UHH Newsletter

April 2010, Nr. 13

INTERVIEW

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Die Kanzlerin der Universität Hamburg Dr. Katrin Vernau, Foto: Jasmin Marla Dichant



Kontakt:

Dr. Katrin Vernau
Kanzlerin der Universität Hamburg

Moorweidenstraße 18
20148 Hamburg

t. 040-42838-4423/4404
e. kanzlerin-at-verw.uni-hamburg.de

Probleme mit dem Rechnungswesen – Interview mit der Kanzlerin Dr. Katrin Vernau

In den vergangenen Wochen war in den Tageszeitungen wiederholt vom „Verwaltungschaos“ an der Universität die Rede – genannt wurden dabei Probleme in der Buchhaltung wie Buchungsstaus, mangelnder Einblick der Fakultäten in die Finanzen, die in Folge der Umstellung auf das rein kaufmännische Rechnungswesen aufgetreten seien. Zu den Vorwürfen nahm die Kanzlerin der Universität Dr. Katrin Vernau Stellung.
Frau Vernau, wie haben Sie die Diskussion in der Öffentlichkeit um Buchungsstaus an der Universität und Probleme bei der Umsetzung des neuen Rechnungswesens wahrgenommen? Geht es hier um berechtigte Kritik?

Tatsächlich hatten wir sowohl Anfang 2009 als auch Anfang dieses Jahres einen Buchungsstau. Insofern ist die Kritik berechtigt – wenn man hier auch differenzieren muss.

In der zentralen Buchhaltung in Stellingen waren aus unterschiedlichen Gründen, nicht zuletzt aufgrund der Doppelbelastung durch die Einführung der Doppik, mehrere tausend Rechnungen aufgelaufen. Diese Zahlen klingen immer sehr beeindruckend. Man muss allerdings wissen, dass pro Tag in Stellingen zwischen 300 und 500 Rechnungen eingehen und wir pro Jahr 80.000 Rechnungen buchen. Ein Stau ist also schnell entstanden und mittlerweile auch schon wieder behoben.

Außerdem muss man wissen, dass bei rund 14% aller in Stellingen eingehenden Rechnungen bereits mehr als 25 Tage seit Rechnungsdatum vergangen sind, bei 13% der Rechnungen sind es zwischen 14 und 25 Tagen. Dieses deutet auf ein klares Prozessproblem im Umlauf der Rechnungen innerhalb der Fakultäten hin, welches wir in den Griff kriegen müssen.

Auch kann ich die Kritik von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. Budgetverantwortlichen nachvollziehen, die die unzureichende oder derzeit noch nicht ausreichend übersichtlich aufbereitete Information in den Berichten über die ihnen zugewiesenen, die bereits verbrauchten sowie die noch verfügbaren Ressourcen bemängeln.

Auch nicht von der Hand zu weisen ist die Kritik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rechnungswesen, die sich beschweren wegen der nicht ausreichend vorbereiteten Umstellung auf ein neues SAP-System, der teilweise unzureichenden IT-Performanz sowie wegen erheblicher Mehrbelastung durch das Umstellungsprojekt bei zugleich nicht besetzten Stellen im Finanz- und Rechnungswesen.

Allerdings habe ich teilweise auch den Eindruck, dass bei den Diskussionen über die Umstellung unseres Rechnungswesens zum 1.1.2009 alles mit allem vermischt wird und die seit der Fakultätenbildung nicht bewältigten organisatorischen Herausforderungen und internen Reibereien unter dem Reizwort „SAP“ bearbeitet werden.

Anstoß der Kritik war ja der Jahresbericht des Rechnungshofes von 2010, der sehr deutlich die Finger auf bestehende Mängel legt. Wie schätzen Sie den Bericht des Rechnungshofes ein?

Für die Berichte des Rechnungshofs zum Stand des Rechnungswesens an der UHH bin ich regelrecht dankbar, weil der Rechnungshof mit großer Fachkompetenz, Detailkenntnis und Sachlichkeit die vorhandenen Probleme und deren Ursachen beim Namen nennt.

Ich stimme in meiner Bewertung der Situation weitgehend mit dem Rechnungshof überein. Unsere größten Probleme seit der Umstellung unseres Rechnungswesens zum 1.1.2009 im Rahmen des seitens des Hamburger Senats beschlossenen und seitens der BWF gesamtverantwortlich geleiteten Projekts Ressourcensteuerung Doppik@UHH liegen in einer unzureichenden Vorbereitung der Umstellung, nicht ausgereiften Fachkonzepten und einer mangelnden Berücksichtigung von Anforderungen der Universität Hamburg bei der Konzeption des neuen Rechnungswesens. Weiterhin sehe ich, wie der Rechnungshof auch, erhebliche Probleme im Gesamtprojektmanagement der BWF.

Im Bericht heißt es, dass die Universität in den ersten Monaten 2009 keinen Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse hatte. Grund sei die mit Mängeln behaftete Einführung des neuen Rechnungswesens. Könnten Sie skizzieren, worin die Probleme im Wesentlichen bestanden?

Dass die UHH keinen Überblick über ihre Finanzen hatte, kann man so nicht sagen. Die UHH hat im Bereich des Rechnungswesens in den vergangenen drei Jahren und damit seit dem Erscheinen des Rechnungshofsberichts 2006, in dem das Fehlen von Jahresabschlüssen seit dem Jahr 2001 festgestellt worden war, vieles erreicht, was dazu geführt hat, dass der Überblick über die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage heute deutlich besser ist, als es noch vor drei Jahren der Fall war:

Es wurden insgesamt 18 Jahresabschlüsse in jeweils kaufmännischer und kameraler Form für die UHH der Jahre 2003–2008 sowie für die ehemalige Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) der Jahre 2003–2005 erstellt. Weiterhin wurden für die universitären Tochtergesellschaften Universität Hamburg Marketing GmbH (UHHMG) und das International Center for Graduate Studies (ICGS) insgesamt 13 testierte Jahresabschlüsse erstellt (UHHMG: 2004–2008; ICGS: 2001–2008). Wir haben also viel Versäumtes aus den Jahren zuvor aufgearbeitet.

Der Jahresabschluss der Universität für 2009 wird derzeit erarbeitet und für Ende April erwartet. Die Universität wäre damit das erste Mal seit fast einer Dekade wieder mit ihrer finanziellen Rechenschaftslegung im Zeitplan.

Insofern ist der Überblick über die finanziellen Verhältnisse heute besser als in den vergangenen zehn Jahren. Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass durch die nicht vollständigen Stammdaten in den ersten Monaten 2009 Buchungen nicht korrekt zugeordnet werden konnten und dass es zahlreiche Fehlermeldungen bei der kostenrechnerischen Zuordnung von Personalkosten gegeben hat.

Die für einen Jahresabschluss relevanten Korrekturbuchungen sind in der Zwischenzeit weitgehend erfolgt. Sonstige Korrekturen, die den Budgetverantwortlichen bei der Durchsicht ihrer Berichte auffallen, können noch bis Ende Juni 2010 berichtigt werden.

Inwiefern haben die Fakultäten Recht, wenn sie Angst haben, mangels ausreichenden Einblicks in die Finanzen ihre Etats zu überziehen?

Die Fakultätsverwaltungen hatten und haben zu jedem Zeitpunkt Einblick ins SAP-System und können hier jede einzelne Buchung anzeigen lassen. Zudem wissen die Fakultäten, wie viel Budget ihnen für 2009 und 2010 aus den verschiedenen Finanzierungsquellen zum eigenverantwortlichen Verbrauch zur Verfügung steht. Insofern sollte es eigentlich keinen Grund geben, das Budget auf Fakultätsebene zu überziehen.

Haben andere Hochschulen in Hamburg mit ähnlichen Hindernissen zu kämpfen? Wieso sind die Probleme an der UHH so viel gravierender?


Das neue SAP-System wurde, bevor es zum 1.1.2009 an allen Hamburger Hochschulen und damit auch der Universität Hamburg eingeführt wurde, bereits an anderen Hamburger Hochschulen, z.B. der HCU, der HfbK und der HAW, erprobt.

Aus meiner Sicht war es zwar gut, dass wir nicht noch früher umstellen mussten und die pilotierenden Hochschulen uns sicherlich einige „Kinderkrankheiten“ erspart haben.

Zugleich ist aber die Universität Hamburg in ihrer Größe und vor allem auch in der Komplexität der abzubildenden Geschäftsvorfälle in keiner Weise mit irgendeiner anderen Hamburger Hochschule zu vergleichen. Insofern sind viele konzeptionelle Fragestellungen, wie z.B. die Abbildung der Vielzahl der einzelnen aus Studiengebühren finanzierten Maßnahmen oder die Abbildung eines SFB oder eines Exzellenzclusters erst bei der Einführung des SAP-Systems an der UHH überhaupt aufgetaucht und mussten dann ad hoc im laufenden Betrieb gelöst werden.

Ich hatte ehrlich gesagt erwartet, dass die Fachkonzepte auch aufgrund der Vorerfahrungen mit dem SAP-System Hoch 7, welches die Hamburger Hochschulen 2003 in eigener Initiative, aber mit derselben Projektleitung wie das jetzige System eingeführt hatten, deutlich ausgereifter sein würden, als sie es dann tatsächlich waren. Wir haben im Projektverlauf immer wieder erlebt, dass wir konkrete Einzelfragen an die Fachliche Leitstelle herangetragen haben, die sich so bislang offenbar in den anderen Hamburger Hochschulen nicht gestellt hatten, für die es somit auch noch keine Lösung gab.

Außerdem hatte die Universität im Rechnungswesen aufgrund der seit 2001 ausstehenden Jahresabschlüsse und den damit verbundenen Aufräumarbeiten, aufgrund von Personalrekrutierungsschwierigkeiten (allein in Abteilung 7 haben wir seit Anfang 2007 knapp vierzig Stellenausschreibungsverfahren durchgeführt!) sowie aufgrund der parallel laufenden Reformprozesse, wie z.B. die Fakultätenbildung, die STINE-Einführung …, eine ganz besonders schwierige Ausgangslage.

Die Projektleitung hat die Behörde für Wissenschaft und Forschung. Was wünschen Sie sich von den Verantwortlichen?

Wenn die Behörde, wie dieses in den letzten Pressemitteilungen zum Thema SAP geschehen ist, darauf hinweist, die Probleme an der Universität hätten ihre Ursache nur darin, dass die Anordnungen der BWF nicht rechtzeitig und vollständig umgesetzt worden seien, so macht sie es sich aus meiner Sicht sehr einfach.

Während in anderen Bundesländern seitens der Ministerien nur bestimmte Anforderungen an die Rechenschaftslegung der Hochschulen formuliert werden, den Hochschulen aber die konkrete Ausgestaltung ihres Rechnungswesens selbst im Rahmen der Hochschulautonomie überlassen wird, hat sich die BWF entschieden, hier selbst die Projektleitung und die Gesamtverantwortung für das Rechnungswesen aller Hamburger Hochschulen zu übernehmen. Aus dieser selbst gewählten Rolle kommt die BWF nicht mehr heraus und alle Hamburger Hochschulen sitzen mit der BWF in einem Boot, welches nur gemeinschaftlich auf Erfolgskurs getrimmt werden kann.

Ich wünsche mir seit zwei Jahren ein offenes Ohr für Anforderungen der Universität, und damit meine ich insbesondere die Anforderungen der Wissenschaft an ihre finanzielle Steuerung. Es kann nicht sein, dass die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erst einen Buchhaltungskurs absolvieren müssen, um zu verstehen, wie viel Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen.

Ich wünsche mir weiterhin – und das formuliere ich ebenfalls seit zwei Jahren – eine stärker interaktive, gemeinschaftliche Herangehensweise an die Lösung konkreter Einzelfragen. Das fängt damit an, dass das Beratungsunternehmen der BWF nicht bereit war, vor Ort in der Universität und gemeinsam mit den Fachleuten aus der Universität die Fachkonzepte weiterzuentwickeln, weswegen die Universität ein eigenes Beratungsprojekt beauftragt hat. Das geht damit weiter, dass die BWF in dem Moment, wo die Universität eigene Vorstellungen entwickelt, z.B. zum Thema Verrechnungskonzept, plötzlich Standards auf uns „herabregnen“ lässt.

Weiterhin wünsche ich mir, dass wir endlich eine Service-Vereinbarung zwischen Universität und der uns betreuenden Fachlichen Leitstelle in der BWF schließen, um die auf beiden Seiten vorhandenen Rechte und Pflichten beim Systembetrieb eindeutig zu klären und vom „Schwarzen-Peter-Spiel“ zu einer klaren Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu kommen.

WIPR und TVPR haben sich ja mittlerweile mit einem eigenen Schreiben an die Kostenstellen- und Drittmittel-Verantwortlichen gewandt und eine zusätzliche Buchführung zur eigenen Kontrolle und Übersicht empfohlen. Was halten Sie von diesem Vorstoß?

Es spricht nichts dagegen, wenn die Budgetverantwortlichen sich Aufzeichnungen machen, um die aus dem SAP-generierten Berichte stichprobenartig auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Nur durch die Mithilfe der Budgetverantwortlichen können wir die Datenqualität so verbessern, dass die Berichte auch tatsächlich von Nutzen sind. Beispiel: Wenn ein Drittmittelprojektleiter feststellt, dass auf seinem Drittmittelprojekt Personalkosten von Mitarbeitern belastet werden, die nicht für dieses Projekt arbeiten, dann sollte er umgehend eine Korrektur veranlassen – ansonsten laufen die Personalkosten auch im nächsten Monat wieder falsch auf! Wir sind deshalb sehr daran interessiert, von allen Beteiligten kontinuierlich Rückmeldung erhalten, das hilft uns wirklich sehr.

Eine wirklich vollständige „Nebenbuchhaltung“ etwa in Excel wird hingegen nicht erforderlich sein, weil letztlich die Zahlen im System, z. B. für die Geldgeber, relevant sind – und nicht die, die in einer Nebenbuchhaltung vorliegen. Die Fakultätsverwaltungen haben zudem nicht die Kapazität, jeweils beim Abgleich von zig verschiedenen „individuellen Nebenbuchhaltungen“ und der SAP-Buchhaltung behilflich zu sein.

Wie viele Extrastunden sind bis dahin Ihrer Einschätzung nach für die Umstellung auf das neue SAP-System aufgewendet worden? Wer wird das zahlen?

Seit Projektbeginn Mitte 2008 bis Ende 2009 wurden durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanz- und Rechnungswesens allein rund 10.000 Personentage geleistet, zusätzlich zum normalen Tagesgeschäft. Diese Kosten müssen wir selbst tragen.

Das Projekt in Summe hat bis Ende 2009 rund 6,4 Mio. EUR gekostet und damit jetzt schon rund das Dreifache des durch die BWF geschätzten Betrages von 2,1 Mio. EUR (Bürgerschaftsdrucksache 18/6008 vom 27.03.2007, Anm. d. Red.). Zudem war die BWF davon ausgegangen, dass die Projektkosten „mittel- und langfristig durch Einsparungen ‚überkompensiert‘“ würden.

Mir ist bis heute weder nachvollziehbar, wie die ursprüngliche Projektkalkulation zustande gekommen ist, noch woher die genannten Einsparungen kommen sollen.

Zudem sind der Universität von der BWF rund 2 Mio. EUR vom Budget abgezogen worden, für Leistungen der durch die BWF beauftragten Beratungsfirma, die sich für uns nur bedingt nachvollziehen lassen. Hier sind wir in Gesprächen mit der BWF bemüht, die Leistung des Beratungsunternehmens transparent zu machen bzw. das Budget, das uns abgezogen wurde, zurückzufordern.

Gibt es ein Zieldatum, bis alles funktionieren soll?

AAbgesehen von dem Themenkomplex Beschaffung habe ich mir das Ziel gesetzt, gemeinsam mit den Beschäftigten im Finanz- und Rechnungswesen und den Fakultätsgeschäftsführern und -geschäftsführerinnen bis Ende dieses Jahres die Umstellung des Rechnungswesens so weit bewältigt zu haben, dass die Prozesse rund laufen, die Berichte den Anforderungen entsprechen und die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen über dieses Thema nicht mehr sprechen müssen.

Mit welchen Schritten können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni als Nächstes rechnen?

Die Arbeitsschwerpunkte werden in diesem Jahr auf einer Verbesserung des Berichtswesens, einer Überprüfung und kontinuierlichen Verbesserung unserer Prozesse im Finanz- und Rechnungswesen, auf Qualifizierung der Beschäftigten sowie auf den Themenkomplexen Drittmittelmanagement und Beschaffung liegen.

Auf Anregung des Personalrats haben der Präsident und ich zudem am 23. April 2010 zu einem Gespräch mit Vertretern und Vertreterinnen aus allen Fakultäten eingeladen, um die konkret im Arbeitsalltag bestehenden Probleme der Wissenschaftler aufzunehmen, zu systematisieren und einer Lösung zuzuführen. Zudem wird es ein weiteres Gespräch des Präsidiums mit der Leitung der BWF geben, um Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit von Universität und BWF sowie auf der Ebene der BWF zu lösende Fragen anzusprechen.

Weiterhin hat die Abteilung Finanz- und Rechnungswesen der Präsidialverwaltung allen Dekanaten Termine zur Erläuterung der Finanzberichte angeboten, um so allfällige Fragen zu klären. Die jeweiligen Fakultätsverwaltungen stehen zusätzlich für Fragen aus den Fakultäten zur Verfügung.

Darüber hinaus werden wir weiterhin alles tun, bestehende oder neu auftauchende Probleme so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen!

Frau Vernau, wir danken für das Gespräch.


Weitere Informationen:

Jahresbericht des Rechnungshofs 2010 (PDF), Tz. 70-93


Das Gespräch führten Birgit Kruse und Giselind Werner.
 
 
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