Profilinitiative Gewalt- und Sicherheitsforschung
Die Profilinitiative Gewalt- und Sicherheitsforschung an der Universität Hamburg beschäftigt sich mit neuen Perspektiven auf Gewalt und Unsicherheit, die aus der zunehmenden Zerstörung von Lebensressourcen erwachsen. Für eine thematische Schärfung und internationale Profilierung der Forschung zu Gewalt und Sicherheit an der Universität Hamburg möchten wir eine Open-TopicProfessur mit der Schwerpunktsetzung „Violence and Security in a Planetary Age“ gewinnen. Damit setzen wir an einer Zeitdiagnose der planetarischen Unsicherheit im Anthropozän an, in der Krisen und katastrophische Ereignisse zur Normalität werden und die menschliche Existenz selbst auf dem Planeten gefährdet ist.
Fragen der Sicherheit und der Gewalt stellen sich vor diesem Hintergrund mit neuer Dringlichkeit: Was bedeutet Sicherheit, wenn Leben auf der Erde immer prekärer und instabiler wird und die Bedingungen für kollektives Überleben zunehmend schwinden? Wie lässt sich Gewalt empirisch erforschen und theoretisch konzipieren, die auf Menschen und Communities „indirekt“, etwa über die Zerstörung ihrer Lebensressourcen wirkt und dabei oft auch erst zeitlich versetzt ihre verheerenden Auswirkungen zeigt („slow violence“)?
Vom Anthropozän her zu denken, heißt Mensch, Natur und Technologie in ihrer Verbundenheit zu erforschen. Die zu gewinnende Open-Topic-Professur soll idealerweise selbst interdisziplinäre Kompetenzen einbringen, beispielsweise aus Feldern wie den Science and Technology Studies, Environmental Humanities, Critical Security Studies, Future Studies, Katastrophenforschung oder an Schnittstellen zwischen Fächern wie Kulturanthropologie, Humangeographie, Informatik, Recht, Soziologie, Politikwissenschaft, Ökonomie, Literaturwissenschaften oder Philosophie arbeiten.
Mögliche Schwerpunkte umschließen die folgenden interdisziplinären Felder, beschränken sich jedoch nicht darauf:
Imagination und Zukunft
Der Horizont der Endlichkeit menschlichen Lebens auf dem Planeten und die kollektive Erfahrung von katastrophischen Ereignissen hat unsere Vorstellungswelten und Zukunftskonzeptionen fundamental verändert. Welche Imaginationen und Begriffe von Zeitlichkeit entstehen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Gewalt und Unsicherheit im Zeitalter des Anthropozäns und mit welchen Konsequenzen?
Verantwortung und Gerechtigkeit
Welche Ansprüche an und Dilemmata für Verantwortung und Gerechtigkeit ergeben sich im Kontext planetarer Unsicherheit und Zerstörung? Dies umfasst die rechtliche und gesellschaftliche Verhandlung von Verantwortung für die Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen, des Umgangs mit Un/Gerechtigkeit und Un/Gleichheit im Zugang zu Sicherheit als knappes und fragmentiertes Gut angesichts zunehmender existentieller Bedrohungen, sowie um ethische und rechtliche Perspektiven im Umgang mit KI und digitalen Technologien.
Un/Sichere Technologien und Infrastrukturen
Welche Zerstörungskraft und welches konstruktive Potential haben Technologien – von Überwachungstechnologien über Drohnen bis hin zu Katastrophen-Warn-Apps – angesichts planetarischer Unsicherheit und wie sind sie gesellschaftlich und ökonomisch umkämpft?
Mehr über die Profilinitiative Gewalt- und Sicherheitsforschung
Die Profilinitiative Gewalt- und Sicherheitsforschung ist ein fakultätsübergreifender Forschungsschwerpunkt an der Universität Hamburg, in den über 35 Professuren ihre Expertise einbringen. Im Schwerpunkt Sicherheitsforschung – beteiligt sind Soziologie, Politikwissenschaft, Kriminologie, Kommunikationswissenschaft, Informatik und Geographie – beschäftigen uns neue Bedrohungen und Bedrohungsnarrative und entstehende Ordnungen von Sicherheit im Kontext wachsender politischer und gesellschaftlicher Polarisierungen, rasanter digitaler Transformation und der fortschreitenden Zerstörung von Lebensressourcen. Von besonderem Interesse ist dabei das Verhältnis von Sicherheit und Demokratie angesichts weltweit wachsender antidemokratischer Tendenzen. Darüber hinaus leisten Forschungen in der Informatik zu IT-Sicherheit und Privacy, zu Information Governance Technologies und zur Ethik in der IT wichtige Beiträge zur Sicherheitsforschung.
Im Schwerpunkt Gewaltforschung – vertreten durch Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft, Sprachwissenschaften, Kulturanthropologie, Archäologie, evangelische Theologie und die kleinen Fächer des Asien-Afrika-Instituts – liegt ein besonderer Fokus auf Ressourcen, Zeitlichkeit und Gewalt. Epochenübergreifend fragt hier eine Forschungsgruppe nach der „Zeit“ als Handlungsressource in Kriegen, Pogromen, Belagerungen und Überfällen und damit nach der Relevanz von Temporalitäten für das Handeln und die Erfahrungen von Akteuren, Opfern wie Tätern. Weitere Schwerpunkte liegen auf Erinnerungskulturen, mit Analysen zu Genoziden im 20. und 21. Jahrhundert sowie zu Kolonialismus, Nationalsozialismus und Kommunismus, und auf Transformationen von Gewalt über ihre Ideologien, Rhetoriken, Ermöglichungsstrukturen, Routinen, Selbstermächtigungen, und Normenwandel. Aus rechtlicher Perspektive sind darüber hinaus vor allem Systeme der Friedenssicherung und der kollektiven Sicherheit von Interesse.
Ansprechperson
- Prof. Dr. Christine Hentschel: christine.hentschel-2"AT"uni-hamburg.de