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Mai 2016, Nr. 85

CAMPUS



Kontakt:

Dr. Felix Boor
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Fachbereich Sozialökonomie

t. 040.42838-4657
e. felix.boor"AT"wiso.uni-hamburg.de

Curiohaus-Prozess: Die Angeklagten im Gespräch mit ihren Verteidigern. Foto: Kopie KZ-Gedenkstätte Neuengamme, F 1981-0716

Curiohaus-Prozess: Die Angeklagten im Gespräch mit ihren Verteidigern. Foto: Kopie KZ-Gedenkstätte Neuengamme, F 1981-0716

Podiumsdiskussion: 70 Jahre Curiohaus-Prozess

Der Prozess gegen ehemalige Aufseher und Verantwortliche des Konzentrationslagers (KZ) Neuengamme im April 1946 war ein Meilenstein: Er führte nicht nur zur Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen, sondern prägte auch das internationale Strafrecht. Bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 19. April wurden in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften das damalige Verfahren und seine Folgen analysiert.

Bei dem Prozess, der am 18. März 1946 im Curiohaus in der Rothenbaumchaussee gegen insgesamt 14 Hauptverantwortliche des KZ Neuengamme eröffnet wurde, kamen erstmals öffentlich die im Konzentrationslager begangenen Verbrechen zur Sprache.

Die Anklage hatte 18 ehemalige Häftlinge aus sechs europäischen Ländern als Zeugen geladen, die in ihren Aussagen von den Misshandlungen, medizinischen Experimenten und grausamen Haftbedingungen berichteten. Am 3. Mai verurteilten die Richter elf der Angeklagten zum Tode, drei erhielten Haftstrafen. Es war der erste von insgesamt 35 Prozessen, die die britische Besatzungsmacht in der Sache KZ Neuengamme führte.

Historische Einordnung und aktuelle Entwicklungen

Im Rahmen des von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mitveranstalteten Podiumsgesprächs über die historische und aktuelle Bedeutung des britischen Prozesses gegen die Lagerführung des KZ Neuengamme hielt der Völkerrechtler Dr. Felix Boor von der Universität Hamburg einen Vortrag über die Bedeutung der britischen NS-Prozesse für das internationale Strafrecht.

Weiterhin sprachen der Historiker Dr. Reimer Möller und Kurt Schrimm, von 2000 bis 2015 Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Martin Doerry vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Bedeutung der Britischen Militärgerichte zwischen 1945–49

Dr. Felix Boor beleuchtete, welche Bedeutung der Curiohaus-Prozess und die folgenden Verhandlungen für das Internationale Strafrecht hatten.

„Bereits während des Krieges hatten die alliierten Mächte beschlossen, die deutschen Kriegsverbrecher durch Militärgerichte aburteilen zu lassen“, so Boor. Verbrechen, die auf deutschem Boden begangen wurden, sollten durch die Militärgerichte der jeweiligen Besatzungsmacht bzw. interalliierte Gerichte verhandelt werden.

So wurden im britischen Besatzungsgebiet, das neben Norddeutschland auch Italien, Österreich, Norwegen und die Niederlande umfasste, auf der Grundlage des Völkerrechts zwischen 1945 und 1949 mehr als 1.000 Verfahren mit 2.700 Verurteilungen geführt. Im Gegensatz zum Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, der von allen alliierten Mächten gemeinsam gestellt wurde, waren es wie beim Curiohaus-Prozess nationale britische Gerichte.

Historische Entwicklung nach 1949

„Die Kriegsverbrecher-Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg waren in ihrem Umfang und ihrer Basis auf dem Völkerrecht eine Premiere“, erklärte Boor bei der Podiumsdiskussion. Allerdings habe der anschließende Kalte Krieg die Entwicklung internationaler Institutionen zur Verfolgung von Verstößen gegen das Völkerrecht blockiert. „Erst nach dem Ende des Kalten Krieges konzentrierte man sich wieder auf den Aufbau gemeinsamer Rechtsgrundlagen und Institutionen.“

Diese Entwicklung, die in den Prozessen nach 1945 ihren Anfang nahm, hatte schließlich unter anderem zur Folge, dass im März 2016 Radovan Karadžić, der ehemalige Präsident der Republik Srpska in Bosnien und Herzegowina vom UN-Kriegsverbrechertribunal wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 40 Jahren verurteilt wurde.

Kooperation zur Erinnerung

Die Podiumsdiskussion war eine gemeinsame Veranstaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, dem Fachschaftsrat Rechtswissenschaft sowie dem Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Landesverband Hamburg und dem Hamburgischen Richterverein e.V.

Red.
 
 
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