UHH Newsletter

November 2009, Nr. 8

CAMPUS

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Angela Grosse vom Hamburger Abendblatt moderierte die Veranstaltung, Foto: UHH/P. SchellAuf dem Podium v.l.: Gero Lücking, Vorstand Energiewirtschaft der Lichtblick AG, Dr. Oliver Weinmann, Leiter des Innovationsmanagements der Vattenfall Europe AG, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Leohold, Leiter Konzernforschung der Volkswagen AG und die Moderatorin Angela Grosse, Foto: UHH/P. SchellProf. Dr. Michael Fröba, Pro­fes­sor am In­sti­tut für An­or­ga­ni­sche und An­ge­wand­te Che­mie der Universität Hamburg, erläutert Vor- und Nachteile der Nutzung von Wasserstoff als Energieträger, links von ihm: Prof. Dr. Kornelius Nielsch, Leiter der Forschungsgruppe 'Multifunktionale Nanostrukturen' an der Universität Hamburg, Foto: UHH/P. SchellNach der Veranstaltung: Dank an alle Beteiligten, Foto: UHH/P. Schell
Die amtierende stellvertretende Universitätspräsidentin Prof. Dr. Gabriele Löschper eröffnete das fünfte Hanseatische Universitätsgespräch, Foto: UHH/P. Schell



Ansprechpartnerin:

Karen Nemes
Universität Hamburg Marketing GmbH

e. karen.nemes-at-uni-hamburg.de

„CO2-arme Energiegewinnung aus neuen Materialien“ –
Fünfte Veranstaltung der Hanseatischen Universitätsgespräche auf Einladung des Präsidiums

Ein Handy mit der eigenen Körperwärme betreiben, einen Smart mit den Abgasen eines LKW aufladen, ein Kraftwerk im eigenen Keller unterhalten – auf den ersten Blick waren es eher kuriose Dinge, die im Rahmen der Fünften Hanseatischen Universitätsgespräche unter dem Titel „CO2-arme Energiegewinnung aus neuen Materialien“ diskutiert wurden. Aber auch wenn die vorgestellten Forschungsansätze und Anwendungsbeispiele erst einmal gewöhnungsbedürftig klangen, machten sie auf den zweiten Blick umso mehr Sinn: Schließlich sind gerade innovative Lösungen erforderlich, um den drohenden Klimawandel aufzuhalten.
Thermoelektrik: Abkürzung des Energiegewinnungsprozesses

Besonders Thermoelektrik gehört zu den Erfolg versprechenden Ansätzen. Es handelt sich dabei um eine Art Abkürzung innerhalb des Energiegewinnungsprozesses, wie Kornelius Nielsch, Professor am Institut für Angewandte Physik und Koordinator des bundesweiten DFG-Schwerpunktprogramms „Nanostrukturierte Thermoelektrika“, erläuterte: Mittels neuer Materialien werde Wärme ohne den Umweg über eine mechanische Komponente direkt in Elektrizität umgewandelt.

Die Energieeffizienz dieser Materialien sei so hoch, dass das eingangs erwähnte Handy, das allein dank der eigenen Körperwärme funktioniert, keine Schnapsidee mehr bleiben müsse. Auch die Nutzung von Autoabgasen biete Potenzial für Energieeinsparung. Ein PKW benötige nur ein Drittel der Energie für den Antrieb, die anderen zwei Drittel entwichen ungenutzt als Wärme. Dabei könne der Energieverlust halbiert werden, wenn die Abgase zur Energieerzeugung genutzt würden. Auf Kurzstrecken könne man das Autoradio mit der Energie aus den eigenen Abgasen betreiben, Langstreckenfahrten würden sogar ausreichen, um ein anderes Auto zu betreiben. Nielsch erklärte: „Stellen Sie sich beispielsweise einen Smart vor, der auf dem LKW-Dach transportiert und während der Fahrt mit der Energie aus den Abgasen des LKW aufgeladen wird.“

Hoffnungsträger Wasserstoff

Auch Wasserstoff zählt zu den „Hoffnungsträgern“. Er gilt als sauberster Brennstoff, weil er ausschließlich als Wasser abgebaut wird und daher bei der Energiegewinnung überhaupt kein CO2 entsteht. Allerdings ist die Speicherung ein großes Problem, wie Michael Fröba, Professor am Institut für Anorganische und Angewandte Chemie, mit einem eindrucksvollen Beispiel illustrierte: „Mit nur vier Kilogramm Wasserstoff kann ein Auto 400 Kilometer weit fahren, aber für diese Menge würde man einen Tank von der Größe eines Fesselballons brauchen.“

Ansätze für eine platzsparende Speicherung liefere die Nanotechnologie, z.B. durch die Entwicklung nanoporöser Materialien, die das für Wasserstoff benötigte Volumen derzeit zumindest auf ein Viertel reduziere. Hier bieten auch die viel diskutierten Elektrofahrzeuge keine wirkliche Alternative, wie Prof. Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung der Volkswagen AG, darstellt: „Zurzeit besteht zwischen dem Elektroauto und einem guten Diesel noch kein nennenswerter Unterschied. Erst wenn die Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, macht ein Elektroauto wirklich Sinn.“

Und dies ist auch ein weiteres Hindernis, dass von der Forschung noch überwunden werden muss. Denn viele der neuen Materialien haben zwar verbesserte Energieeigenschaften, werden aber mehrheitlich aus Rohstoffen gewonnen, die ebenso endlich sind wie die herkömmlichen Energieträger Erdöl und Erdgas. Der jetzige Stand der Entwicklung wurde daher von allen Teilnehmern der Podiumsdiskussion lediglich als Übergangsstufe gewertet. Dr. Oliver Weinmann, Leiter des Innovationsmanagements der Vattenfall Europe AG, machte noch einmal die Komplexität des Themas deutlich:

„Wir streben bis 2050 eine vollständig CO2-freie Energieerzeugung an. Bei der Umstellung auf andere Formen der Energiegewinnung müssen wir aber sorgfältig prüfen, ob die notwendigen Rohstoffe auch dann noch ausreichen, wenn wir die Energieerzeugung in großem Stil betreiben.“

Zum Vergleich: Die bisherige Wasserstoffproduktion deckt laut Prof. Fröba lediglich vier Prozent des heutigen Energiebedarfs in Deutschland. Der Wissenschaftler hatte aber auch eine positive Perspektive im Gepäck: „Im Grunde ist genügend Energie vorhanden, die Sonne produziert in einer Stunde so viel Energie, wie die Menschheit in einem Jahr verbraucht.“

Das Kraftwerk im eigenen Keller

Der Hamburger Energieversorger LichtBlick bietet schon jetzt eine innovative Kombination von Ökostrom aus der Dose und einem „Zuhause-Kraftwerk“ im eigenen Keller. Letzteres versorgt das Haus nicht nur mit Strom, sondern auch mit Wärme. Die Energie, die herkömmlicherweise einfach als Wärme verpufft, wird für die Heizung und die Warmwasserversorgung des Hauses verwendet. „Das Kraftwerk ist so konzipiert, dass es Wärme gar nicht ungenutzt an die Umwelt abgeben kann“, erläuterte Gero Lücking, Vorstand Energiewirtschaft der LichtBlick AG, „und erreicht damit eine Energieeffizienz von 90%“.

Die Fünften Hanseatischen Universitätsgespräche boten einen sehr spannenden Abend, der nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Podiumsteilnehmer untereinander viel Neues bereithielt. Einstimmiges Fazit der Podiumsrunde: Die Industrie braucht die Grundlagenforschung ebenso wie die anwendungsorientierte Forschung, aber die Wege von der Theorie in die Praxis sind immer noch zu langwierig. Der geforderte intensivere Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wurde beim anschließenden Buffet unmittelbar aufgenommen und in vielen angeregten Gesprächen fortgesetzt.
Annika Morchner
 
 
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