Forschende unterzeichnen Copenhagen Declaration„In politische Entscheidungsprozesse sollte wissenschaftliche Expertise einfließen“
9. September 2025, von Newsroom-Redaktion

Foto: UHH/Esfandiari
Viele größere Unternehmen müssen zu ihren Aktivitäten in Sachen Klima, Umwelt und Soziales Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Die EU-Kommission möchte die entsprechende Richtlinie dazu verändern und den bürokratischen Aufwand so verringern. Forschende warnen vor einer Abschwächung und haben eine schriftliche Stellungnahme verfasst. Darunter Laura Marie Edinger-Schons, Professorin für BWL, Expertin für nachhaltiges Wirtschaften und Chief Sustainability Officer der Universität Hamburg.
Was ist das Ziel der Erklärung, deren Mitautorin Sie sind?
Die Copenhagen Declaration richtet sich an die europäischen Gesetzgeber mit einer klaren Botschaft: Die EU darf ihre eigene Wirkungskette im Green Deal nicht untergraben. Nachhaltigkeitsberichterstattung und unternehmerische Sorgfaltspflichten sind keine isolierten Regulierungen – sie bilden das Informations-Backbone, auf dem nachhaltige Finanzmärkte, effektive Aufsicht und unternehmerische Steuerung basieren. Wenn wir diese Datenströme kappen oder verwässern, verlieren wir genau das, was die Transformation möglich macht. Ziel der Erklärung ist daher nicht, jede Vereinfachung abzulehnen – im Gegenteil: Wir fordern eine intelligente, evidenzbasierte Vereinfachung, die die Wirkung der Regularien erhält und präzise ansetzt, wo echte Entlastung möglich ist, ohne die Substanz zu gefährden. Und wir geben zu bedenken, dass in politische Entscheidungsprozesse wissenschaftliche Expertise einfließen sollte.
Weniger Aufwand und Kosten für Unternehmen sind aber doch ein wichtiges Ziel, oder?
Auf jeden Fall. Aber die entscheidende Frage lautet: Reduzieren wir Komplexität dort, wo sie unnötig ist – oder dort, wo sie für den Informationsfluss essenziell ist? Wenn wir z. B. zentrale Berichtspflichten streichen oder große Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) herausnehmen, entfernen wir genau die Akteure, deren Daten für Investoren, Aufsicht und Wertschöpfungsketten entscheidend sind. Eine Reduktion von Aufwand darf nicht bedeuten, dass wir die Messinstrumente zerstören, mit denen wir Risiken erkennen und Strategien steuern. Vereinfachung ist sinnvoll – aber bitte mit Skalpell, nicht mit der Kettensäge.
Sorgen Sie sich aktuell darum, dass das Thema Nachhaltigkeit immer weiter an Bedeutung in der Gesellschaft und in der Politik verliert?
In Teilen der Politik und Öffentlichkeit gibt es derzeit den Versuch, Nachhaltigkeit als reine Bürokratie darzustellen – eine gefährliche Verkürzung. In Wirklichkeit ist Nachhaltigkeitsregulierung das Gegenteil: Sie schafft Transparenz, reduziert Informationsasymmetrien und ermöglicht es Kapitalmärkten, Geld in zukunftsfähige Lösungen zu lenken. Wenn wir diese Grundlagen abbauen, verlieren wir unsere Fähigkeit, die Transformation effektiv zu steuern. Deshalb sagen wir ganz klar: Nachhaltigkeit ist kein Kostenfaktor, sondern ein strategischer Vorteil für Europas Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Innovationskraft.
Eine Universität ist zwar kein Unternehmen, wie sehen Sie als Chief Sustainability Officer aber konkret Aufwand und Nutzen der Nachhaltigkeitsberichterstattung an der UHH?
Auch für uns als Universität gilt: Wenn man ernsthaft Transformation betreiben will, braucht man valide Daten, nachvollziehbare Prozesse und Vergleichbarkeit über die Zeit. Gute Nachhaltigkeitsberichterstattung macht Fortschritte messbar, zeigt blinde Flecken auf und hilft, Ressourcen gezielt einzusetzen. Natürlich ist das mit Aufwand verbunden – aber es ermöglicht zugleich eine strategische Steuerung. Und genau das ist die Grundlogik des Green Deals: Informationen schaffen Handlungsfähigkeit. Für uns ist Berichterstattung daher kein Selbstzweck, sondern ein zentrales Steuerungsinstrument.
