlesungen und Klausuren war es natürlich schwierig, das Labor ganztags mit zwei, drei Studierenden zu besetzen. Aber es hat ganz gut geklappt und ich würde sagen, dass es auch neben dem Studium machbar ist, wenn man bereit ist, auch mal später Feierabend zu machen und am Wochenende zu arbeiten. Am Ende ist alles eine Frage der Motivation!

Wie lief das Finale am MIT in Boston ab?

Nachdem wir in Boston ankamen, mussten wir zu allererst unsere Präsentation und unser Poster fertigstellen, denn dazu war vorher gar keine Zeit. Am zweiten Tag haben wir direkt unsere Arbeit in 25 Minuten präsentiert. Das Interesse an unserer Arbeit war so groß, dass die Präsentation noch in einen zusätzlichen Saal übertragen werden musste! Das Programm war an allen Tagen ähnlich. Tagsüber präsentierten die 280 Teams aus aller Welt ihre Arbeiten und am Abend dann ihre Poster. Wir hatten also die Möglichkeit, uns viele spannende Projekte anzuhören und erklären zu lassen. Es ist ein unvergleichbares Gefühl, die Möglichkeit zu haben, mit über 3000 begeisterten Studierenden in Kontakt zu kommen. Am vierten Veranstaltungstag fand dann die Bekanntgabe der Finalisten in den Kategorien „High School“, „Undergraduate“ und „Overgraduate“ statt. Die Finalisten durften ihre Arbeit erneut präsentieren. Im Anschluss wurden die Gewinner bekanntgegeben und diverse Preise für verschiedene Disziplinen verliehen. So gab es unter anderem Preise für die beste Arbeit zur biologischen Sicherheit, Ethik oder Anwendung. Schlussendlich wurde die Vergabe der Medaillen bekanntgegeben.

Wer entscheidet über die Platzierungen in den verschiedenen Kategorien und anhand welcher Kriterien?

Die Bewertung wurde von über 100 Juroren aus völlig unterschiedlichen Disziplinen vorgenommen. Jedes Team hatte fünf Juroren. Welche Kriterien im Vordergrund stehen, ist schwierig zu sagen. Sicher ist es die Professionalität des Vortrages sowie des Posters, aber im Mittelpunkt stehen natürlich auch die wissenschaftliche Arbeit, die Innovativität und die Anwendbarkeit. Bei iGEM wird zudem viel Wert auf Kommunikation, Sicherheit und Ethik gelegt. So werden die Studierenden motiviert, ihre Projekte kritisch zu betrachten und überzeugend zu kommunizieren. Gerade in der synthetischen Biologie, zu der es in der Bevölkerung viel Skepsis gibt, ist es sehr wichtig, sich Gedanken zur sicheren Anwendung zu machen. Die meisten Fragen wurden tatsächlich zu diesen Aspekten gestellt. Wir haben zum Beispiel eine Software in Kooperation adaptiert, anhand derer Studierendenteams weltweit eine Risikoabschätzung für ihre Arbeit im Labor machen können. Das kam sehr gut an und gab uns eine zusätzliche Chance, zu punkten!

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Platzierung, oder wäre vielleicht noch mehr drin gewesen?

Wir haben uns entsprechend der zu erfüllenden Kriterien für eine Bronzemedaille beworben und diese auch erhalten. Wir freuen uns sehr über diesen Erfolg. Da es unser erstes Jahr ist, hatten wir viele Höhen und Tiefen und standen oft vor Problemen, die erst unlösbar erschienen. Wir haben aber nicht aufgegeben und ein spannendes, rundes Projekt zum Abschluss gebracht, worauf wir wirklich stolz sind! Wir haben im Vergleich zu anderen Teams ausgesprochen selbstständig gearbeitet und daher auch einige Fehler gemacht. Das hat uns sicher einige Wochen gekostet, sodass einige Experimente, die für Silber notwendig gewesen wären, zeitlich nicht mehr drin waren. Aber uns allen war es wichtiger, unsere Probleme selbstständig zu lösen. Diese Erfahrungen sind für uns von unschätzbarem Wert und wurden natürlich auch von großartigen Erfolgsgefühlen begleitet, wenn es dann doch geklappt hat. Darüber hinaus ist es ein tolles Gefühl, Anschluss an die besten Universitäten der Welt gefunden zu haben. Hamburg ist jetzt auf dem Feld der synthetischen Biologie ein Begriff. 

Sicher blieb Ihnen neben dem iGEM-Finale noch ein wenig Zeit, die Region und das MIT zu erkunden. Wie waren Ihre Eindrücke von der weltbekannten Elite-Uni?

Tatsächlich hatten wir nur sehr wenig Zeit, um uns Boston anzusehen, die meiste Zeit haben wir im Konferenzzentrum verbracht. Dennoch war der Campus des MIT absolut beeindruckend und man nimmt den Flair der Umgebung und der Uni schnell in sich auf.

Ihr Team trägt den passenden Namen „Flu Fighters“. Sagt das auch etwas über Musikgeschmack von Ihnen und dem Team aus?

Das war tatsächlich auch schon in Boston die meist gestellte Frage. In meinem Fall ein klares Ja! Und auch für die anderen war es sicher nicht nur ein cooler Einfall für einen Namen, der übrigens nicht von mir kommt.

Wie geht es nun weiter mit Ihrer Idee und den „Flu Fighters“?

Einige von uns werden weiter an dem Projekt forschen. Uns interessiert zum Beispiel die genaue Struktur des Wirkstoffes. Außerdem möchten wir die Idee einer studentischen Forschungsgruppe weiterverfolgen. Wir werden im Wintersemester ein Seminar zur Projektplanung, Finanzierung und Wissenschaftskommunikation geben, um interessierte Studierende für eine Teilnahme an iGEM 2016 vorzubereiten. Wir freuen uns sehr, dass unsere Professorin Zoya Ignatova uns bei diesem Vorhaben so großartig unterstützt und uns so freie Hand lässt. Im Sommersemester werden wir dann, hoffentlich mit der Unterstützung der Universität Hamburg, mit einem neuen Projekt antreten und zeigen, dass die Hamburger Studierenden ganz oben mitspielen können!

Die Fragen stellte Lucas Riemer.
 
 
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