Theoretischer Hintergrund
Das Projekt ReAction (Relationships and Academic Belonging in Higher Education) basiert auf der Annahme, dass die Qualität von Beziehungen entscheidend dafür ist, wie Lehren und Lernen an Hochschulen gelingen.
Der theoretische Rahmen des Projekts verbindet Konzepte wie Academic Belonging und Relationship-Rich Education mit aktuellen Herausforderungen einer Hochschulbildung im Zeichen gesamtgesellschaftlicher Transformationen. Die folgenden Abschnitte geben Einblick in die theoretischen Grundlagen, auf denen ReAction aufbaut.
Worauf ReAction reagiert
Global und lokal sind Gesellschaften im 21. Jahrhundert einem rasanten ökologischen und technologischen Wandel unterworfen. Dies wirkt sich direkt auf Forschung und Lehre an Hochschulen aus. Die Universität Hamburg (UHH) reagiert darauf mit der strategischen Leitlinie Twin Transformation und misst Digitalisierung und Nachhaltigkeit eine zentrale Bedeutung für die universitäre Entwicklung bei. Als Exzellenzuniversität ist die UHH unter anderem stark in der inter- und transdisziplinären Forschung und investiert in den (Wissens-)Transfer. Dies hat großen Einfluss auch auf die Lehre: Das mehr als 180 Studiengänge umfassende Studienangebot wird, wo es sinnvoll ist, zunehmend interdisziplinär und international gestaltet, für Digitalität geöffnet und kontinuierlich reformiert.
Die UHH unternimmt verschiedene Anstrengungen, Studierende in diese Entwicklungen einzubeziehen etwa durch: extracurriculare Angebote zu Nachhaltigkeit und Transfer, internationale Programme, (co-)curriculare Lehrangebote zur digitalen Kompetenzentwicklung oder Partizipationsmöglichkeiten an der Entwicklung von Strategien zur Digitalisierung in der Lehre. Damit wird das übergeordnete Ziel verfolgt, dass Studierende an der Transformation in verschiedenen Gesellschaftsbereichen proaktiv teilhaben.
Das Erleben von Belastungen verschiedenster Art, Ungewissheiten im Zuge aufeinanderfolgender Krisen sowie konfligierende Werte, um nur Beispiele zu nennen, erzeugen allerdings Bedingungen, unter denen es zunehmend schwieriger wird, mit den genannten, in die Zukunft gerichteten Angeboten in Studium und Lehre Resonanz (Rosa, 2019) zu erzeugen.
Es stellt sich die Frage, wie es unter diesen Bedingungen gelingen kann, Studierende, aber auch Lehrende in eine digitale und nachhaltige Zukunft nicht nur mitzunehmen, sondern zu erreichen, dass die transformatorischen Herausforderungen zur „eigenen und gemeinsamen Sache“ werden:
- Wie können Engagement in Studium und Lehre sowie Beteiligung an Angeboten mit transformativem Potenzial noch besser gefördert werden?
- Wie lassen sich die Angebote stärker in das Studium integrieren und in ihrer Relevanz erlebbar machen?
- Was fehlt an bisherigen Maßnahmen?
Warum Beziehungsqualität und akademische Zugehörigkeit wichtig sind
Weder Strategien noch zusätzliche Angebote der Universität dürften allein und automatisch dazu führen, dass sich Lehren und Lernen in Verbindung mit Forschen so verändern, dass wir dem ökologischen und technologischen Wandel gerecht werden und diesen mitgestalten. Neben intellektueller Eigenständigkeit sowie Handlungs- und Kritikfähigkeit braucht es dazu auch ein Bewusstsein aller Beteiligten dafür, dass der eigene Beitrag im Sinne von persönlichem Engagement zählt, ebenso wie psychologische Sicherheit und Vertrauen in die eigene Person, die Lehre, die fachwissenschaftliche Gemeinschaft und die Institution Universität (Edmondson, 2018).
Vor diesem Hintergrund haben mehrere Fakultäten und Einrichtungen Verbesserungsbedarf in der Beziehungsqualität zwischen Lehrenden und Studierenden sowie Studierenden untereinander und der sozialen Eingebundenheit im Sinne akademischer Zugehörigkeit artikuliert, um so komplexe Ziele wie die skizzierten erreichen zu können. Befunde aus der internationalen Forschung zu Higher Education stützen das (Barney, Crawford & Delahunty, 2022): Es ist empirisch belegt, dass sich hohe Beziehungsqualität an der Hochschule und das Erleben von Zugehörigkeit zu einer akademischen Gemeinschaft (disziplinär wie interdisziplinär) positiv auswirken auf:
- Studienerfolg sowie Interessens- und Kompetenzentwicklung (z.B. Kahu Ashley & Picton, 2022; de Klerk, 2022),
- intellektuelles und soziales Engagement (z.B. Ahn & Davis, 2020),
- die Beteiligung in der (digitalen) Lehre (z.B. Smith et al., 2021) oder
- die Zusammenarbeit am Campus (z.B. Zhao & You, 2024).
Die Konzepte Academic Belonging (Rueda & Lowe Swift, 2024) und Relationship-Rich Education (Felten & Lambert, 2020) bündeln diese Befunde. Es gibt also gute Gründe anzunehmen, an der UHH mehr Resonanz, Engagement, Beteiligung und Vertrauen in Studium und Lehre zu erzielen, wenn es gelingt, Beziehungen und Beziehungsqualität in Verbindung mit akademischer Zugehörigkeit zu verbessern und dabei mehrere akademisch relevante Beziehungstypen zu berücksichtigen.
Welche Arten von Beziehungen ReAction in Aktion bringen will
Unter dem Leitgedanken Relationships and Academic Belonging in Higher Education (ReAction) verknüpfen wir Erkenntnisse zur Förderung der Beziehungsqualität unter der Perspektive akademischer Zugehörigkeit und sehen darin für die UHH eine grundlegende Möglichkeit, die Beteiligung an Transformationsprozessen in Hochschule und Gesellschaft zu erhöhen. Hierzu werden fünf Beziehungstypen unterschieden und in die Projektkonzeption aufgenommen:
Interpersonale Beziehungen
Interpersonale Beziehungen spielen in der Hochschulbildung eine entscheidende Rolle (Graf & Iwers, 2019): Lehrpersonen sind nicht nur Vermittler zwischen der (Fach-)Wissenschaft und Studierenden; sie geben Studierenden auch Feedback, beraten, unterstützen, ermutigen sie und arbeiten mit ihnen zusammen (Wissenschaftsrat, 2022). Eine Herausforderung dabei sind das Machtgefälle in der Lehre und die Frage, wo und wie es überwunden werden kann. Über die Gestaltung von Lehre lässt sich darauf hinwirken, dass Studierende untereinander mehr in Kontakt treten, Gemeinschaften bilden und in Austausch mit außeruniversitären Personen gelangen. Interpersonale Beziehungen sind das Fundament für gegenseitiges Vertrauen (Nyquist Potter, 2020), auch unter Lehrenden.
Interdisziplinäre Beziehungen
Eine eigene Qualität von Beziehungen entsteht in Forschung und Lehre über die Zusammenarbeit zwischen Disziplinen. Interdisziplinarität ermöglicht es, Fragen zu bearbeiten, die sich nicht in enge Fächergrenzen einsortieren lassen; oft ist sie auch Voraussetzung für transdisziplinäre Kooperationen. Studierende sind daher zur interdisziplinären Zusammenarbeit zu befähigen. Nach wie vor aber sind Universitäten entlang von Disziplinen organisiert und in der Tendenz strukturkonservativ. Interdisziplinäre Beziehungen herzustellen, ist anspruchsvoll, setzt Vertrauen in (fach-)wissenschaftliche Praktiken (Rolin, 2020) und eine stabile disziplinäre Identität voraus, was die Lehre ausbalancieren muss.
Internationale Beziehungen
Internationalität wird in Studium und Lehre vielfach noch zu eng als Studieren im Ausland oder in englischer Sprache ausgelegt. Unter dem Blickwinkel von Beziehungen kann Internationalisierung im Kontext Hochschulbildung vielfältiger bearbeitet werden (Kudo, Volet & Whitsed, 2019): So können etwa über Kooperationen zwischen Studiengängen im In- und Ausland interkulturelle Sensibilisierung gefördert und transkulturelle Kommunikationsräume aufgebaut werden. Auch gegenseitiges Vertrauen lässt sich damit fördern. Zusammenarbeit im Studium mit Studierenden aus dem Ausland und deren Integration in die Lehre eröffnen die Chance, sich bislang marginalisierten Themen und Perspektiven zu widmen.
Beziehung zu sich selbst
Angesichts der großen Herausforderungen der Zukunft stellt sich die Frage, welche Beziehung Menschen zu sich selbst aufbauen müssen, um diesen gewachsen zu sein. So macht etwa die Initiative der „Inner Development Goals“ (2024) darauf aufmerksam, dass die 2015 ausgerufenen Nachhaltigkeitsziele zwar eine wertvolle Vision initiiert haben, deren Realisierung bislang aber ungenügend ist; verantwortlich dafür sei unter anderem ein Mangel an „relationship to self“. Thematisiert sind damit die Persönlichkeitsbildung im Studium (Huber & Reinmann, 2019) sowie Zutrauen in eigene Fähigkeiten im Sinne eines intellektuellen Selbstvertrauens (Foley, 2020). Beides ist in der Lehre nach wie vor wenig im Fokus, wäre aber mit Anforderungen an die kognitive Entwicklung Studierender zu verbinden.
Mensch-Maschine-Beziehung
(Generative) Künstliche Intelligenz (KI) ist mit allseits verfügbaren Systemen wie ChatGPT zu einem einflussreichen Akteur in akademischen Beziehungsgeflechten geworden. Angesichts der vom Deutschen Ethikrat (2023) aufgearbeiteten Potenziale und Risiken von KI erfordert dieses Thema ein hohes Maß an Urteilskraft und beständiger Aushandlung und Abwägung auch im Hochschulkontext. Selbst- und Mitbestimmung bei der Integration von KI in das akademische Denken und Handeln seitens der Studierenden und Wissenschaftler:innen sind in der Lehre ebenso wie in der Forschung essenziell (Gašević, Siemens & Sadiq, 2023). Das erfordert neben der Stärkung der Menschen im Sinne einer Beziehung zu sich selbst KI-Kompetenz in verschiedenen Graden, um eine aktive und verantwortungsvolle Mitwirkung zu ermöglichen (Airaj, 2024).

Abb. 1: „Beziehungsakzente“ der thematischen Schwerpunkte in ReAction
Wie Beziehungsqualität und akademische Zugehörigkeit in die Lehrarchitektur passen
Das Projekt verfolgt das Ziel, Beziehungen (relationships) unter der Perspektive akademischer Zugehörigkeit (academic belonging) neu zu denken und in der Lehrarchitektur zu verankern. Einbezogen werden interpersonale, interdisziplinäre und internationale Beziehungen, die Beziehung zu sich selbst sowie die zwischen Mensch und Maschine. Diese stehen selbst in Beziehung zueinander, sind also nicht trennscharf, eignen sich aber als analytische Kategorien dazu, bei der Entwicklung von Interventionen Akzente zu setzen sowie Wirkungserwartungen zu formulieren. Um strukturell greifen zu können, werden Interventionen zur Förderung dieser Beziehungen auf der Studiengangs-, Veranstaltungs- und situativen Ebene (vgl. Flechsig, 1975; Eugster, 2020) gleichermaßen verankert:
Studiengangsebene
Studiengänge sind der zeitlich gestreckte Rahmen für studentische Bildungsprozesse und Kompetenzwicklung. Eine Förderung internationaler und interdisziplinärer Beziehungen setzt voraus, dass in Studiengängen zum Beispiel Kooperationen mit dem Ausland oder Zusammenarbeit zwischen Fächern strukturell eingeplant sind. Dazu gehören neben Inhalts- auch Lehrdeputats- und Kapazitätsfragen, etwa um Co-Teaching infolge interdisziplinärer Module oder digitale Lehre bzw. Lehre mit KI umsetzen zu können. Darüber hinaus ist die Studieneingangsphase ein besonders sensibles Zeitfenster, um interpersonale Beziehungen aufzubauen und akademische Zugehörigkeit zu entwickeln.
Veranstaltungsebene
Einzelne Lehrveranstaltungen (oder Module) bilden den Ort und begrenzten Zeitrahmen, an dem und in dem sich Studierende und Lehrende formal begegnen und in eine didaktisch begründete Interaktion treten. Komplexe interaktiv ausgerichtete Lehrformate, die ein problembasiertes, projektorientiertes oder forschendes Lernen fördern, sind prädestiniert dafür, vielfältige interpersonale Beziehungen anzuregen wie auch Momente der Selbstreflexion im Sinne der Beziehung zu sich selbst einzubinden. Sie eignen sich außerdem dazu, internationale und interdisziplinäre Beziehungen zu integrieren, KI im Schnittfeld von Lernen und Forschen zu erproben sowie Lehrkooperationen einzugehen.
Situative Ebene
Die Gestaltung von Bildungssituationen als „kleinste“ Einheiten stellt die basalste Ebene der Lehrarchitektur dar. Zum Aufbau von Beziehungen und akademischer Zugehörigkeit sind diese Einheiten nicht zu vernachlässigen: Sie können aus Feedbackgesprächen oder informellen Begegnungen zwischen Studierenden und Lehrenden ebenso wie aus studienbezogenen Peer-Aktivitäten heraus entstehen und co-curricular sein oder mit Lehrangeboten verknüpft werden. Begrenzte Zeitressourcen und große Studierendengruppen führen dazu, dass solche Situationen oft zu kurz kommen und dem Zufall überlassen werden. Eine explizite Gestaltung derartiger situativer Bedingungen kann vor allem interpersonale Beziehungen stärken.
Welche thematischen Schwerpunkte ReAction verfolgt
Das Projekt ReAction verfolgt vier thematische Schwerpunkte, die auf unterschiedliche Weise die Qualität verschiedener Beziehungstypen und akademische Zugehörigkeit stärken wollen: Akademisches Mentoring, Peer Tutoring, Kooperative Lehrgestaltung und Experimentelle Currulumsentwicklung.
Der Schwerpunkt akademisches Mentoring konzentriert sich auf Interventionen, die darauf abzielen, Bildungssituationen über den Aufbau interpersonaler Beziehungen im Sinne längerfristiger persönlicher Kontakte zwischen Lehrenden und Studierenden zu initiieren und zu gestalten. Damit können auch Momente der Selbstreflexion im Sinne der Entwicklung einer Beziehung zu sich selbst angestoßen werden. Begleitet wird studentisches Lernen und Forschen einzeln wie auch in Kleingruppen insbesondere in großen Studiengängen und solchen, in denen eine mangelnde disziplinäre Identität wahrgenommen wird. Akademisches Mentoring kann intellektuelles Selbstvertrauen, psychologische Sicherheit, Vertrauen in Lehrende und das gemeinsame Fach sowie in die Institution Universität stärken (Wissenschaftsrat, 2022).
Der Schwerpunkt Peer Tutoring zielt auf Interventionen ab, welche die Tutorienarbeit weiterentwickeln, diese für internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit im Studium erschließen sowie mit KI im Beziehungsgeflecht experimentieren. Die Vorzüge studentischer Tutorienarbeit werden stärker und breiter in Studium und Lehre integriert und deren Wertschätzung in möglichst vielen Studiengängen erhöht. Studentische Tutorienarbeit fördert interpersonale Beziehungen und hilft, Vertrauen untereinander und zu sich selbst aufzubauen (Stigmar, 2016). Dazu ist Peer Tutoring nicht nur punktuell, sondern im ganzen Student Life Cycle und inhaltlich vielfältig zu praktizieren.
Der Schwerpunkt kooperative Lehrgestaltung stößt Interventionen an, die es ermöglichen, dass Lehrpersonen gemeinsam Lehrangebote gestalten, die sich dazu eignen, gesellschaftliche Herausforderungen zu bearbeiten. Im Fokus stehen komplexe Lehrkonzepte, vor allem forschendes Lernen, und solche, die den studentischen Austausch fördern. Die Umsetzungen sind möglichst partizipativ, um vielfältige interpersonale Beziehungen, auch zu außeruniversitären Personen, herzustellen und das Erleben akademischer Zugehörigkeit zu vertiefen (Archer-Kuhn & MacKonnon, 2020; Yaar-Waisel, Sprenger & Leininger-Frézal, 2023). Auch interdisziplinäre und internationale bzw. interkulturelle Beziehungen können bei der kooperativen Lehrgestaltung handlungsleitend sein. Lehrende haben dabei die Möglichkeit, untereinander interpersonale Beziehungen zu stärken, voneinander zu lernen und Lehre im Team innovativ zu gestalten.
Der Schwerpunkt experimentelle Curriculumsentwicklung läuft auf Interventionen hinaus, in denen komplementär zu formalen (standardisierten) Strategien der Studiengangsentwicklung explorativ und mit studentischer Partizipation neue Module oder zertifizierbare Lehreinheiten konzipiert und erprobt werden (Rosenberg, 2023). Von Interesse sind curriculare Einheiten, die interdisziplinäre und/oder internationale Beziehungen stärken, sowie die Studieneingangsphase als wichtiges Experimentierfeld, um frühzeitig interpersonale Beziehungen und akademische Zugehörigkeit zu einer Disziplin aufzubauen. Ein weiteres Feld sind curriculare Veränderungen infolge der möglichen Verschiebung von Kompetenzen im Zuge der KI-Entwicklung.

Abb. 2: Verortung der thematischen Schwerpunkte auf den relevanten Ebenen der Lehrarchitektur
Wie die thematischen Schwerpunkte strukturell flankiert werden
Zwei strukturelle Schwerpunkte flankieren und vernetzen die thematischen Schwerpunkte und tragen dazu bei, dass verschiedene Interventionen die Lehrarchitektur nachhaltig verändern.
Der erste strukturell-begleitende Schwerpunkt ist eine explorative Begleitung durch KI. Diese setzt an der Beziehung zwischen Mensch und Maschine an, bringt Digitalität als „translationale KI“ in das Projekt ein und bündelt digitale Interventionen, die auf allen Ebenen der Lehrarchitektur relevant werden können. Es werden KI-Technologien für die Hochschulbildung eruiert, in den thematischen AP erprobt und bei Bedarf professionell begleitet. Basis dafür sind eine kontinuierliche Beobachtung und Reflexion laufender Entwicklungen von (generativer) KI. Ein KI-Monitoring für Hochschulbildung sorgt dafür, dass die während der Projektlaufzeit zu erwartenden Neuerungen im Bereich (generativer) KI im Blick behalten werden. Bei Bedarf werden KI-Technologien mit Affinität zu den thematischen AP erprobt und deren Reife für den praktischen Einsatz auch mit deutschsprachigen Inhalten eruiert. Erfolgreich erprobte KI-Technologien werden gebündelt und für ihren langfristigen Einsatz auf der technischen Infrastruktur der UHH für Lehrende und Studierende je nach Bedarf bereitgestellt.
Den zweiten strukturell-begleitenden Schwerpunkt bildet die rechtlich-organisatorische Verankerung mit Interventionen, welche die strukturellen Bedingungen für akademisches Mentoring, Peer Tutoring, kooperative Lehrgestaltung und experimentelle Curriculumsentwicklung herstellen oder verbessern können. Dabei handelt es sich um innerorganisationale Regelungen wie auch hochschulpolitisch anzustoßende Veränderungen. Im Fokus stehen hier Lehrdeputatsregelungen, um akademisches Mentoring, Co-Teaching-Formate sowie Engagement in der kooperativen Lehrgestaltung und experimentellen Curriculumsentwicklung besser als bisher zu fördern und anzuerkennen. Um Peer-Tutoring sowie interdisziplinäre und internationale Formate und Co-Teaching im Rahmen der kooperativen Lehrgestaltung und experimentellen Curriculumsentwicklung systematisch im Lehralltag berücksichtigen und einbetten zu können, werden Empfehlungen zur Lehrplanung in den beteiligten Fakultäten erarbeitet, die universitätsweit als Modell dienen können. Zur dauerhaften Verankerung der im Projekt pilotierten Maßnahmen sind ein Dialog mit der Wissenschaftsbehörde über rechtliche Rahmenbedingungen und eine passende Gestaltung des rechtlichen Rahmens erforderlich.
Wie ReAction wissenschaftlich begleitet und koordiniert wird
Die langfristig erwarteten Wirkungen des Projekts bestehen darin,
- (1) die Beziehungsqualität zwischen Lehrenden und Studierenden sowie Studierenden untereinander zu verbessern,
- (2) soziale Eingebundenheit im Sinne akademischer Zugehörigkeit auszubauen,
- (3) neben interpersonalen Beziehungen auch solche in den Kontexten Interdisziplinarität und Internationalität zu stärken
- (4) sowie die Beziehung zu sich selbst und die zwischen Mensch und Maschine einzubeziehen.
Weiterhin besteht die langfristige Erwartung,
- (5) Vertrauen in einem umfassenden Sinne zu schaffen und in der Folge
- (6) Resonanz, Engagement und Beteiligung im Kontext von Studium und Lehre zu erhöhen,
- (7) sodass Studierende und Lehrende Herausforderungen im Zuge der Twin Transformation-Strategie zur eigenen und gemeinsamen Sache machen.
Letztlich ist damit das Ansinnen verbunden,
- (8) Studienerfolg nicht nur zu fördern, sondern angesichts des ökologischen und technologischen Wandels auch neu zu denken und zu bestimmen.
Diese übergeordneten Veränderungen lassen sich nicht direkt erfassen, werden aber orientierend in der Wirksamkeitsprüfung und Reflexion sowie für die kontinuierliche Ausgestaltung von Erfolgskriterien herangezogen. Damit dies gelingt, gibt es im Projekt eine wissenschaftliche Begleitung: Sie hat die Aufgabe, die Entwicklungen zum akademischen Mentoring und Peer Tutoring sowie zur kooperative Lehrgestaltung und experimentellen Curriculumsentwicklung wissenschaftlich zu unterstützen und dazu beizutragen, dass das übergeordnete Projektziel erreicht wird. Maßnahmen der wissenschaftlichen Begleitung sind beobachtend-empirischer und theoretisch-argumentativer Art und erhöhen die Chance, Erfahrungen und Ergebnisse innerhalb wie auch außerhalb der UHH übertragen zu können. Sie umfasst formative Evaluationen, mit denen ein iterativ-zyklischer Wechsel zwischen Konzeption und Erprobung angestoßen wird, kombiniert mit kontinuierlichem Re-Design, was eine entsprechende Fehlerkultur erfordert, die explizit angestrebt wird. Summative Evaluationen werden in der letzten Projektphase eine abschließende Bewertung der Maßnahmen in den verschiedenen Schwerpunkten ermöglichen.
In enger Verknüpfung mit der wissenschaftlichen Begleitung sorgt ein kleines Team für Kommunikation und Transfer dafür, dass erzielte Ergebnisse von ReAction intern kommuniziert und zugänglich sowie diskutiert und für weitere Kontexte übertragbar werden. Im Projektmodus stehen ausgewählte Fakultäten, Studiengänge und Einrichtungen exemplarisch im Fokus; im Projektverlauf werden die Anwendungsfelder sukzessive erweitert. Im Idealfall sind Transferprozesse auch über die UHH hinaus möglich, wozu externe Kommunikation und eigene Transferbemühungen dienen.
Gemeinsam haben die wissenschaftliche Begleitung sowie Kommunikation und Transfer sowohl unterstützenden als auch koordinierenden Charakter und arbeiten darauf hin, dass die angestrebten Wirkungen erzielt und übertragbare Erkenntnisse gewonnen werden.
Literatur
Ahn, M.Y., & Davis, H.H. (2020). Students’ sense of belonging and their socio-economic status in higher education: a quantitative approach. Teaching in Higher Education, 28(1), 136-149.
Airaj, M. (2024). Ethical artificial intelligence for teaching-learning in higher education. Education and Information Technologies. URL: https://doi.org/10.1007/s10639-024-12545-x
Archer-Kuhn, B. & MacKonnon, S. (2020). Inquiry-based learning in higher education: A pedagogy of trust. Journal of Education and Training Studies, 8(9), 1-14.
Barney, K., Crawford, N. & Delahunty, J. (2022). Guest Editorial: Fostering connections in higher education. Student Success, 13(3), i-iii.
de Klerk, D. (2022). Academic advising and ethic of care: Enabling belonging to enhance higher education students’ prospects of success. South African Journal of Higher Education, 36(6), 152-168.
Deutscher Ethikrat (2023). Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz (Stellungnahme). Berlin. URL: https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-mensch-und-maschine.pdf
Edmondson, A.C. (2018). The fearless organization. Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. New Jersey: Wiley.
Eugster, B. (2020). Hochschuldidaktik als Theorie der Bildung. Ausbildung und Sozialisation in der Hochschule als Band 10 der Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. In P. Tremp & B. Eugster (Hrsg.), Klassiker der Hochschuldidaktik? (S. 269-281). Wiesbaden: Springer VS.
Felten, P. & Lambert, L.M. (2020). Relationship-rich education. How human connections drive success in college. Baltimore: Johns Hopkins University Press.
Flechsig, K.-H. (1975). Handlungsebenen der Hochschuldidaktik (ZIFF-Papiere 3). Hagen: Zentrales Institut für Fernstudienforschung. URL: https://ub-deposit.fernuni-hagen.de/receive/mir_mods_00000204
Foley, R. (2020). Self-trust. In J. Simon (Ed.), The Routledge handbook of trust and philosophy (pp. 231-242). New York: Routledge.
Gašević, D., Siemens, G. & Sadiq, S. (2023). Empowering learners for the age of artificial intelligence. Computers and Education: Artificial Intelligence, 4. URL: https://doi.org/10.1016/j.caeai.2023.100130
Graf, U. & Iwers, T. (Hrsg.) (2018). Beziehungen bilden. Wertschätzende Interaktionsgestaltung in pädagogischen Handlungsfeldern. Bad Heilbrunn. Klinkhardt.
Huber, L. & Reinmann, G. (2019). Vom forschungsnahen zum forschenden Lernen an Hochschulen. Wege der Bildung durch Wissenschaft. Berlin: Springer VS.
Inner Development Goals (2024). Framework. URL: https://innerdevelopmentgoals.org/framework/
Kahu, E.R., Ashley, N. & Picton, C. (2022). Exploring the complexity of first-year student belonging in higher education: Familiarity, interpersonal, and academic belonging. Student Success, 13(2), 10-20.
Kudo, K., Volet, S. & Whitsed, C. (2019). Development of intercultural relationships at university: a three-stage ecological and person-in-context conceptual framework. Higher Education, 77, 473-489.
Nyquist Potter, N. (2020). Interpersonal trust. In J. Simon (Ed.), The Routledge handbook of trust and philosophy (pp. 243-255). New York: Routledge.
Rolin, K. (2020). Trust in science. In J. Simon (Ed.), The Routledge handbook of trust and philosophy (pp. 354-366). New York: Routledge.
Rosa, H. (2019). Resonanz als Schlüsselbegriff der Sozialtheorie. In J.-P. Wils (Hrsg.), Resonanz. Im interdisziplinären Gespräch mit Hartmut Rosa (S. 11-30). Baden-Baden: Nomos.
Rosenberg, B. (2023). „Whatever it is, I’m against it”. Resistance to change in higher education. Cambridge: Harvard Education Press.
Rueda, E. & Lowe Swift, C. (Ed.) (2024). Adademic belonging in higher education. New York: Routledge.
Smith, S., Pickford, R., Edwards, L., Priestley, J., Sellers, R. & Sinclair, G. (2021). Building a sense of belonging in students: Using a participatory approach with staff to share academic practice. Journal of Perspectives in Applied Academic Practice, 9(1), 44-53.
Stigmar, M. (2016). Peer-to -peer teaching in higher education: A critical literature review. Mentoring & Tutoring: Partnership in learning, 24(2), 124-136.
Wissenschaftsrat (2022). Empfehlungen für eine zukunftsfähige Ausgestaltung von Studium und Lehre. URL: https://www.wissenschaftsrat.de/download/2022/9699-22.pdf?__blob=publicationFile&v=13
Yaar-Waisel, T., Sprenger, S. & Leininger-Frézal, C. (2023). Education for sustainable development in teacher training through multinational cooperation: Goals, opportunities, and challenges. In A. Klonari, M.L. De Lázaro y Torres, & A. Kizos (Eds.), Re-visioning geography: Supporting the SDGs in the post-COVID era (pp. 75-92). Springer International Publishing.
Zhao, S. & You, L. (2024). Exploring the impact of student-faculty partnership on engagement, performance, belongingness, and satisfaction in higher education. Educational Administration: Theory and Practice, 30(2), 193-2010.