Wider die Kommerzialisierung„Community Owned Sports Clubs“ und DemokratiebildungTitel, Thesen, Promotionen
17. Juli 2023, von Markus Friederici
Foto: privat
Sportvereine können ein wichtiger Ort für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sein. Fabian Fritz aus dem Arbeitsbereich Sozialpädagogik untersucht in seiner Promotion englische Fußballvereine, die demokratisch organisiert sind, und erforscht, wie dort Demokratiebildung umgesetzt wird. Das Interview ist Teil der Reihe „Junge Forschung“ der Fakultät für Erziehungswissenschaft.
Worum geht es in Ihrer Arbeit?
In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit einem sehr spezifischen Typus englischer Sportvereine und ihrem Potenzial zur Demokratiebildung für Kinder und Jugendliche.
Dafür habe ich mir acht sogenannte „Community Owned Sports Clubs“ (COSCs) und ihre Kinder- und Jugendarbeit angeschaut. COSCs sind Fußball-Vereine, die wegen ausufernder Kommerzialisierung von ihren Fans (neu)gegründet wurden – so haben zum Beispiel ehemalige Fans vom „Manchester United FC“ ihren eigenen Verein gegründet: den „FC United of Manchester“.
Diese ca. 50 Fußballvereine in England werden im Gegensatz zu den anderen Fußballvereinen demokratisch geführt, orientieren sich stark am deutschen Vereinswesen und haben zahlreiche Kinder und Jugendliche als Mitglieder. Während meines Aufenthaltes im United Kingdom konnte ich bei acht Vereinen sowohl Fachkräfte als auch Kinder und Jugendliche selbst zu ihrer demokratischen Partizipation befragen und habe untersucht, wie sie dabei Demokratie einüben können. Kurz gesagt: Ich habe mir Demokratiebildung durch demokratische Praxis angeschaut.
Welche Ergebnisse haben Sie erhalten?
Diese Sportvereine bringen im Gegensatz zu den privat als Wirtschaftsunternehmen geführten Vereinen hohes Potenzial zur Demokratiebildung mit. Allerdings variiert dies je nach Rolle der Kinder und Jugendlichen im Verein.
Während Leistungssportlerinnen und -sportler kaum und Breitensportlerinnen bzw. -sportler wenig mitbestimmen können, sind junge Fan-Mitglieder oft gut in die Vereinsdemokratie eingebunden.
Allerdings fällt es diesen Vereinen oft auch schwer, Verantwortung an junge Menschen abzugeben. Denn interessanterweise richten die Vereine sich mit ihren Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit gar nicht so umfassend an die eigenen Mitglieder, sondern adressieren sogenannte „benachteiligte“ Jugendliche außerhalb der Vereine. Diese werden eher aufgrund der ihnen zugeschrieben Defizite angesprochen und daher wird ihnen wenig bis keine Mitbestimmung zugesprochen, weil man diese ihnen nicht zutraut. So wichtig diese Angebote, beispielsweise Hausaufgabenhilfe oder Straßenfußball, auch sind – die Vereine nutzen somit ihr Potenzial zur Demokratiebildung nicht umfassend.
Welche Relevanz haben Ihre Ergebnisse für konkrete Praxisfelder?
Da ich partizipativ geforscht habe, konnten die Vereine ihre Fragestellungen von Anfang an einbringen. Somit konnten sie am Ende auch selbst mit dem gemeinsam erhobenen Material weiterarbeiten.
Konkret heißt das, dass es nach meinen Interviews eine Validierung der Ergebnisse mit den gleichen Interviewpartnerinnen und -partnern gab. Dabei wurde deutlich, dass meine Arbeit in einigen Vereinen eine Demokratisierung der Kinder- und Jugendarbeit angestoßen hat. Leider kam die Corona-Pandemie dazwischen, sodass es nicht gelang mit allen Vereinen weiterzuarbeiten. Allerdings wurden wichtige Prozesse in Gang gebracht.
Gibt es eine Quintessenz Ihrer Arbeit?
Am Ende stehen diese Vereine für eine Demokratisierung des durchkommerzialisierten (Profi-)Fußballs und geben Hoffnung, dass eine Zähmung des Kapitalismus durch demokratische Vereine möglich ist. Gerade, dass diese Vereine eng mit ihrer Nachbarschaft und ihren Communities verknüpft sind, unterstreicht, wie wichtig kommunale Settings für die Demokratie sind.
Allerdings wurde auch deutlich, wie schwierig es diese Vereine haben, ihre Utopie im sonst weitestgehend kommerziellen Umfeld der anderen Vereine aufrecht zu erhalten. Schlussendlich habe sogar während meiner Erhebung einige der Clubs ihre Vereinsdemokratie zugunsten eines Verkaufs an Investoren aufgegeben.
Zur Person
Fabian Fritz promoviert im Arbeitsbereich Sozialpädagogik der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Daneben ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, Lehrbeauftragter an der HAW Hamburg und Jugendbildungsreferent beim Museum für den FC St. Pauli. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Demokratiebildung, Kinder- und Jugendarbeit sowie Sportvereine.
Reihe „Junge Forschung“ der EW-Fakultät
Woran arbeiten eigentlich junge Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler? Und wo können sie aus ihrer Forschungsarbeit interessante Impulse für die Praxis einbringen? In der Reihe „Junge Forschung“ stellt die Fakultät junge Forschende und ihre Arbeit vor – und zwar im Interview mit dem Leiter der Graduiertenschule, Dr. Markus Friederici.