UHH Newsletter

Januar 2014, Nr. 58

FORSCHUNG

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In einem Science-Paper berichten die CUI-Forscher, wie sie Fermionen dazu gebracht haben, im gleichen Takt zu schwingen. Foto: Sengstock group


Kontakt:

Prof. Dr. Klaus Sengstock
Institut für Laserphysik

t. 040.8998-5201
e. sengstock-at-physik.uni-hamburg.de


Dr. Christoph Becker
Institut für Laserphysik

t. 040.8998-5203
e. cbecker-at-physnet.uni-hamburg.de


Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin "Science"

Science-Veröffentlichung: Teilchen schwingen im gleichen Takt

Ob Vogelschwärme, Sanddünen oder Straßenverkehr: Im Alltag beobachten wir immer wieder sogenanntes kollektives Verhalten, bei dem sich alle beteiligten Objekte – gewollt oder ungewollt – synchron bewegen. Ein Forschungsteam des „Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (CUI)“ der Universität Hamburg hat nun ein neuartiges Quantensystem realisiert, welches aus mehr als einer Million Atome besteht, die sich entgegen aller Erwartungen ebenfalls vollständig kollektiv verhalten. Das berichten die Wissenschaftler in der Ausgabe des Magazins „Science“ vom 10. Januar.

Die CUI-Forscher aus dem Team von Prof. Dr. Klaus Sengstock konnten im Labor erstmals beobachten, wie eine Wolke ultrakalter Kalium-Atome kollektiv schwingt, quasi einen quantenmechanischen Wiener Walzer tanzt. Das besondere dabei: Es handelt sich um fermionische Teilchen, die in der Physik eigentlich dafür bekannt sind, nicht gemeinsam zu agieren. Fermionen sind eine von zwei grundlegenden Teilchenarten und unterscheiden sich von der anderen Art, den Bosonen, nur durch eine einzige quantenmechanische Eigenschaft, ihren Spin.

„Dafür gibt es keine klassische Entsprechung“, erklärt Dr. Christoph Becker, wissenschaftlicher Leiter des Projektes. „Am besten kann man sich den Spin als eine Drehung der Teilchen um sich selbst vorstellen.“ Dieser hat drastische Konsequenzen für das „Sozialverhalten“ von Teilchen. Während Bosonen einen ganzzahligen Spin haben und dazu tendieren, sich alle gleich zu verhalten, sind die Fermionen mit ihrem halbzahligen Spin Einzelgänger, die sich sozusagen soweit wie möglich aus dem Weg gehen.

Offene Frage beantwortet

Den Forschern der Universität Hamburg gelang es nun, Atome des Isotops 40Kalium mit Laserlicht fast bis auf den absoluten Nullpunkt (minus 273° C) abzukühlen und sie dadurch zu verlangsamen. Bei diesen Temperaturen bilden die Teilchen einen Quantenzustand, der im Fachjargon als „Fermisee“ bezeichnet wird – nach Enrico Fermi, einem Pionier der Quantenmechanik. Erst seit einigen Jahren ist es technisch überhaupt möglich, in diesen Temperaturbereich vorzustoßen.

„Wir hatten bereits beobachtet, dass sich bosonische Atome kollektiv verhalten“, berichtet Klaus Sengstock, experimenteller Leiter des Teams. „Es war aber eine völlig offene Frage, was in diesem Fall mit Fermionen passieren würde.“ Nach dem Abkühlen manipulierten die Forscher die Fermionen durch Laserlicht und richteten dadurch den Spin aus. Erstmals wurde beobachtet, wie der Spin aller Fermionen im Gleichtakt zu schwingen beginnt – ähnlich einem Wiener Walzer, bei dem sich alle Paare auf der Tanzfläche genau mit der gleichen Geschwindigkeit drehen.

Wichtige Grundlagenforschung

Gemeinsam mit Kollegen aus Dresden und Barcelona konnte das Phänomen experimentell und theoretisch genau ergründet werden. Die Forscher fanden zum Beispiel heraus, dass das kollektive Verhalten ein Quantenphänomen ist, das sehr sensitiv auf Störungen wie etwa Temperaturveränderungen reagiert.

Die Ergebnisse der Grundlagenforschung erweitern das Verständnis über physikalische Vielteilchensysteme und damit über fundamentale Aspekte der Natur. Anwendungen könnten im Bereich der Quantentechnologien, etwa Quantensensoren oder der Quanteninformationstechnologie, liegen.

PM/Red.
 
 
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