Rechtliche GrundlagenCoronavirus: Was darf die Regierung im Krisenfall?
12. März 2020, von Christina Krätzig
Foto: pixabay
Nach China hat auch Italien Anfang März Orte und Regionen abgeriegelt, schließlich sogar das gesamte Land zur Sperrzone erklärt. Theoretisch sei das auch in Deutschland denkbar, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Aber unter welchen Voraussetzungen darf eine Regierung das überhaupt? Und welche Rechte und Pflichten haben die Bürger? Prof. Dr. Dagmar Felix, Professorin für Öffentliches Recht und Sozialrecht an der Universität Hamburg, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Prof. Felix, darf man eine Stadt wirklich einfach so absperren?
Rechtsgrundlage für die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen ist das Infektionsschutzgesetz. Dessen Anwendungsbereich wurde vom Bundesministerium für Gesundheit bereits am 30. Januar 2020 auf Infektionen mit dem Coronavirus ausgedehnt.
Artikel 16 des Infektionsschutzgesetzes besagt, dass die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der übertragbaren Krankheit treffen. Zudem kann auch die jeweilige Landesregierung durch Rechtsverordnung Gebote oder Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten erlassen. Wenn es notwendig ist, eine Stadt abzusperren, wäre das vom Wortlaut der Regelungen prinzipiell gedeckt. Allerdings gilt für jedes staatliche Handeln das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme voraussetzt. Also: Einfach so absperren, das geht nicht.
Mache ich mich als Infizierter strafbar, wenn ich jemanden anstecke?
Wer eine andere Person an der Gesundheit schädigt, wird laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe bestraft. Auch die Ansteckung mit einer Krankheit stellt grundsätzlich eine solche Körperverletzung dar. Bei der Übertragung eines simplen Erkältungsvirus durch die – für sich genommen neutrale Herbeiführung – körperlicher Nähe ist aber die so genannte „Sozialadäquanz“ des Verhaltens zu berücksichtigen: es bewegt sich innerhalb der üblichen Ordnung und ist vom allgemeinen Erwartungshorizont gedeckt.
Deswegen ist die Übertragung des Erkältungsvirus nicht strafbar, während die Ansteckung mit einer schweren Infektionskrankheit – hier wird im Strafrecht insbesondere über die Infektion mit HIV diskutiert – zur Strafbarkeit führen kann. Wo zwischen diesen beiden Extremen die Rechtsprechung eine Ansteckung mit dem neuen Coronavirus ansiedeln würde, bleibt abzuwarten. Jedenfalls müsste aber ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln vorliegen.
Können die zuständigen Behörden jemanden zur Quarantäne verpflichten?
Unter Quarantäne versteht das Infektionsschutzgesetz zunächst die Absonderung in einem Krankenhaus. Wird Quarantäne jedoch als das Gebot an eine Person verstanden, den Ort, an dem sie sich befindet, nicht zu verlassen, kann die zuständige Behörde auch dies laut § 28 des Infektionsschutzgesetzes anordnen – vorausgesetzt natürlich, die Person ist krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig.
Kann jemand bestraft werden, der Quarantäneauflagen ignoriert?
Ja. Das Infektionsschutzgesetz enthält Bußgeld- und Strafvorschriften. Ignoriert jemand beispielsweise die Anordnung einer Behörde, die Wohnung nicht zu verlassen, stellt das eine Straftat dar, die mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft wird. Wer durch eine Missachtung einer solchen Anordnung das Virus tatsächlich verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Ist es möglich, Reisen oder Einreisen zu verbieten?
Aufgrund der Generalklauseln im Infektionsschutzgesetz sollte auch das möglich sein. Allerdings ist auch hier immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Es wird empfohlen, mich bei den Gesundheitsbehörden zu melden, falls ich möglicherweise Corona habe. Bin ich auch dazu verpflichtet?
Zur Meldung verpflichtet sind laut Infektionsschutzgesetz vor allem Ärzte und medizinisches Fachpersonal, nicht aber die möglicherweise Erkrankten selbst. Man muss sich also bei einem Verdacht nicht melden, sollte das aber schon aus eigenem Interesse und zum Schutz seines sozialen Umfeldes tun.
Habe ich ein Recht auf Homeoffice?
Ein Recht auf Homeoffice besteht nicht. Grundlage hierfür sind im Betrieb geltende Regelungen, beispielsweise festgelegt in einer Betriebsvereinbarung oder im Tarifvertrag. Im Zweifel sollte man immer den Kontakt mit dem Vorgesetzten suchen.
Und könnte ich den geschäftlichen Besuch von Großveranstaltungen ablehnen?
Die bloße Befürchtung einer Ansteckung reicht nicht, um die Teilnahme an Großveranstaltungen zu verweigern. Laut Bundesgesetzbuch kann die Erbringung der Arbeitsleistung nur verweigert werden, wenn sie dem Arbeitnehmer auch unter Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Dafür müsste eine erhebliche objektive Gefahr bestehen oder zumindest ein ernsthaft begründeter Verdacht einer Gefährdung. Insoweit gilt es also, die tatsächliche Entwicklung im Auge zu behalten.