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Februar 2015, Nr. 71

INTERVIEW



Kontakt:

Prof. Dr. Katajun Amirpur
Professorin für „Islamische Studien/Islamische Theologie“
Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg

t. 040.42838-3532
e. katajun.amirpur"AT"uni-hamburg.de


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Es wäre fatal, den Terroristen die Deutungshoheit über den Islam zu überlassen: Prof. Dr. Katajun Amirpur. Foto: Beck-Verlag

Es wäre fatal, den Terroristen die Deutungshoheit über den Islam zu überlassen: Prof. Dr. Katajun Amirpur. Foto: Beck-Verlag

„Es reicht nicht aus zu sagen: Das hat mit dem Islam nichts zu tun.“ Interview mit Prof. Dr. Katajun Amirpur, Professorin für Islamische Studien und stellvertretende Direktorin der Akademie der Weltreligionen

In den vergangenen Wochen haben zwei Themen die deutschen Medien dominiert: Charlie Hebdo und Pegida. Im Zentrum der Berichterstattung steht dabei die Angst vor dem Islamismus. Immer wieder sind Muslime und Musliminnen gefragt worden, zu den Anschlägen Stellung zu nehmen, sich zu distanzieren. Auch Prof. Katajun Amirpur. Wir haben sie danach gefragt, was Distanzierungen in diesem Fall bringen.

Wie gehen Sie damit um, wenn man von Ihnen als Muslimin verlangt, sich von den islamistischen Taten zu distanzieren?

Giovanni di Lorenzo hat es kürzlich in der „ZEIT“ so formuliert: Eigentlich könne man doch nicht davon ausgehen, dass es einen vernünftigen Muslim gebe, der die Mordtaten gutheißen würde. Insofern sei schon die Forderung sich zu distanzieren eine Beleidigung. Das war sehr wohltuend. Denn so empfinden es die allermeisten Muslime in der Tat.

Man fragt sich: Wieso unterstellt man uns permanent, wir würden so gänzlich anders ticken als alle anderen Menschen? Und wieso werden wir eher mit den Muslimen assoziiert – beispielsweise wenn es um den sogenannten Islamischen Staat geht –, die Jesiden und Christen verfolgen, statt mit jenen Muslimen, die ihnen Schutz gewähren und zur Hilfe eilen?

Hinzu kommt ja auch: Es distanzieren sich alle, ständig und andauernd. Die muslimischen Dachverbände haben das in aller Deutlichkeit getan. Aber es wird nicht wahrgenommen, gerade so, als wolle man es nicht glauben.

Warum ist es dennoch wichtig, dass Muslime sich vom islamistischen Terror distanzieren?

Natürlich ist es richtig, wenn Muslime erklären: Nicht in unserem Namen, wir lassen nicht zu, dass ihr (also die Terroristen) das Bild des Islams prägt. Und es ist wichtig für den gesamtgesellschaftlichen Frieden, dass alle sich distanzieren. Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Hier gilt es, zusammenzustehen und der Gewalt und dem Terror eine Absage zu erteilen. Aber im Sinne eines neuen deutschen Wir, wie es der Bundespräsident kürzlich eingefordert hat. Nicht in dem Sinne, dass man den Muslimen suggeriert: Ihr habt etwas mit denen, also den Attentätern oder den Terroristen des Islamischen Staates zu tun, ihr teilt eine gedankliche Grundlage. Das aber geschieht häufig in unserem medialen Diskurs.

Glauben Sie, dass Distanzierungen wie der Brief der 120 konservativen islamischen Gelehrten vom September des Vorjahres, darunter der Großmufti von Saudi-Arabien, die IS-Terroristen erreichen, wenn nicht gar überzeugen können?

Mit Sicherheit nicht. Sie sind ideologisch viel zu verbohrt. Der Brief richtet sich ja auch weniger an die IS-Terroristen, obschon er an diese adressiert ist, als an die Menschen, von denen man befürchtet, dass sie in die Fänge der IS-Propaganda geraten könnten. Ihnen möchte man erklären, dass das Handeln des Islamischen Staates eben nicht islamisch legitimiert ist. Das ist durch den Brief sehr gut gelungen.

Im Übrigen halte ich es grundsätzlich für wichtig, dass sich die islamische Theologie gegenüber den Terroristen, die Gewalt im Namen des Islams ausüben, positioniert. Wer, wenn nicht wir, kann darlegen, warum die Gewalt legitimierenden Interpretation der Terroristen falsch sind?

Positionierung ist ja auch etwas anderes als Distanzierung. Denn mit Distanzierung allein ist es nicht getan. Es reicht nicht aus zu sagen: Das hat mit dem Islam nichts zu tun. Wenn Terroristen im Namen des Islams morden, dann hat es leider sehr viel mit dem Islam zu tun. Und dann ist man eben als Theologe gefragt, zu erklären, warum man nicht im Namen des Islams morden darf.

Ist islamistischer Terror Ihrer Meinung nach denn ein religiöses Problem, das auch aus dem Islam heraus bzw. theologisch zu lösen ist?

Er ist keinesfalls theologisch zu lösen, da es ein politisches Problem ist. Im Übrigen würde ich mich gegen den Begriff islamistischer Terror verwahren. Sie würden von Christen verübten Terror ja auch nicht christianistischen Terror nennen. Aber davon abgesehen: Auch wenn die Religion hier „nur“ politisch instrumentalisiert wird, muss man sich dennoch aus dem Islam heraus positionieren, denn die Terroristen argumentieren ja auch mit dem Islam.

Wenn man sich nicht aus dem Islam heraus äußert und sich ihnen nicht mit Argumenten entgegenstellt, die auf dem Koran gründen, dann überlässt man ihnen die Deutungshoheit über den Islam. Und das wäre fatal.

Wo sehen Sie in der islamischen Welt Keime einer Gegenbewegung, die dem IS-Terror Einhalt gebieten könnte? (Womit nicht unterstellt sein soll, dass es ein rein islamisches Problem ist.)

Ich sehe da nicht nur Keime: Die Mehrheit der Bevölkerung im Irak und in Syrien ist gegen den IS. Aber ohne Waffen und ohne westliche Unterstützung kann man gegen diese Mörderbande wenig ausrichten. Und wir dürfen nicht vergessen: Neben den vielen Gründen, die auf das Konto der Muslime gehen, warum es den IS überhaupt gibt und warum er erstarkt; es war der Westen, der durch seine verfehlte Syrien- und durch seine verfehlte Irak-Politik ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass wir jetzt vor dieser Katastrophe stehen.

Wenige Tage nach den schrecklichen Anschlägen in Paris veranstalteten die Schura Hamburg und das Islamische Zentrum Hamburg eine Konferenz zum Thema „Extremismus als islamische und gesellschaftliche Herausforderung“, an der auch Sie teilnahmen. Die Veranstaltung machte deutlich, dass Muslime in Deutschland sich gleich mit zwei Extremismen konfrontiert sehen: dem Islamismus einerseits und der Islamfeindlichkeit, wie sie bspw. jetzt neu in Form der Pegida auftritt, andererseits. Wo sehen Sie den Weg heraus?

Meine hellseherischen Fähigkeiten sind nicht allzu ausgeprägt. Ich bin im Moment nicht sehr optimistisch. Es gleicht einem Kampf gegen Windmühlen. Zwar ist immer mehr Bemühen auf beiden Seiten vorhanden, sich für Dialog einzusetzen, aber andererseits wird die Meinung, die die nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft von den Muslimen (die ja übrigens zu 50 Prozent auch Deutsche sind, was immer übersehen wird) hat, laut Umfragen immer schlechter.

Immer mehr assoziiert sie den Islam mit Intoleranz und Gewalt. Und in der Tat liefern die Terroristen des IS und die Attentäter von Paris ja auch Steilvorlagen für diese Meinung.

Pegida halte ich übrigens nur für den Ausdruck des latenten Rassismus, der in Deutschland längst nicht so überwunden war, wie man es im Zuge des Sommermärchens von 2006 schönredete. Neu ist an diesem Rassismus nichts. Die Rassisten fühlen sich jetzt bloß bestätigt, weil man ja schließlich darauf verweisen kann, wie böse die Muslime sind.

Wie nehmen Sie derzeit die Stimmung in Deutschland, hier in Hamburg und unter den Muslimen wahr?

So ist die Frage komisch gestellt, weil sie suggeriert, als gehörten Muslime nicht zu Hamburg, nicht zu Deutschland. Viele Menschen in Deutschland, in Hamburg, Muslime wie Nicht-Muslime, sind besorgt, dass sich das Klima sehr verschlechtern könnte.

Aber ich habe in den letzten Wochen auch sehr viele, sehr besonnene Äußerungen registriert, von Seiten der Politik, von Seiten der Religionsgemeinschaften, der Intellektuellen. Sie alle haben dazu aufgerufen, dass die Gesellschaft sich nicht spalten lassen solle. Letztlich ist dies ja das Ziel, dass die Terroristen verfolgen.

Dass es ihnen um den Propheten gegangen ist, kann mir niemand erzählen. Sie wollen, dass sowohl die nicht-muslimische Mehrheitsgesellschaft wie auch die Muslime zu dem Schluss kommen, Muslime gehörten nicht hierher. Das Zusammenstehen vieler in diesem Land lebenden Menschen – von Muslimen wie Nicht-Muslimen – gegen Terror und für religiöse Vielfalt, das wir in den letzten Wochen erlebt haben, birgt allerdings die Hoffnung, dass es so weit nicht kommt.

Das Interview führte Giselind Werner.
 
 
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