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Mai 2016, Nr. 85

INTERVIEW



Kontakt:

Dr. Kamil Marcinkiewicz
Politikwissenschaft, insb. Methoden der Politikwissenschaft
Institut für Politikwissenschaft

t. 040.42838-6186
e. kamil.marcinkiewicz"AT"wiso.uni-hamburg.de

Dr. Kamil Marcinkiewicz forscht zu Wahlen und Wahlsystemen. Foto: UHH/Sukhina

Dr. Kamil Marcinkiewicz forscht zu Wahlen und Wahlsystemen. Foto: UHH/Sukhina

Warum kommt es in Europa zum aktuellen Rechtsruck, Herr Marcinkiewicz?

Zuletzt hat die Bundespräsidentenwahl in Österreich wieder gezeigt, dass in Europa rechtspopulistische Parteien erstarken. Wir wollen mehr über die Hintergründe erfahren und haben daher den Politikwissenschaftler Dr. Kamil Marcinkiewicz befragt.

Herr Marcinkiewicz, kann man tatsächlich von einem Rechtsruck in Europa sprechen?

Ja, und zwar nicht nur in Europa, sondern allgemein in vielen westlichen Demokratien. In den letzten Monaten konnten wir eine beeindruckende Erfolgswelle der rechtspopulistischen bzw. sogar der rechtsextremen Parteien und Kandidaten beobachten.

Im Oktober 2015 gewann die rechtspopulistische Partei „Recht und Gerechtigkeit“ die absolute Mehrheit der Sitze im polnischen Sejm. Beim ersten Wahlgang der französischen Regionalwahlen im Dezember wurde die „Front National“ die stärkste Partei. Im März 2016 zog die rechtsextreme „Volkspartei Unsere Slowakei“ neben anderen rechten und euroskeptischen Gruppierungen in den Slowakischen Nationalrat ein. In Deutschland konnte die AfD Erfolge bei den Landtagswahlen in drei Ländern feiern und wurde sogar die zweitstärkste Kraft in Sachsen-Anhalt. Schließlich muss man in diesem Zusammenhang auch auf den Siegeszug des rechtspopulistischen Kandidaten Trump in den amerikanischen Vorwahlen hinweisen.

Was ist Ihrer Meinung nach der Auslöser für diese Rechtsbewegung?

Die Erfolge der Rechtspopulisten sind in erster Linie durch Unzufriedenheit mit den bisher regierenden politischen Eliten zu erklären. Die anhaltende Wirtschaftskrise spielt dabei selbstverständlich auch eine wichtige Rolle. Den Rückgang des Vertrauens in Parteien und allgemein in politische Eliten beobachten wir aber unabhängig von der wirtschaftlichen Lage.

Nicht zu unterschätzen sind auch Angst vor dem Terrorismus und vor den Folgen der so genannten „Flüchtlingskrise“. Das Problem besteht aber in erster Linie darin, dass die etablierten Politiker die wirtschafts- und sicherheitspolitischen Ängste vieler Menschengruppen entweder nicht wahrgenommen haben oder darauf nicht reagiert haben.

Die meisten dieser europäischen Rechtspopulisten stellen sich gegen die EU, in der Regel steht der Ruf nach einem Austritt im Mittelpunkt des Wahlprogramms. Warum stellt gerade die EU so ein Feindbild dar?

Alle rechtspopulistische Bewegungen und Kandidaten neigen stark zum Isolationismus. Die europäischen Rechtspopulisten richten sich gegen die EU, Trump kritisiert die NATO und die NAFTA.

Die Rechtspopulisten versprechen ihren Wählerinnen und Wählern die Rückkehr zu den autarken und vollkommen souveränen Nationalstaaten, die es zuletzt in den 1930er-Jahren gab. Das stimmt mit dem Wunsch vieler Bürgerinnen und Bürger nach der Regierung überein, die einen realen Einfluss auf Politik und Wirtschaft hat.

In der Europäischen Union, wie allgemein in der modernen globalisierten Welt, haben wir im Gegensatz dazu mit einer diffusen Machtstruktur zu tun. Es gibt kein einziges Machtzentrum, das im Wahlprozess zur Rechenschaft gezogen werden könnte.

Sind das vorübergehende Phänomene?

Die Erfolge der Rechtspopulisten werden solange dauern, bis die demokratischen Eliten es schaffen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder zu gewinnen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die rechtspopulistischen Parteien zum Bestandteil des politischen Spektrums werden. Der Stimmenanteil der FPÖ in Österreich ging seit 1990 nie unter 10 Prozent zurück und lag schon bei drei Parlamentswahlen in den 1990er-Jahren bei über 20 Prozent.

Was begünstigt das gute Abschneiden von Parteien des rechten Rands?

Das gute Abschneiden von rechtspopulistischen Parteien ist möglich durch die „Technokratisierung“ der Politik. Die etablierten Parteien haben sich in den letzten Jahren immer mehr als Maschinen zum Gewinnen der Wahlen und Lösung von konkreten Problemen verstanden. Sie sind immer kleiner in Mitgliederzahlen und professioneller geworden.

Sie haben versucht das „Richtige“ für die Bürgerinnen und Bürger zu machen, ohne ihre Meinung dazu hören zu wollen.

Die Rechtspopulisten bauen ihre Erfolge auf Unzufriedenheit mit dem technokratischen Diskurs der politischen Eliten, die mit den „alternativlosen“ Lösungen argumentieren. Die Wählerinnen und Wähler scheinen entschlossen zu sein, den Politikern zu zeigen, dass es immer eine Alternative gibt, auch wenn sie weder konstruktiv noch effizient ist.

Wie kann man wirksam dagegen steuern?

Ich meine: Die etablierten Parteien müssen sich wieder zu bestimmten Grundwerten bekennen. Sie müssen die Leute für Ideen begeistern, anstatt sich nur durch Leistung zu legitimieren.

Das Interview führte Giselind Werner.
 
 
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