Ausbildung syrischer Flüchtlinge in Jordanien„Ich möchte Menschen für ihre kulturelle Identität begeistern!“
14. September 2021, von Christina Krätzig
Der Archäologe Dr. Frank Andraschko bildet in Jordanien Menschen aus, die aus Syrien geflüchtet sind. Gemeinsam mit Einheimischen lernen sie, eine antike Ausgrabungsstätte zu pflegen und zu sichern. Das Projekt entstand vor einigen Jahren an der Universität Hamburg und wird nun von der UNESCO und der EU weitergeführt.
Herr Andraschko, worum geht es in dem Projekt?
Es geht darum, syrische Flüchtlinge zusammen mit Jordanierinnen und Jordaniern auszubilden. Damit wollen wir verschiedene Dinge erreichen. Am wichtigsten ist es, den Menschen eine Perspektive zu geben. In der von Unruhen und hoher Arbeitslosigkeit geprägten Region sind vier Monate Vollzeitarbeit für viele etwas Besonderes – und das Gelernte ist ein Vorteil bei der künftigen Arbeitssuche.
Darüber hinaus soll das Programm dazu beitragen, die Geflüchteten in die jordanische Gesellschaft zu integrieren. Mit seinen nur 10 Millionen Menschen hat Jordanien weit über 700.000 Syrerinnen und Syrer aufgenommen – das verläuft nicht ohne Spannungen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, ebenso viele Einheimische wie Geflüchtete in das Programm aufzunehmen. Bei der gemeinsamen Arbeit lernen sie sich kennen und hoffentlich auch schätzen.
Kommt diese Arbeit auch der Ausgrabungsstätte zu Gute?
Unbedingt! Das Programm trägt dazu bei, die Grabung in der antiken Stadt Gadara und dem unweit gelegenen Siedlungshügel Tall Z zu sichern. Das Gebiet ist wahrscheinlich seit 50.000 Jahren besiedelt. Griechen und Römer hinterließen dort Tempel, Theater, Steinbrüche, Wasserleitungen, Wachtürme und natürlich auch Wohnhäuser. Seit Beginn des Programms im August wurde beispielsweise eine Sicherungsmauer gebaut, die einen erst kürzlich ausgegrabenen Siedlungshügel sichert. Das war bitter nötig, damit er nicht ins Rutschen kommt.
Ich persönlich glaube aber, dass die Arbeit auch einen weniger materiellen, langfristigeren Effekt haben wird. Sie vermittelt den Mitarbeitenden Wertschätzung für ihr kulturelles Erbe und Wissen über die archäologischen Schätze in ihrer Heimatregion. Ich hoffe, dass sie alle Ausgrabungen künftig anders sehen und sich privat oder vielleicht sogar beruflich für den Erhalt der antiken Monumente einsetzen werden.
Was ist Ihre Aufgabe in dem Projekt und warum engagieren Sie sich dafür?
Ich habe das Programm vor einigen Jahren mit ins Leben gerufen. Als die Finanzierung durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit über die Universität Hamburg im vergangenen Jahr endete, habe ich gemeinsam mit Kolleginnen nach neuen Fördermöglichkeiten gesucht.
Jetzt bin ich zwei Wochen vor Ort, um zu sehen, ob alles läuft, und ein Konzept für die Übertragung des Konzepts auf andere Ausgrabungsstätten entwickeln. Als jüngerer Archäologe habe ich mehr selbst gegraben, auch hier in Gadara. Heute interessiere ich mich stärker für die Verbindung von Geschichte und Gegenwart. Ich möchte Menschen für ihre kulturelle Identität begeistern. Es ist ja häufig so, dass sich die Einheimischen am wenigsten für das interessieren, was Archäologinnen und Archäologen vor ihrer Haustür finden, in Deutschland ebenso wie im Nahen Osten. Das möchte ich sehr gern ändern.
Dr. Frank Andraschko ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Vor- und Frühgeschichtliche an der Universität Hamburg. Das Programm in Jordanien leitet er gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Katharina Schmidt vom Deutschen Evangelischen Institut für die Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Amman. Es wird von der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) geführt und von der Europäischen Union finanziert.