Sophie in Japan
Hey, ich bin Sophie und studiere Ethnologie und Medien- und Kommunikationswissenschaft. Ich habe
mich für ein Auslandssemester in Kyoto entschieden, weil ich in das Alltagsleben der japanischen
Kultur eintauchen möchte, um es so noch einmal von einer anderen Perspektive kennenzulernen, als
ich es von familiären Erfahrungen her kenne. Außerdem bietet die Uni Kyoto viele spannende Kurse
im Liberal Arts Bereich an, welche hoffentlich eine große Bereicherung sein werden. Ich freue mich
auf viele neue Eindrücke und Begegnungen und teile gerne meine Erlebnisse!
Ankunft
Die Planung für das Auslandssemester an der Uni Kyoto fing bereits Monate vor dem Beginn der Uni an. Ich hatte etwas weniger als drei Monate Zeit, um mich um Visum, Flug und Wohnheim in Japan zu kümmern. Dies schien anfangs etwas kurzfristig, reichte aber letztendlich völlig aus, da alles problemlos und zuverlässig ablief. Die nötigen Informationen bekam ich allesamt per E-Mail, die einzelnen Schritte waren klar und verständlich. Bei Fragen konnte ich mich sowohl an die Abteilung Internationales der Uni Hamburg sowie per E-Mail auch an die Ansprechpartner*innen der Uni Kyoto wenden. Ich bekam stets schnelle Rückmeldung.
Im März war es dann endlich soweit. Durch die besondere Covid-19 Situation war die tatsächliche Abreise etwas hektisch. Ich musste meinen Flug umbuchen, sodass ich noch vor den Visabeschränkungen einreisen konnte. Bis dahin war noch vieles unklar, zum Beispiel ob die Kurse der Uni Kyoto online oder Face-to-face stattfinden würden, und wann das Semester tatsächlich beginnen sollte. Ab April konnte ich in eines der internationalen Wohnheime der Uni Kyoto einziehen. Mit dem Wohnheim war ich super zufrieden. Es war sauber und lag in unmittelbarer Nähe zum Unicampus sowie zahlreichen Restaurants und Läden. Die Miete selbst lag bei 280€ pro Monat, dazu kamen extra 30€ für Strom, Internet und Bettwäscheverleih.
Direkt am Anfang des Semesters kaufte ich ein gebrauchtes Fahrrad für 70€, welches sich als mehr als nützlich herausstellte. Ich konnte mit dem Fahrrad alles in Kyoto erreichen, und es war sehr schön, am Kamogawa-Fluss entlangzufahren. Ansonsten kam man gut mit dem Bus herum, für 2€ pro Fahrt. Etwas wie ein Semesterticket für Studierende gab es leider nicht.
Die Uni Kyoto
Es fand remote learning statt, d.h. die Kurse wurden allesamt online, meist über Zoom angeboten. Ich konnte aber dennoch fast alle Kurse belegen, die ich vorher für das Learning Agreement ausgesucht hatte. Die Auswahl der Kurse, die auf Englisch angeboten wurden, war in der Uni Kyoto im Vergleich zu anderen japanischen Universitäten sehr groß, vor allem im Liberal Arts-Bereich, weswegen ich an sehr vielen Kursen Interesse fand und mehr belegen wollte als ich letztendlich konnte.
Für KUINEP-Studierende (wenn man nicht durch einen Fakultätsaustausch kommt, ist man Teil des KUINEP-Programms) war das Minimum der zu belegenden Kurse 7. Ich belegte 5 Liberal Arts Kurse und zwei Japanisch-Sprachkurse, einer davon ein Intensivkurs der als 2 Kurse zählte. Für die Japanisch-Sprachkurse nahm man vor Kursbeginn an einem Online-Einstufungstest teil, durch den man das eigene Niveau für den zu belegenden Sprachkurs erfuhr.
Die Anforderungen für die Kurse waren unterschiedlich. Meist musste man eine Präsentation halten sowie ein Final Paper oder einen Abschlusstest schreiben. Kleinere Hausaufgaben sowie Leseaufgaben gab es ebenfalls. Da Englisch für die meisten Teilnehmer*innen eine Fremdsprache war, und die Kurse meist Einführungskurse waren, war das allgemeine Niveau der Kurse niedriger als ich es von Hamburg gewohnt bin. Man belegt als KUINEP-Student*in eher viele Kurse mit weniger hohen Ansprüchen, statt weniger Kurse mit sehr hohem Arbeitsaufwand.
Will man Kurse abwählen / umwählen, gibt es nur eine Woche in der dies möglich ist. Nach dieser Woche ist die Uni erfahrungsgemäß unflexibel. Abgesehen davon ist das International Office der Uni Kyoto jedoch absolut zuverlässig und sehr freundlich. Sie helfen bei allen Fragen und ich hatte ebenfalls eine persönliche Tutorin, die mehr als hilfsbereit war.
Kyoto
Kyoto gilt als kulturelles Zentrum Japans. Es gibt unzählige, wunderschöne Tempel, von denen einige Weltkulturerbe sind. Es gibt mehrere Flüsse, an denen man entlangjoggen kann und Berge, auf die man für atemberaubende Ausblicke wandern gehen kann (die Aussicht von Mt. Daimonji ist sehr zu empfehlen). Die Kirschblütenzeit in Kyoto ist unbeschreiblich schön, und auch die Momiji Zeit im Herbst, wenn die Ahornblätter allesamt rot werden, ist absolut sehenswert. Außerdem gibt es (normalerweise) Märkte, Feste, sowie zahlreiche Restaurants und Cafés mit japanischen Delikatessen. Das weltberühmte Gion-Matsuri ist aufgrund von Corona leider abgesagt worden, doch ich habe mir fest vorgenommen, für dieses noch einmal nach Kyoto zurück zu kommen.
Obwohl ich zunächst in Erwägung gezogen habe, nach Tokio zu gehen, bin ich letztendlich unglaublich froh darüber, in Kyoto gewesen zu sein, und nicht in Tokio. Es gibt natürlich bei beiden Städten Vor- und Nachteile. Jedoch habe ich die Menschen in der Kansai-Region eher als offener und herzlicher empfunden als beispielsweise in der Kanto-Region (Tokio und Umgebung).
Auch den Kansai- / Osaka-Dialekt mochte ich sehr gerne, und es hat viel Spaß gemacht, diesen zu hören und zu lernen.
Kyoto während der Coronakrise
Es war sehr schade, dass ich durch die Onlinekurse meine Kommiliton*innen nicht persönlich kennenlernen konnte und kaum Gelegenheiten hatte, auf den Unicampus zu gehen. Auch jegliche Uni-Clubs, -Feste und -Veranstaltungen, wie z.B. die Orientation zu Beginn des Semesters, wurden abgesagt.
Allerdings war es auch eine einzigartige Chance, Kyoto komplett ohne Touristen zu erleben. Die sonst so überfüllten Straßen waren nun menschenleer. Der Kamogamo Fluss, die Berge um Kyoto herum sowie die vielen ruhigen Tempel baten die Möglichkeit, dem ganzen Corona-Stress zu entkommen. Es gab keinen offiziellen Lockdown in Japan, weswegen es weniger einschränkend war, als ich es von europäischen Ländern mitbekommen habe. Statt Verboten und Bußgeldern gab es Empfehlungen und Bitten der Regierung an die Bevölkerung, bestimmte Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, welche von allen respektiert und eingehalten wurden. Obwohl es keine Maskenpflicht gab, bestand die allgemeine soziale Erwartungshaltung, im öffentlichen Raum eine Maske zu tragen. Da es in ost-asiatischen Ländern sowieso üblich ist, aus Respekt gegenüber den Mitmenschen Masken zu tragen, war es für die japanischen Bevölkerung keine große Umstellung.
Als Entschädigung für die Umstände bzw. Unterstützung für finanzielle Nöte, die durch die Coronakrise entstanden sind, bekamen alle Bewohner*innen Japans von der Regierung ¥10.000 (in etwa 800€) geschenkt. Auch wir als Austauschstudierende hatten Anspruch auf dieses Geld. Außerdem veranlasste die japanische Regierung im Spätsommer eine Reise-Kampagne, welche Inlandsreisen förderte, um so die Tourismusbranche wieder etwas anzukuppeln. Dadurch konnte ich gegen Ende meines Auslandssemesters noch einige Inlandsreisen unternehmen.
Sozialleben und Freizeitaktivitäten
Auch das Sozialleben war natürlich durch Corona etwas eingeschränkt. Am meisten Anschluss fand ich in meinem Wohnheim, in dem ich mit anderen internationalen Austauschstudierenden zusammen wohnte. Ich war unglaublich froh, in dem Wohnheim wohnen zu können, denn durch meine Mitbewohner*innen lernte ich sowohl weitere Austauschstudierende als auch einige japanische Studierende kennen, die sie aus dem vorherigen Semester kannten. Gerne hätte ich noch mehr Japaner*innen kennengelernt. Von Erzählungen bekam ich mit, dass es eigentlich den Uni-Club „Kizuna“ gibt, der Workshops und Angebote organisiert, um den Kontakt zwischen Austauschstudierenden und regulären Studierenden herzustellen. Der Club organisierte während meines Aufenthalts einige Online-Veranstaltungen, an denen jedoch leider nicht viele Studierende teilnahmen.
Eine typisch japanische Freizeitaktivität ist Karaoke singen. Das sollte man auf jeden Fall mal ausprobieren, es gibt auch viele englische Lieder zur Auswahl. Im und um den Nishiki-Markt herum kann man alles einkaufen was das Herz begehrt. Man sollte auch unbedingt die „Yatsuhashi“ probieren, eine Süßigkeiten Spezialität in Kyoto. Zwei Monate lang gab es außerdem den Okoshiyasu-Pass von der Uni, mit dem man in einigen Museen, botanischen Garten etc. freien Eintritt bekam.
Kosten
Wie hoch die Kosten pro Monat sind, hängt ganz davon ab, wie oft man in Restaurants isst und wie viele Inlandsreisen man unternimmt. In der ersten Hälfte tat ich dies weniger, sodass ich für Miete + Verpflegung etwa 600€ im Monat zahlte, in der zweiten Hälfte des Semesters lagen die Kosten, inklusive Reisen und Restaurants, bei etwa 800-900€. Lebensmittelpreise ähneln zum Großteil denen in Deutschland, allerdings sind Fisch und Meeresfrüchte im Vergleich deutlich günstiger und Obst relativ teuer. Der günstigste Supermarkt ist der Gyomu-Super (業務スーパー), welcher auch einige internationale Lebensmittel verkauft.
Sprache
Aufgrund meines familiären Hintergrunds konnte ich mich zum Glück schon von Beginn an auf Japanisch verständigen, wollte mein Japanisch aber in Kyoto noch verbessern, vor allem das Lesen und Schreiben sowie formelles Japanisch. Ich denke es ist ein großer Vorteil, in Japan Japanisch sprechen zu können, denn die Menschen sind sehr dankbar dafür, wenn man wenigstens die Basics vorher lernt, wie z.B. sich zu bedanken oder im Restaurant auf Japanisch bestellen zu können. Allgemein ist das Englisch-Level der Japaner*innen eher niedrig. Jüngere Leute können etwas besser Englisch, aber für viele ist es auch unangenehm auf Englisch zu sprechen, da sie sich in ihrer Aussprache unsicher sind.
Es ist aber kein Muss, fließend Japanisch sprechen zu können, um sich als Austauschstudierende in Japan wohl zu fühlen. Es gibt natürlich die vielen anderen Austauschstudierenden, die alle Englisch können, das Internationale Wohnheim, das komplett auf Englisch ist und auch das Internationale Office der Uni, welches auch stets Info-Mails auf Englisch schreibt. Es gibt auf jeden Fall auch einige interessierte japanische Studierende, die gerne ihr Englisch verbessern möchten, wie beispielsweise die Studierenden, die in dem Uni-Club „Kizuna“ aktiv sind. Außerdem sind große touristische Städte wie Kyoto und Tokio überall mit englischen Beschreibungen versehen, sodass man sich auch im öffentlichen Raum orientieren kann, ohne die japanischen Schriftzeichen lesen zu können.
Fazit
Trotz der besonderen Bedingungen durch Corona hatte ich eine lehrreiche und für mich persönlich sehr wertvolle Zeit. Auch wenn Veranstaltungen und Uniaktivitäten (wie z.B. Clubs und Festivals) allesamt abgesagt werden mussten, und ich den Unicampus nur einige wenige Male von außen betrachten konnte, war ich froh, durch das internationale Wohnheim Freundschaften schließen zu können, die vermutlich ein Leben lang halten. Obwohl die Kurse alle online stattfanden, lernte ich viel Neues und entdeckte die japanische Kultur von einer anderen Seite, als ich bisher kannte.
Es war nicht ganz das, was ich mir Anfangs vorgestellt hatte, und unter normalen Bedingungen wäre das Auslandssemester an der Uni Kyoto vermutlich noch erfahrungsreicher und aufregender gewesen. Jedoch würde ich, wenn ich könnte, alles noch einmal genauso machen, wie es geschehen ist. Ich kann die Uni Kyoto und Kyoto selbst absolut empfehlen. Für alle, die an Japan und der japanischen Kultur interessiert sind, stellt das Auslandssemester eine einzigartige Möglichkeit dar, nicht nur das japanische Uni-Leben sowie viele gleichgesinnte Studierende aus aller Welt kennenzulernen, sondern auch eine der schönsten und kulturreichsten Städte in Japan von innen heraus zu erleben. Ich bin mehr als froh, diese Chance in meinem Studium genutzt zu haben und denke, es ist eine Erfahrung, die nicht nur auf akademischer, sondern auch auf vielen anderen Ebenen bereichert.