Vom Nutzen des täglichen Spaziergangs für Körper und Psyche„Solange man geht, geht es“
8. März 2021, von Christina Krätzig
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Während der Corona-Pandemie suchen viele Menschen einen Ausgleich in der Natur. Wie wirken sich Spaziergänge auf die Gesundheit aus? „Von Kopf bis Fuß positiv!“, sagt Bewegungswissenschaftler Dr. Gunnar Liedtke. Bereits kleine Anstrengungen erzielen deutliche Effekte. Und: Wem das bewusst ist, profitiert mehr.
Evolutionär gesehen ist der Mensch ein Tier und damit auf Bewegung ausgelegt. Dabei ist Gehen die natürlichste Bewegungsform überhaupt. Es trainiert die großen Bein- und Gesäßmuskeln wie auch die Rückenmuskulatur – und dazu das gesamte Herz-Kreislaufsystem. „Die Vielseitigkeit dieser Beanspruchung ist größer als beispielsweise beim Radfahren. Gleichzeitig ist es eine schonende Fortbewegungsart: Die leichten Stöße, die das Skelett dabei abbekommt, sorgen für eine gute Ernährung von Knorpelgewebe wie beispielsweise der Bandscheiben“, erklärt Dr. Gunnar Liedtke, Leiter des Arbeitsbereichs für Theorie und Praxis der Bewegungsfelder am Institut für Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg.
Spazierengehen entspannt und hält gesund
Viele moderne Zivilisationskrankheiten gehen auf Bewegungsmangel zurück, beispielsweise Rückenschmerzen oder Erkältungskrankheiten. Regelmäßige Spaziergänge beugen diesen vor: „Wer 30 Minuten täglich oder 150 Minuten pro Woche spazieren geht, hat schon viel für seinen Körper getan“, so Liedtke. „Selbst 15 Minuten täglich haben einen positiven Effekt. Das ist nur ein Kilometer – und nicht gleich sieben, die man gehen müsste, um auf die sprichwörtlichen zehntausend Schritte zu kommen.“ Durch die Bewegung an der frischen Luft sättigt sich das Blut mit Sauerstoff. Kälte oder Regen können zudem die Durchblutung fördern: „Von einem Spaziergang im kalten Wind kommt man rotwangig zurück, man wirkt frischer und sieht auch besser aus“, so Liedtke.
Zudem wirkt die Naturwahrnehmung beruhigend. Der Körper baut Stresshormone ab und aktiviert seine Selbstheilungskräfte. Das hat eine berühmte Studie mit Genesenden gezeigt. Sie wurden schneller gesund, wenn die Krankenzimmer einen Blick ins Grüne gewährten. „Wir wissen zwar, dass Natur die Gehirnaktivität verändert, ganz verstanden ist dieses Phänomen aber noch nicht. Es scheint jedoch eine Rolle zu spielen, dass wir in der Natur umgeben sind von Dingen, die zweckfrei sind – anders als in einer vom Menschen gestalteten Umgebung. Ein Baum ist einfach da. Es scheint, als würde seine Zweckfreiheit uns helfen zu entspannen.“
Sogar abnehmen lässt sich mit dem täglichen Gang
Definiert ist Gehen als Fortbewegung ohne Flugphase, der Mensch hat dabei also immer einen Fuß auf dem Boden. Weil es keinen starken Aufprall gibt, empfinden viele das Gehen angenehmer als das Laufen. Trotzdem kann man mit Hilfe des täglichen Spaziergangs Gewicht verlieren. „Als Faustregel gilt: Pro Kilo Körpergewicht und pro Kilometer verbrennt man beim Gehen etwa 1 Kalorie. Das heißt: Wenn ein Mensch mit einem Körpergewicht von 75 Kilogramm täglich 30 Minuten spazieren geht, kann er in einem Jahr theoretisch zehn Kilogramm abnehmen – vorausgesetzt natürlich, er oder sie isst nicht mehr als zuvor“, erklärt Liedtke.
Wer um die positiven Effekte weiß, profitiert mehr
Mit Hilfe des Spazierengehens sorge er für sein tägliches Wohlbefinden und halte sich gesund, schrieb der dänische Philosoph Søren Kierkegaard. Er sei dabei auf die besten Gedanken gekommen – und den schlimmsten davongelaufen. Sein Fazit: „Solange man geht, geht es.“ Wem, wie Kierkegaard, die positiven Wirkungen des Gehens bewusst sind, bei demjenigen verstärken sich diese sogar. Das hat eine Studie mit Hotelpersonal gezeigt – einer Berufsgruppe also, die ständig auf Trab ist. Wer sich freiwillig für den Spaziergang entscheidet, kann umso leichter von diesem Effekt profitieren: Einfach durch das Denken daran, dass man sich etwas Gutes tut.
Tipps für Bewegungsmuffel und Bewegungsfans
Ein Spaziergang von 15 bis 30 Minuten pro Tag ist eigentlich für alle machbar. Wem es trotzdem schwer fällt, sich aufzuraffen, dem rät Dr. Liedtke: „Warten Sie nicht, bis Sie Lust bekommen. Planen Sie die kleine Bewegungseinheit gezielt in Ihren Tagesablauf ein, und ziehen Sie es dann durch. Stellen Sie sich am Anfang vor, wie gut Sie sich beim Nachhausekommen fühlen werden. Dann profitieren Sie sogar mehr.“
Wer wenig Zeit hat, aber das Fitnesslevel erhöhen möchte, kann vor allem das Tempo variieren: Schnelles Gehen strengt mehr an als Schlendern und trainiert deswegen mehr. Ebenfalls lohnend ist das Experimentieren mit unebenen Untergründen wie beispielsweise festgetretenem Schnee oder Waldböden. Sie zwingen den Körper zu Ausgleichsbewegungen, die den Trainingseffekt ebenfalls steigern.