Erster Einsatz des Hamburger ContainerlaborsWer schrieb die südindischen Palmblattmanuskripte?
18. Mai 2022, von Jakob Hinze

Foto: UHH/Ciotti
Im indischen Pondicherry lagern tausende Palmblattmanuskripte, die zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehören. Die Herkunft vieler Exemplare ist unbekannt. Dr. Giovanni Ciotti vom Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ der Universität Hamburg will ihre Geschichten ergründen.
Dr. Ciotti, Ende des Jahres geht das neue Containerlabor der Universität Hamburg auf ihre erste Reise nach Indien. Finanziell, logistisch und wissenschaftlich ist das ein gewaltiger Aufwand. Was für Schätze liegen in Pondicherry, die diesen Aufwand rechtfertigen?
Dort lagern rund 12.000 Palmblattmanuskripte, von religiösen Abhandlungen über Gedichte bis zu Tanzanleitungen. Die meisten davon stammen aus dem 19. Jahrhundert, eine wenige reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Geschrieben sind sie in zwei altindischen Sprachen: Tamil und Sanskrit.
Für unser Verständnis der tamilischen Kultur, Religion und Wissenschaften sind diese Manuskripte von herausragender Bedeutung. Das Problem ist jedoch: Wir wissen sehr wenig über ihre Herkunft. Es gibt kaum Aufzeichnungen darüber, woher sie kommen und wer sie geschrieben hat. Dies zu wissen ist aber entscheidend, wenn wir nachvollziehen wollen, wie sich zum Beispiel bestimmte religiöse Kulte ausgebreitet haben.

Wie kann man hunderte Jahre nach der Entstehung herausfinden, woher ein bestimmtes Manuskript kommt?
Schrift und Sprache verraten uns, dass die Manuskripte aus dem Südosten des Landes kommen, aus dem heutigen Bundesstaat Tamil Nadu. Um den Herkunftsort weiter einzugrenzen, gibt es verschiedene Ansätze. Zum einen können wir uns die sogenannten paläografischen Eigenschaften des Manuskripts anschauen, also zum Beispiel die Buchstabenformen. Im Container-Labor können wir aber auch die physischen Eigenschaften untersuchen. Wenn sich dabei bestimmte Muster zeigen – zum Beispiel beim Ruß, der zum Schreiben verwendet wurde, oder wenn die Palmblätter dieselbe DNA-Struktur haben – dann können wir ziemlich sicher sein, dass sie vom selben Ort stammen.
Fangen Sie bei null an, oder gibt es bereits Forschungsarbeiten, auf die Sie aufbauen können?
Was die materielle Analyse der Manuskripte in Pondicherry angeht, fangen wir tatsächlich bei null an. Deswegen müssen wir, bevor wir dorthin reisen, erst eine Reihe von Verfahren testen. Welche Geräte wir mitnehmen, hängt davon ab, welche Methoden sich hier als erfolgsversprechend erweisen. Eine große Herausforderung besteht darin, dass nur nicht-invasive Methoden in Frage kommen. Diese Manuskriptsammlungen gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Da können Sie, salopp gesagt, nicht einfach ein Stückchen abschneiden und unters Mikroskop legen. Gerade testen wir ein Verfahren, bei dem wir eine Art Abstrich von den Palmblättern machen und dabei gerade genug Material aufnehmen, um eine DNA-Analyse durchführen zu können. Bisher funktioniert das noch nicht zuverlässig. Ich hoffe aber, wir kriegen das noch rechtzeitig hin.