UHH Newsletter

Januar 2017, Nr. 92

FORSCHUNG



Kontakt:

Dr. Juan Miguel Rodriguez Lopez
CEN
t. 040.42838-8619
e. miguel.rodriguez"AT"uni-hamburg.de

Stephanie Janssen
CliSAP/CEN Office
t. 040.42838-7596
e. stephanie.janssen"AT"uni-hamburg.de

Die Karten aus dem Südwesten von Mexico-Stadt zeigen oben links Bürgerbeschwerden (schwarz) und neue Urbanisierung (rot). Hinzu kommen die Daten aus dem Human Sensing (oben rechts) und dem Remote Sensing (unten links). Die Kombination (unten rechts) zeigt mit 99-prozentiger Sicherheit Hotspots illegaler Besiedlung (in Dunkelrot). Grafik: UHH/CEN/Rodriguez, Heider

Die Karten aus dem Südwesten von Mexico-Stadt zeigen oben links Bürgerbeschwerden (schwarz) und neue Urbanisierung (rot). Hinzu kommen die Daten aus dem Human Sensing (oben rechts) und dem Remote Sensing (unten links). Die Kombination (unten rechts) zeigt mit 99-prozentiger Sicherheit Hotspots illegaler Besiedlung (in Dunkelrot). Grafik: UHH/CEN/Rodriguez, Heider

Neue Messmethode: Illegales Wachstum von Megacities zuverlässig kartieren

Das Wachstum von Megacities wie Mexiko-Stadt ist unbeherrschbar und unüberschaubar – eigentlich. Jetzt hat Dr. Miguel Rodriguez Lopez vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg eine neue Methode entwickelt, die zum ersten Mal Daten aus der Satelliten-Fernerkundung, dem sogenannten Remote Sensing, mit sozialen Daten, dem Human Sensing, wissenschaftlich verknüpft – und dadurch das Muster illegalen Städtewachstums erkennbar macht. Die Methode wurde jetzt im Fachjournal „Applied Geography“ vorgestellt.

Dr. Rodriguez Lopez und sein Team untersuchten das illegale Wachstum von Metropolen am Beispiel von Mexico-Stadt. Menschen aus dem Umland siedeln sich in hohem Maße an den Rändern der Stadt an. Hier entstehen inoffizielle, nicht-genehmigte Wohnviertel, die Slums. Gewaltkonflikte und Fehlende Infrastruktur dominieren dort die Situation. Gleichzeitig ist fortschreitende Urbanisierung ein großer Treiber für steigende CO2-Emissionen.

Hotspots illegaler Urbanisierung identifizieren

Bisher sind Größe und Ausbreitung von Slumgebieten – ebenso wie andere illegale Landnutzungen – schwer messbar und es gibt kaum belastbare Zahlen. Diese sind jedoch Voraussetzung für soziale und städtebauliche Konzepte sowie für Klimaprognosen.

Das Team um Rodriguez Lopez verwendet eine neue Methode, um die Hotspots der illegalen Urbanisierung sicher zu identifizieren. Dabei werden zwei ganz unterschiedliche Datenbanken genutzt. Zunächst wurden Satellitenbilder der südlichen Stadtgrenze von 2009 bis 2014 mithilfe eines Geoinformationssystems (GIS) ausgewertet. Bis zu einer Auflösung von fünf Metern wurden die Areale entweder als Natur oder als besiedelt eingestuft. Mexico-Stadt grenzt im Süden direkt an große Naturschutzgebiete. Findet hier eine neue Besiedelung statt, ist sie in jedem Fall nicht genehmigt.

Zusätzlich zu den Remote-Sensing-Daten aus der Fernerkundung wurden 18.000 Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern ausgewertet, die Umweltverstöße wie illegales Siedeln in Naturschutzgebieten bei der Umweltbehörde von Mexico-Stadt zur Anzeige brachten. Diese Human-Sensing-Daten aus dem Zeitraum von 2002 bis 2013 sind bei der Behörde online einsehbar.

Leistungsfähiges Instrument mit 99-prozentiger Sicherheit

Aus beiden Datensätzen konnten die Wissenschaftler erstmals detaillierte Karten erstellen, die in Kombination noch exakter werden: Wo die Karten deckungsgleich sind (siehe Grafik), befindet sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent ein Hot-Spot nicht-genehmigte Siedlungen. Ein leistungsfähiges Instrument, mit dem sich die Neuentstehung von Slumgebieten sicher bestimmen lässt. Sogar Prognosen sind mithilfe der Human-Sensing-Daten möglich. So weisen die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern eindeutig darauf hin, wo die Stadt in Zukunft wachsen wird. Solche Informationen sind wertvoll, um präventiv Konzepte zu entwickeln.

Mit der Studie, die mit Geldern des Kompetenzzentrums Nachhaltige Universität (KNU) unterstützt wurde, zeigten die Forscherinnen und Forscher darüber hinaus, warum die Human-Sensing-Daten an einigen Stellen besonders exakt waren. Überraschenderweise war nicht nur die Menge der eingegangenen Anzeigen ausschlaggebend für die Zuverlässigkeit der Daten, sondern vielmehr die Arbeitslosenquote in den angrenzenden Stadtgebieten. Entstand ein neuer Slum neben Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit, so wurde er kaum zur Anzeige gebracht. In den potenziell reicheren Vierteln mit hoher Beschäftigung wurden dagegen viele Siedlungsdelikte angezeigt. Die neuen Nachbarn waren weniger erwünscht.

Methode weltweit übertragbar

Die neue Methode ist auf andere Megacities übertragbar und kann potenziell auch weitere Human-Sensing-Quellen nutzen, wie freiwillige Daten (VGI) aus Google oder Twitter. Beispielsweise in Asien und Afrika sind große Wanderungsbewegungen in die Städte zu erwarten, die zusätzlich zu sozialen und rechtlichen Problemen auch einen deutlichen Anstieg klimarelevanter Emissionen zur Folge haben würden. Um hier gegensteuern zu können, müssen Entscheidungsträger die Muster illegalen Städtewachstums genau kennen.

Originalartikel: Rodriguez Lopez J.M., Heider K., Scheffran J. (2017): Frontiers of Urbanization: Identifying and Explaining Urbanization Hot Spots in the South of Mexico City Using Human and Remote Sensing; Applied Geography; http://dx.doi.org/10.1016/j.apgeog.2016.12.001

Dataartikel: Rodriguez Lopez J.M., Heider K., Scheffran J. (2017). Human and remote sensing data to investigate the frontiers of urbanization in the south of Mexico City. Data in Brief. http://dx.doi.org/10.1016/j.dib.2016.12.049

PM/Red.
 
 
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