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April 2015, Nr. 73

INTERVIEW



Kontakt:

Prof. Dr. Wolfgang Maennig
Fachbereich Volkswirtschaftslehre

t. 040.42838-4622
e. wolfgang.maennig"AT"wiso.uni-hamburg.de
w. www.uni-hamburg.de/economicpolicy

Prof. Dr. Wolfgang Maennig gewann Gold im Ruder-Achter bei den Olympischen Spielen 1988. Foto: privat

Prof. Dr. Wolfgang Maennig gewann Gold im Ruder-Achter bei den Olympischen Spielen 1988. Foto: privat

Olympia in Deutschland? „Wir sind einfach dran“: Interview mit VWL-Professor Wolfgang Maennig

Hamburg ist den Olympischen Spielen ein Stück näher gekommen. Wie die Chancen stehen, die Spiele tatsächlich in die Hansestadt zu bekommen, und mit welchen finanziellen Risiken in dem Fall zu rechnen ist, erklärt Wolfgang Maennig im Interview. Der Professor für Volkswirtschaftslehre hat 1988 in Seoul Olympia-Gold im Ruder-Achter geholt.

Herr Maennig, einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist „Sportökonomik“. Wie groß ist der ökonomische Effekt von Olympischen Spielen für die ausrichtende Stadt?

Von großer Bedeutung können vor allem ökonomische Effekte im weiteren Sinn sein: Zum Beispiel war bei der WM 2006 der „Feelgood-Effekt“ der stärkste, in Zahlen messbare wirtschaftliche Effekt. Bei den weiteren wichtigen Effekten wie Integration und „Nation Building“ sind wir erst am Anfang, diese in Euro auszudrücken. Bei einer Reihe von Olympia-Städten war es auch möglich, die Infrastruktur – zum erheblichen Teil zulasten der nationalen Haushalte – deutlich zu verbessern: ein weiterer positiver Nebeneffekt. Dass Olympische Spiele als Konjunktur- oder Wachstumsmotor taugen, dafür sind allerdings bislang keine statistischen Beweise gefunden worden.

Welche Olympia-Städte haben besonders von den Olympischen Spielen profitiert?

München 1972 und Barcelona 1992 haben ihre Stadtentwicklung nach allgemeinem Empfinden um mindestens eine Dekade beschleunigen können. Auch London gilt als sehr positives Beispiel, weil das Ostend einen Entwicklungsschub erreicht hat. Möglich war dies, weil zusätzliche öffentliche Mittel aus dem Austragungsland in die Stadt flossen und weil der fixe Zeitpunkt der Eröffnungsfeier manche Prozesse beschleunigte.

Gibt es auch Beispiele, bei denen die Spiele für die ausrichtende Stadt eine besondere finanzielle Belastung waren?

In Montreal 1976 verzehnfachten sich die Baukosten gegenüber den ursprünglichen Planungen. Die daraus entstandenen Schulden der Stadt wurden erst vor wenigen Jahren getilgt.

Sie haben Gutachten zur Finanzierung von Sportgroßereignissen, unter anderem von den deutschen Olympiabewerbungen Berlin 2000, Hamburg und Leipzig 2012 sowie München 2018 erstellt. Welche Kosten für Olympische Spiele sind besonders schwer zu kalkulieren?

Die Organisationskosten sind gut kalkulierbar, weil es hier viele Erfahrungen gibt. Schwieriger ist die Kalkulation der Kosten für die Olympischen Sportstätten, die Olympischen Dörfer und die eventuell notwendige Infrastruktur. Jede Stadt hat eine andere Anfangsausstattung und andere Ambitionen. Es gibt die Fälle von Los Angeles 1984 und Atlanta 1996, die ohne öffentliche Gelder auskamen, weil sie die Studentenwohnungen der Unis und vorhandene Sportstätten nutzen konnten – und den Rest der Strukturen temporär bauten. Bei angemessener Planung, Kalkulation und gutem Management sollten sich Kostenexplosionen vermeiden lassen. Aber oft werden aus politischen Gründen die Kosten erst zu niedrig angesetzt. Und in einem späteren Stadium nutzen die Bauausführenden den Zeitdruck der Olympia-Manager gerne für Kostenerhöhungen aus. Da die Gehälter der Olympia-Manager bislang unabhängig vom finanziellen Ergebnis waren, gab es dort auch keinen hinreichenden Widerstand.

Hamburg setzt in seinem Konzept auf die nachhaltige Nutzung aller Sport- und Wohnstätten. Glauben Sie, dass sich die Kosten so im Rahmen halten können?

Ja, das geht, wenn man es geschickt macht. Aber alle Konzepte, die nun auf Nachhaltigkeit hin entwickelt werden, haben eine Frage zu beantworten: Wenn die Projekte nachhaltig sind – warum hat Hamburg sie nicht längst gebaut? Viele der „nachhaltig“ geplanten Bauten der letzten Olympischen Spiele stehen heute leer. Ein harter, aber guter Test wäre, ob private Investoren bereit sind, die Sport- und Wohnstätten zu bauen.

Falls die Hamburger Bevölkerung im Herbst einer Bewerbung zustimmt, wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen für Olympische Spiele in Hamburg 2024 oder 2028?

Hamburg hat exzellente Chancen. Nach unseren Berechnungen ist Hamburg sogar mit großem Vorsprung Top-Favorit, wenn Istanbul nicht antritt. Dafür gibt es viele Gründe: angefangen bei der relativ stabilen wirtschaftlichen und politischen Situation bis hin zu den vielfältigen Erfahrungen mit der gelungenen Austragung von Weltmeisterschaften in Deutschland. Und letztlich: Deutschland hat 1972 zum letzten Mal Olympische Spiele gehabt. Wir sind einfach dran.

Sie selber haben bei den Olympischen Spielen in Seoul Gold im Ruder-Achter gewonnen und bis zur Ihrem sportlichen Karriereende 1988 an vielen internationalen Wettkämpfen teilgenommen. Was bedeutet es für Athletinnen und Athleten, an Olympischen Spielen im eigenen Land teilzunehmen?

Es gibt einen Heimvorteil, der empirisch gut nachgewiesen ist: bis zu 30 Prozent größere Medaillenchancen. Die heimischen Athleten erleben eine einmalige Zuschauerunterstützung, haben aber auch eine besondere Verantwortung für Fairness zum Beispiel, weil sie das Gastgeberland repräsentieren. Langfristig werden die heimischen Athleten eine besonders enge Bindung an den Ort ihres athletischen Höhepunktes halten können. Ich hingegen war leider nie wieder in Südkorea.

Sind Sie als Sportler und Ökonom persönlich für oder gegen Olympia in Hamburg?

Ich bin ganz klar dafür, in beiden Funktionen – eine einmalige Chance für Hamburg. Aber meine Zustimmung mag angesichts meiner Vita nicht verwundern. Wichtiger ist, wie die Menschen in Hamburg denken. Sie sind nach den Umfragen begeistert; wir werden das Konzept so fahren müssen, dass diese Begeisterung bleibt und weiter wächst.

Das Interview führte Anna Lena Bärthel.
 

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