Kurs Gleichstellung - Projekte, die Segel setzen
In dieser Rubrik stellt die Stabsstelle Gleichstellung Projekte vor, die wegweisende Arbeit in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit, Vereinbarkeit und Diversität leisten. Dabei handelt es sich um Veranstaltungen, Workshops und Seminare oder Forschungsprojekte. Die vorgestellten Projekte werden von Studierenden, Wissenschaftler:innen und Mitarbeiter:innen aus dem TVBP-Bereich umgesetzt. Alle Projekte werden von der Stabsstelle Gleichstellung aus dem Gleichstellungs- oder Frauenförderfonds unterstützt.
Virtuelle Teamarbeit – Chance oder Barriere für Studierende mit Beeinträchtigungen?
Das laufende Lehr- und Forschungsvorhaben: „Virtuelle Teamarbeit – Chance oder Barriere für Studierende mit Beeinträchtigungen?" wird von Dr. Stephan Schmucker im Fachbereich Sozialökonomie durchgeführt. Dabei wird unter anderem erforscht, inwieweit digitale Teamarbeit von Studierenden sich nachhaltig auf die Teamleistungen auswirkt.
Das Team um Dr. Stephan Schmucker erforscht inwiefern virtuelle Studierendenteams Gedächtnissysteme aufbauen und welche Auswirkungen diese auf die Gruppenzusammenarbeit haben. Das Lehr- und Forschungsvorhaben, welches am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg angesiedelt ist, möchte die Aktualität digitaler Zusammenarbeit im Kontext der Covid-19-Pandemie wissenschaftlich einordnen. Im Folgenden stellt Stephan Schmucker die Forschung vor:
Können Sie Ihr Lehr- und Forschungsvorhaben "Virtuelle Teamarbeit" kurz vorstellen?
Hintergrund des Projekts ist die aktuelle Debatte bezüglich der Qualität der digitalen Lehre an Hochschulen unter Corona-Bedingungen. Insbesondere die virtuelle Teamarbeit von Studierenden soll im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, da die Weiterentwicklung der Teamfähigkeit in nahezu allen Curricula festgeschrieben ist. Aus einer lernorientierten Perspektive kann Teamarbeit dazu beitragen, Fehler zu reduzieren und fragmentiertes Denken und Handeln zu konsolidieren. Anders als bei Einzelpersonen erfordert die Effektivität in Teams reibungslose Koordinationsprozesse, die durch transaktive Gedächtnissysteme unterstützt werden können. Transaktive Gedächtnissysteme beziehen sich auf das gegenseitige Bewusstsein von „Wer weiß was" in einem Team. Die Teammitglieder erlangen ein Verständnis hinsichtlich des spezifischen Wissens aller Mitglieder und können somit ein verteiltes Gedächtnissystem entwickeln, auf das alle Teammitglieder zugreifen können, wodurch die Teamleistung erhöht werden kann. Dieses positive Bild muss jedoch relativiert werden, da sich die Mehrzahl der durchgeführten Studien auf face-to-face Teams bezieht. Einige Studien legen hingegen nahe, dass die persönliche Interaktion für die Bildung eines transaktiven Gedächtnisses wichtig ist und die computergestützte Kommunikation eine bedeutende Barriere darstellt.
Wie sind Sie auf das Thema "Virtuelle Teamarbeit - Chancen oder Barriere für Studierende mit Beeinträchtigungen?" gekommen?
Andererseits hat die Corona-Pandemie (zwangsweise) den digitalen Wandel weiter beschleunigt. Die Vorherrschaft der asynchronen Kommunikation (E-Mails etc.) in virtuellen Teams scheint gebrochen. Neue digitale Werkzeuge erleichtern die virtuelle Zusammenarbeit. Videokonferenz-Lösungen sind z. B. benutzerfreundlich und kostengünstig geworden. Sie ermöglichen die synchrone Kommunikation zwischen Teammitgliedern und erlauben die Interpretation von Gestik und Mimik der Kommunikationspartner:innen. Videocalls werden von der Ausnahme zum Regelfall und werden häufig auch für die informelle Kommunikation eingesetzt. Dies sollte den Aufbau gemeinsamer Erfahrungen im Team erleichtern und Teile des stillschweigenden Wissens der Teammitglieder transparent machen, sodass auch virtuelle Teams transaktive Gedächtnissysteme entwickeln können sollten.
Welche Ziele verfolgt Ihr Forschungsvorhaben?
Wir würden gerne untersuchen, ob virtuelle Studierenden-Teams in der Lage sind transaktive Gedächtnissysteme nachhaltig aufzubauen und falls ja, wie sich diese auf die Teamleistung auswirken. Diesbezüglich möchten wir auch untersuchen, inwieweit die Entwicklung eines transaktiven Gedächtnissystems vom sozio-demographischen Hintergrund der Studierenden beeinflusst wird.
Welche Relevanz hat die Thematik für die Universität, Forschung und die Gesellschaft?
Falls sich herausstellen sollte, dass die virtuelle Teamarbeit einen ähnlichen Mehrwert wie face-to-face Teamarbeit ermöglicht, dann wäre die virtuelle Teamarbeit auch für Post-Corona-Zeiten eine Bereicherung für die Hochschullehre und würde neue Chancen für die Inklusion von Studierenden mit bestimmten körperlichen Beeinträchtigungen ermöglichen. Beispielsweise wären aufwendige An- und Abreisen für anstehende Team-Meetings nicht mehr notwendig. Studierende könnten von ihrem häuslichen Umfeld aus agieren und müssten keine negativen Auswirkungen auf die Teamleistung befürchten.
Die Fragen der Stabsstelle Gleichstellung wurden von Dr. Stephan Schmucker beantwortet. Dr. Stephan Schmucker hat auch im Podcast "Gleichheitszeichen" der Stabsstelle Gleichstellung von seiner Arbeit berichtet.
Das Lehr- und Forschungsvorhaben „Virtuelle Teamarbeit – Chance oder Barriere für Studierende mit Beeinträchtigungen?" wurde durch den Gleichstellungsfonds der Universität Hamburg gefördert.
New Work geschlechter-, diversitätsgerecht und vereinbar implementieren
Erste Recherchen zur Umsetzung im TVBP aus Gleichstellungssicht
Das Projekt New Work geschlechter-, diversitätsgerecht und vereinbar implementieren ist im Technischen-, Verwaltungs- und Bibliothekspersonal (TVBP) der UHH im Zeitraum vom 01.07.2022-31.12.2022 angesiedelt. Projektverantwortliche sind Dr. Nina Feltz und Dr. Stephan Michel. Im Interview stellt Dr. Nina Feltz das Projekt vor.
Welche Relevanz hat das Projekt für die UHH?
Gesellschaftliche Veränderungen wie u. a. die zunehmende Digitalisierung und der demografische Wandel führen dazu, dass die UHH als arbeitgebende Institution ein zukunftsfähiges und attraktives Arbeitsumfeld bereitstellen möchte. Das „große“ New Work-Projekt der UHH hat durch die Beteiligung der Interessenvertretungen auch einen Blick auf Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Vereinbarkeit. Wir möchten als „kleines“ Projekt darüber hinaus unsere Ergebnisse mit in das Projekt einfließen lassen, die Beratung der Dienststelle gehört ja zu unseren originären Aufgaben.
Worum geht es in Ihrem Projekt genau?
Angesichts des laufenden New Work-Projektes und seiner Pilotprojekte an der UHH, geht es darum, zu schauen wie ähnliche Veränderungsprozesse an anderen Universitäten aussehen - auch wenn sie nicht „New Work“ heißen. Wir schauen uns das Wechselverhältnis von Maßnahmen im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Vereinbarkeit und einem etwaigen Kulturwandel an, weil wir inzwischen davon ausgehen, dass es hier ein Wechselverhältnis gibt - dass wir also durch solche Maßnahmen im Sinne der Gleichstellung schon lange mit „New Work“ unterwegs sind, ohne dass wir es vorher explizit so genannt haben.
Die erste Recherche-Runde ist abgeschlossen und wir haben vier Universitäten ausgewählt, die mit Maßnahmen bezogen auf Geschlechtergerechtigkeit, Vereinbarkeit und Diversität „unterwegs“ sind wie wir als UHH. Wir planen zukünftig mit den Gleichstellungs-Kolleg:innen Gespräche zu führen, um Erfahrungswissen zu generieren – wie ist es in der konkreten Umsetzung für die Mitarbeitenden? Wie ist das Wechselverhältnis solcher Maßnahmen und der gesamten organisationalen Veränderungsprozesse?
Warum sind die Themen Geschlechtergerechtigkeit, Vereinbarkeit und Diversität im TVBP so wichtig?
Der Fokus auf diese Themen hat in den letzten Jahren und v. a. während der Pandemie, enorme Veränderungen mit sich gebracht und das ist gut so: Als Organisation geschlechtergerecht zu agieren, ist der Kern unserer Arbeit. Wie können wir Strukturen verändern z. B. die Übernahme von Führungsaufgaben auch für diejenigen zu ermöglichen, die mit Vereinbarkeitsthemen zu tun haben? Wie können wir z. B. Stellen attraktiver gestalten, so dass Menschen auch von ihnen leben können und sie kein „Zuverdienstmodell“ darstellen? Die Möglichkeit die Arbeit „vereinbar“ mit anderen Lebensbereichen zu gestalten, ist für die Motivation der Beschäftigten in diesen Kontexten unabdingbar. Die Wahl zu haben, wie ich wo arbeite, das ist ja noch ganz neu und muss auch individuell erprobt werden können, um heraus zu finden, wie das eigene effektive Arbeiten davon profitieren kann. Diversität anzuerkennen bzw. wertzuschätzen und fördern zu können, braucht erst mal das Verständnis was es sein kann, um es dann gezielt zu fördern. Geschlechtergerechtigkeit, Vereinbarkeit und Diversität sind und bleiben aus unserer Sicht ein Schlüssel auf den verschiedenen Handlungsebenen von New Work und sind entscheidend bei der Art und Weise wie Partizipation erfolgt, wie Dialoge geführt werden etc. – wenn ich als Organisation entsprechend dieser Säulen agieren möchte – welche (New Work-) Maßnahmen sind dann angemessen?
Das Projekt wird gefördert durch den Frauenförderfonds der Stabsstelle Gleichstellung.
Dr. Stephan Michel und Dr. Nina Feltz waren 2022 Gleichstellungsbeauftragte des Technischen, Verwaltungs-, IT- und Bibliothekspersonals. Mehr Informationen zur Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten des TVBP finden Sie auf der Homepage.
AStA Veranstaltungsreihe: Feminismus im Alltag
Bei der Vortrags- und Workshopreihe aus dem Jahr 2019 haben verschiedene Referent:innen alltägliche Situationen aus einer feministischen Perspektive betrachtet und angesprochen. Dabei ging es vor allem darum, mit Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen.
Patriarchale Strukturen sind in unserer Gesellschaft fest verankert. Um diese Strukturen zu verändern und patriarchal geprägte Denk- und Handlungsmuster zu überwinden ist ein erster Schritt, diese Strukturen überhaupt erst zu erkennen. Aber was braucht es dafür? Ist Feminismus allein der Schlüssel?
Damit Feminismus dieser Schlüssel sein kann, muss uns bewusst werden, dass der Begriff allein mehr bedeutet als politisch und gesellschaftlich für Gleichberechtigung einzustehen.
Das Aufbrechen patriarchaler Strukturen muss auf gesellschaftlicher, institutioneller und politischer Ebene vorangetrieben und umgesetzt werden. Jedoch hat auch jede einzelne Person eine Verantwortung kritisch zu hinterfragen, eigenes Handeln zu reflektieren und diskriminierende Muster nicht zu reproduzieren.
Die ehemalige Gleichberechtigungsbeauftragte des AStA der Universität Hamburg, Leonie Ruhland, hat die Reihe 2019 ins Leben gerufen und 2020 und 2022 fortgeführt. Dabei betont sie, wie wichtig es ihr war, alltägliche Situationen aus einer feministischen Perspektive anzusprechen und damit eine geschlechtergerechte Debatte fördern zu können. Es soll deutlich werden, dass Feminismus so viel mehr als ein theoretischer Ansatz und durchaus in der Praxis anwendbar ist.
„Noch immer dominieren das männliche Geschlecht, patriarchale Blickwinkel und geschlechtsdiskriminierende Verhältnisse unsere Gesellschaft. Gerade die Universität als Ort der Wissensschaffung und ihre Studierenden als Nachwuchs dieser Gesellschaft sollten sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Meiner Meinung nach geschieht dies jedoch zu selten, insbesondere an der UHH. Für viele ist es zudem schwierig, einen Zugang zu dem doch sehr komplexen und weitreichenden Themenbereich zu finden. Oder sich überhaupt dafür zu interessieren, da es ja als „ein Thema für Frauen“, oder „für gebildete Frauen*“ kaum relevant sei. Genau an solche Menschen sollte sich die Vortragsreihe richten – aber natürlich auch an alle weiteren Interessierten.“ sagt Leonie Ruhland. Weitere Einblicke zu den Inhalten der Reihe finden sich auf der Website des AStA.
Insgesamt fanden 16 Veranstaltungen mit folgenden Themen statt:
- Mit Dildos gegen das Patriarchat. Feminismus zwischen Ausverkauf und Selbstermächtigung - Zarah (Fuck Yeah Sexshop Kollektiv)
Im Rahmen der Veranstaltung wurde die Frage gestellt, wie feministische Vorstellungen von Körper, Begehren, Gender und Sex mit einem Sexshop zusammenpassen und welche Chancen ein solcher Raum bieten kann. - Sexismus und Antifeminismus in Politik und Medien - femrep e.V.
In diesem Workshop wurden aktuelle Kampagnen bezüglich der Darstellung von FLIT*s analysiert, problematische Darstellungen diskutiert und über die Relevanz des intersektionalen Feminismus gesprochen und die Rolle der Medien im Kampf gegen Diskriminierung aufgezeigt. - Das Persönliche ist politisch - WomeN IN Action (NINA)
NINA ist eine feministische Gruppe von geflüchteten Frauen*, Frauen* mit Migrationserfahrung und Freund:innen in Hamburg, die sich gemeinsam selbst-organisieren und in diesem Vortrag die Gruppe und ihre Arbeit vorstellten. - F*Gendernorms und Elternschaftskonstruktion - Sven-Jan Schmitz
Sven beschäftigt sich mit Normen des Konstrukts Familie in unserer Gesellschaft. Er untersucht die Binarität von Geschlechtskonstruktion und ihre Auswirkung im Verhältnis zu Kindern und Elternschaft. - Antisexistische Arbeit im Nachtleben - Alia & Leo (Safe Night e.V.)
Nicht erst seit gestern hat das Nachtleben Probleme: Sexualisierte Übergriffe gehören – vor allem, aber nicht nur für Frauen – leider zur Party dazu. Wie gehen wir damit um? Wie können wir Betroffene schützen und welche Möglichkeiten gibt es, unbeschwerte Nächte für alle zu schaffen? - Ask A Sex Worker - Undine de Revière
Sexarbeiterin und Aktivistin Undine de Rivière über Politisches & Persönliches, Arbeitsalltag, Menschenrechte und Feminismus. - Männer und Feminismus - Philippe Greif
Ausgehend von der Annahme, dass Männer in patriarchalen Verhältnissen nicht von Sexismus betroffen sein können, ging der Vortrag der Frage nach, warum Feminismus auch für Männer wichtig ist. - Die Klitoris - Die große Unbekannte - Daniela Schubert
In dem Vortrag wurde Raum und Zeit für Fragen rund um die Klitoris, (sexuelle) Aufklärung & Vielfalt, Wissensvermittlung und Geschlechtergerechtigkeit geboten. - Wenn wir streiken steht die Welt still - Selina Arthur
Für den Vortrag wurden Überlegungen zur feministischen Praxis um den 8. März in Hamburg systematisiert und noch einmal grundlegender über Aktivismus, feministische und linke Praxis und Organisierung nachgedacht. - Feminismus in Kinderschuhen - Lisa Hartmann & Leo Ruhland
Bei diesem Vortrag sind die Referentinnen gemeinsam mit Teilnehmenden auf eine Reise durch die Kindheit gegangen und zerrten an den Wurzeln der Rollenklischees. - No pride for some of us - without liberation for all of us - Editha Masberg & Eliza-Mimouna Sarr
Der überwiegend weißen Frauenbewegungen der "ersten und zweiten Welle" stehen intersektionale Feminismen, deren Akteur:innen mit vielfältigem Widerstand immer wieder ihren Raum erkämpft haben und erkämpfen müssen, gegenüber. Im Vortrag ging es um diese Perspektiven und warum ein Feminismus ohne Antirassismus und Berücksichtigung von Mehrfachmarginalisierungen nicht funktionieren kann. - Workshop über Queer_Feminismen - Queer_topia
Was bedeutet Queer_Feminismus? Wodurch unterscheiden sich Queer_Feminismen von anderen Feminismen? Was sind (aktuelle) Ziele von Queer_Feminismen? Wie kann gemeinsam gehandelt, sich bestärkt, verbündet werden? - Vom Verhältnis queerer und rassismuserfahrener Perspektiven - Djalila Boukhari
In diesem Workshop wurde der Blick auf die Schnittstelle „Rassismus & Queerfeindlichkeit“ gerichtet und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Herausforderungen beleuchtet. - Deeptalk about Sex - Rosa (Fuck Yeah Sexshop Kollektiv)
Was hat (unsere) Sprache mit (unserem) Sex zu tun? Und was für eine Rolle spielt das Geschlecht dabei? Wie hängt unser intimes Sexleben mit gesellschaftlichen Verhältnissen zusammen? Diese uns viele andere Fragen wurde in diesem Workshop nachgegangen. - Allyship: A Transformative Justice Perspective - Shofie Bahaiwan
In this workshop the possibilities of allyship from the perspective of transformative justice was explored. What is transformative justice? What does it have to do with care and our relationships? And what would allyship look like if we take power dynamics as a matter of care? - Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der pädagogischen Arbeit – Queerschool
Neben einem Einblick in die Begrifflichkeiten von geschlechtlicher Vielfalt und Lebensrealitäten von LSBTIQA+ Jugendlichen, wurden Handlungsperspektiven für die eigene pädagogische Praxis entwickelt.
Für Fragen und Kooperationsanfragen wenden Sie sich gerne an folgende Adresse: feministischebildung"AT"riseup.net
Die Veranstaltungsreihe wurde durch den Frauenförderfonds der Universität Hamburg gefördert.
Diversität statt Rassismus und Diskriminierung
Die Lehrveranstaltung „Diversität statt Rassismus und Diskriminierung“ wurde von Alexander Kananis im Fachbereich Studium Generale durchgeführt, um Studierenden eine Orientierungshilfe im Umgang mit Diversität zu geben.
Bild: Pixabay
Die Arbeitsstelle Studium und Beruf (AStuB) der Universität Hamburg initiierte im Wintersemester 2021/22 die Lehrveranstaltung „Diversität statt Rassismus und Diskriminierung“, die von Alexander Kananis geleitet wurde. Das Seminar hatte sich zum Ziel gesetzt, Studierenden die zahlreichen Facetten und Erscheinungsformen von Diversität näherzubringen und ihnen Kompetenzen zu vermitteln, um die individuelle Haltung und das eigene Verhalten bewusst zu fördern. Im Folgenden stellt Alexander Kananis die Lehrveranstaltung vor:
Können Sie Ihre Lehrveranstaltung kurz vorstellen?
Praxisorientiert haben wir herausgefunden, welche Wege und Möglichkeiten es gibt, sensibel, wertschätzend und respektvoll mit sozialer Vielfalt und Verschiedenheit – mit den Menschen in unserer Gesellschaft und in der Welt generell – umzugehen und dabei Chancengleichheit, Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung als grundlegendes Prinzip zu berücksichtigen. Demnach haben wir in fünf Themenkomplexen Soziale Verschiedenheit, Interkulturelle Kommunikation, einen Umgang mit Konflikten, Rassismus und Diskriminierungen in Alltag, Medien und Institutionen sowie geeignete Handlungsoptionen erarbeitet.
Wie ist das Seminar entstanden?
Meine Bereitschaft ein Seminar zum Thema Diversität - Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt und Verschiedenheit (so die Erläuterung bzw. ehemaliger Untertitel) anzubieten, fußt darauf, dass die AStuB „Schlüsselqualifikationen" anbietet, die mit Zertifikaten wie Lehrpraxis, Friedensbildung, Interkulturelle Kompetenz oder Intersektionalität und Diversity einhergehen. Schon länger besteht ein Kontakt mit der AStuB durch Lehraufträge zu interkultureller Kommunikation sowie Konfliktmanagement.
Welche Ziele verfolgte die Lehrveranstaltung?
Mir ist es ein Anliegen, die interessierten Teilnehmer:innen über das/mein/ein (vielschichtiges) Verständnis von sozialer Diversität zu informieren, ihr Wissen über das Thema, die zahlreichen Einzelaspekte und verschiedene theoretische „Modelle" zu erweitern, Kompetenzen zu fördern, Anregungen zu geben für die weitere/anhaltende/erneute eigenständige Beschäftigung mit dem Themenkomplex sowie die Entwicklung individueller Fertigkeiten zu unterstützen. Und selbstverständlich noch viel mehr.
Warum ist Ihnen Diversität persönlich so wichtig?
Für mich ist es wichtig einen konstruktiven, nachhaltigen und sinnvollen Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung einer Gesellschaft und Gemeinschaft leisten zu können, deren Merkmale Wertschätzung, Respekt, Interesse, Sensibilität, Empathie und Verantwortungsbereitschaft der Einzelnen sind. Zudem sollen die schrecklichen Wirkungen von (oft anhaltender, wiederholter) Diskriminierung für nicht-Betroffene verständlicher werden und die Fälle realer Diskriminierung durch die Reduzierung des Risikos von diskriminierendem Verhalten abnehmen bzw. weniger werden. Es ist mir wichtig, dass Betroffene gehört werden und Raum bekommen über ihre Erfahrungen zu berichten, miterleben wie andere sich einsetzen, Hoffnung verspüren zu möglichen positiven Veränderungen in der Gesellschaft.
Welche Relevanz hat das Seminar „Diversität statt Rassismus und Diskriminierung“ für die Universität/Forschung und Gesellschaft?
Der Umgang mit Diversität unter den Studierenden ist immens und äußerst vielschichtig - die Universität muss das wahrnehmen, berücksichtigen, Gründe und Hintergründe analysieren, diese und die Menschen sehen und Lösungen ausarbeiten sowie fördern. Auch muss die Forschung (weiter) untersuchen, welche Auswirkungen individuell, gruppenspezifisch und gesellschaftlich sowie volkswirtschaftlich die unterschiedlichen Formen von (v.a. struktureller und institutioneller) Diskriminierung haben. Insbesondere die Gesellschaft sollte erfahren, was Diskriminierung für die davon betroffenen Menschen individuell und für die Gesellschaft generell bedeutet (welche Auswirkungen), ohne moralisierende Aussagen hilfreiche Hinweise dazu erhalten, was jede:r machen bzw. anders machen kann, um sowohl diskriminierendem Verhalten vorzubeugen (re-aktiv) wie auch Gleichbehandlung durch Interesse, Wertschätzung und Sensibilität zu fördern (aktive Haltung und Aktionen).
Die Fragen der Stabsstelle Gleichstellung wurden von Alexander Kananis beantwortet.
Die Lehrveranstaltung „Diversität statt Rassismus und Diskriminierung“ wurde durch den Gleichstellungsfonds der Universität Hamburg gefördert. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Arbeitsstelle Studium und Beruf .
Dr. Mithu Sanyal und das Zentrum für Gender & Diversity
Das Zentrum für Gender & Diversity (ZGD) und die Stabsstelle Gleichstellung haben in der Vergangenheit immer wieder eng zusammengearbeitet. Nicht zuletzt wurde die Leiterin des ZGD, Dr. Michaela Koch, für eine Folge des Podcasts „Gleichheitszeichen“ der Stabsstelle Gleichstellung interviewt und hat ihre Arbeit vorgestellt. Anfang dieses Jahres organisierte ein Team rund um das ZGD eine Lesung und einen Workshop mit der Autorin Dr. Mithu Sanyal, die durch den Gleichstellungsfonds der Stabsstelle gefördert wurden. Unter dem Titel „Race, Gender und Identität“ las Dr. Mithu Sanyal aus ihrem Roman „Identitti“, der sich mit „Fragen der Identitäts(de)konstruktion“ im akademischen Kontext sowie den Themen race, class und gender auseinandersetzt. Im Anschluss vertiefte ein Workshop diese Themen weiter. Im Interview spricht Dr. Michaela Koch über die Rolle solcher Veranstaltungen für das ZGD, wie wichtig interdisziplinäre Kooperation ist und Transferleistungen in und um die Universität.
Der Roman „Identitti“ der Kulturwissenschaftlerin und Autorin Dr. Mithu Sanyal hat im letzten Jahr viel Aufmerksamkeit erregt. Das Buch erschien 2021 während einer zum Teil vehement geführten öffentlichen Debatte zum Thema Identitätspolitik. Viele Aspekte dieser Debatte finden sich auch in dem Roman von Dr. Mithu Sanyal wieder. Beide Veranstaltungen des ZGD waren gut besucht. Das zeigt, wie groß das Interesse an dieser Thematik ist. Inwiefern sind solche Veranstaltungen wichtig für die Profilierung des ZGD?
In der Tat war das öffentliche Interesse an der Lesung sehr groß und wir haben tolles Feedback zur Lesung und zum Workshop bekommen. Das digitale Format hat es auch Interessierten von außerhalb ermöglicht, teilzunehmen und so hatten wir Teilnehmer:innen aus verschiedenen Teilen Deutschlands, Österreich, Polen, USA und Indien. Die verschiedenen Positionen haben die Diskussion enorm bereichert und auch Aspekte des Romans hervorgehoben, die im deutschsprachigen Diskurs eher weniger Beachtung gefunden haben, wie zum Beispiel die polnische Herkunft der Mutter der Figur Nivedita. Der Begriff „Identitätspolitik,“ der im deutschsprachigen Diskurs von rechts-konservativer Seite bisweilen verunglimpft und als Kampfvokabel missbraucht wird, ist bspw. im englischsprachigen Diskurs deutlich positiver besetzt. Als hochschulübergreifende Einrichtung für Gender und Diversität möchten wir an diesen Diskursen partizipieren und Räume für einen kritisch-konstruktiven Austausch herstellen.
Die Veranstaltungen wurden in Kooperation mit Prof. Dr. Franziska Müller, (WiSo UHH, Gruppe Kassel postkolonial), Dr. Jara Schmidt (GW UHH, Netzwerk Widerständige Praxen) und Ihnen organisiert und durchgeführt. Warum ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit, gerade wenn es um „Race, Gender und Identität“ geht, so wichtig?
Gender und Diversity Studies sind in ihrer Grundanlage interdisziplinär ausgerichtet, bspw. sind „Identität“ oder Dimensionen von Identität wie race und gender in verschiedensten Feldern relevant. Sie lassen sich nicht hinreichend mit den Theorien oder Ansätzen nur eines Faches beschreiben. Ich bin außerdem der Meinung, dass es eigentlich keine Disziplin und kaum einen Forschungsgegenstand gibt, der ohne Theorien und Konzepte aus dem Bereich Gender und Diversity auskommt. So beschäftigt sich Franziska Müller als Politikwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt globale Klimapolitik in ihrer Forschung und Lehre automatisch mit Differenzkategorien. Und Jara Schmidt arbeitet in der Literaturwissenschaft auch selbstverständlich mit Theorien, Methoden und Konzepten der Gender und Queer Studies. Trotz disziplinärer Charakteristika und Schwerpunkte verbinden uns theoretische Grundannahmen, die sich auf verschiedenste Forschungsfragen übertragen und für unterschiedliche Settings adaptieren lassen. Damit haben wir eine ideale Basis für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das ZGD ist also ein besonders guter Ort für fach- und hochschulübergreifende Kooperationen.
Die Lesung fand öffentlich statt, der Workshop hochschulintern, aber interdisziplinär. Die Veranstaltungen erreichten so unterschiedliche Zielgruppen. Ziel sollte es sein, auch Menschen, die noch nicht mit der Thematik vertraut sind, über den Roman einen Einstieg zu verschaffen. Warum ist der Transfer aus der Universität heraus, aber auch innerhalb der Universität so wichtig? Vielleicht gerade bei einem solchen Thema?
Wir haben bei dieser Veranstaltung sehr von der Popularität des Romans profitiert und konnten – so meine Wahrnehmung – auch Menschen ansprechen, die nicht (mehr) im Umfeld Universität/Hochschule aktiv sind und diese zumindest temporär in einen echten Austausch bringen. Wir müssen viel mehr miteinander sprechen als aneinander vorbei. Rassismus ist ein großes Problem. Sexismus ist ein großes Problem – nicht selten sind sie miteinander verschränkt. Und es gibt viele weitere Probleme, die wir besprechen und bekämpfen müssen, um eine gerechtere Welt zu erreichen. Ein Roman, der so witzig und intelligent daherkommt wie „Identitti,“ ist ein großartiges Vehikel, um ins Gespräch zu kommen. Denn er berührt Menschen und regt zur Reflexion und zum Gespräch an, ohne dass vorher 30 Seiten Theorie gelesen werden müssen. Mit Blick auf Wissenschaftskommunikation und den Austausch zwischen Akademia und Gesellschaft gibt es aus meiner Sicht noch viel Potential für Formate, die fiktionale und künstlerische Elemente nutzen und ich freue mich über weitere Initiativen und Kooperationen in diesem Bereich.
Das Projekt wurde mit Mitteln aus dem Gleichstellungsfonds der Stabsstelle Gleichstellung gefördert. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Zentrum Gender & Diversity.
Refugee Law Clinic
Studierende der Universität Hamburg beraten in einem Ausbildungsprojekt geflüchtete Menschen ehrenamtlich in Rechtsfragen.
Die Refugee Law Clinic (RLC) ist ein studentisch initiiertes Projekt und seit der Gründung 2014 an der Fakultät Rechtswissenschaften der Universität Hamburg angesiedelt. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, niedrigschwellige Informationen sowie Beratungen für Menschen mit Fluchterfahrungen anzubieten. Dabei geht es nicht um eine Prozessvertretung, sondern um gezielte Aufklärung über das deutsche Rechtssystem. Folgend stellt sich die Refugee Law Clinic in einem schriftlichen Interview vor:
Können Sie die Arbeit der Refugee Law Clinic kurz vorstellen?
Jeden Herbst beginnen zwischen 20 und 30 Studierende einen einjährigen Ausbildungszyklus, um dann an der Clinic mitzuarbeiten. Aus Mitteln des Gleichstellungsfonds der UHH werden die fest in das Ausbildungscurriculum etablierten Lehrgänge zu Gender und Diversity gefördert.
Unsere Beratungssprechstunden finden mehrmals wöchentlich an verschiedenen Standorten und in Zusammenarbeit mit Kooperationspartner:innen zu Themen wie dem Asylverfahren, der Familienzusammenführung oder der Aufenthaltssicherung statt. In Reaktion auf jüngste Krisen haben wir im Herbst 2021 adhoc eine extra Afghanistan-Beratung eingerichtet; aktuell schulen wir unsere Beratenden zu den besonderen Fragestellungen Schutzsuchender aus der Ukraine und stehen in engem Austausch mit anderen Akteur:innen der Unterstützungslandschaft.
Welche Ziele verfolgt das Projekt genau?
Unser Ziel ist das Bereitstellen eines niedrigschwelligen Beratungsangebotes für Menschen, die aufgrund ihrer Flucht besonders vulnerabel sind und deren Zugang zum Recht besonders erschwert ist. Die RLC bietet Informationsvorträge für Geflüchtete zu Rechtsfragen an und stehen auf Anfrage für Inputs zu verschiedenen migrationsbezogenen Themen zur Verfügung.
Wir verstehen uns als Ausbildungsprojekt, das eine frühzeitige Verzahnung von Theorie und Praxis gewährleistet. Da das Migrationsrecht trotz seiner faktischen Relevanz bislang nicht in der hamburgischen juristischen Ausbildung verankert ist, möchten wir außerdem einen Beitrag dazu leisten, dies voranzubringen.
Wie ist die Refugee Law Clinic entstanden?
Die RLC Hamburg ist 2014 von den Studentinnen Katharina Leithoff und Fiona Schönbohm gegründet worden. Anlass war die Flüchtlingsschutzkrise im Zuge des langen Sommers der Migration 2014 ff.
Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Das Thema ist und bleibt für uns ein Herzensanliegen, da die Rechte Geflüchteter bei jedem zahlenmäßigen Anstieg des Zuzuges rigoros beschränkt wurden und die bestehende Rechtslage oftmals in der Praxis zu „ungerechten“ Ergebnissen führt. Die aktuelle Reaktion auf den Krieg in der Ukraine bildet dabei eine absolute Ausnahme! Unser Ziel bleibt es, Geflüchtete bei der Durchsetzung ihrer (beschränkten) Rechte zu unterstützen, da unabdingbare Voraussetzung für den Zugang zum Recht ist, dass die Betroffenen diese zunächst einmal kennen. Daneben möchten wir durch eine Konfrontation unserer Teilnehmenden mit der Rechtswirklichkeit zur Entwicklung eines kritischen Rechtsverständnisses beitragen und dieses auch durch öffentliche Veranstaltungen und Beiträge zurück in die Gesellschaft tragen.
Die Fragen der Stabsstelle Gleichstellung wurden von Mailin Loock und Jara Al-Ali beantwortet.
Die Lehrgänge zu Gender und Diversity der RLC werden durch den Gleichstellungsfonds der Universität Hamburg gefördert. Weitere Informationen zur Arbeit der Refugee Law Clinic finden Sie auf deren Website.
Körper-Territorien obdach- und wohnungsloser Frauen*
Bild: Dr. Katharina Schmidt
Dr. Katharina Schmidt aus der Arbeitsgruppe Kritische Geographien globaler Ungleichheiten, MIN-Fakultät, forscht unter anderem zu Obdach- und Wohnungslosigkeit. Im Sommer 2021 fand im Rahmen des Forschungsprojektes „Körper-Territorien obdach- und wohnungsloser Frauen*“ ein Workshop statt, der betroffenen Frauen* Raum zum Austausch und zur Vernetzung schuf. Im Interview erklärt Katharina Schmidt, wie das Projekt entstanden ist, was es mit der Kartierung von Körper-Territorien auf sich hat und warum die Forschung zu obdach- und wohnungslosen Frauen* so wichtig ist.
Können Sie Ihr Projekt kurz vorstellen?
Das Projekt knüpft thematisch an Forschungen im Rahmen meiner Dissertation zu Geographien der Obdach- und Wohnungslosigkeit an. Es untersucht verkörperte Erfahrungen urbaner Obdach- und Wohnungslosigkeit und setzt einen Fokus auf das Wissen und die emotionalen Geographien obdach- und wohnungsloser Frauen*. Unter dem Titel „Gemeinsam Körper-Karten gestalten“ habe ich zusammen mit obdach- und wohnungslosen Frauen* einen Workshop durchgeführt, bei dem wir sogenannte Körper-Territorien kartiert haben. Ganz im Sinne eines sharing is caring und the personal is political sollten hier im kleinen Kreis über kollektives Körperwissen hinweg Möglichkeiten geschaffen werden, sich zu vernetzen und gesellschaftliche und politische Forderungen und Strukturen für obdach- und wohnungslose Frauen* zu diskutieren.
Wie ist das Projekt entstanden?
Das Projekt ist in Kooperation mit dem Frauennetzwerk der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. entstanden – mit der Intention, einen Raum für Begegnung und Austausch zwischen und für obdach- und wohnungslose Frauen* zu schaffen. Das ist wichtig, weil es ganz selten Räume für obdach- und wohnungslose Frauen* abseits gängiger Hilfsstrukturen oder politischer Strukturen gibt, die nicht von Männern dominiert werden oder die nicht an (karitative, institutionelle etc.) Bedingungen geknüpft sind.
Warum haben Sie diese Forschungsmethode, also die Kartierung von Körper-Territorien gewählt und was genau kann man sich darunter vorstellen?
Das Kartieren der Körper-Territorien ist angelehnt an lateinamerikanische Debatten um „Cuerpo-Território“, die aus dekolonialen und indigenen feministischen Perspektiven und Praktiken stammen. Diese verstehen Körper selbst als ein Territorium, aber auch als einen Teil von gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen, historischen und natürlichen Prozessen. Körper-Territorien werden kartiert, u.a. indem mit Hilfe von großformatigen Zeichnungen, Collagen, oder Skizzen Verortungen und Relationen zwischen emotionalen und räumlichen Dimensionen buchstäblich nachgezeichnet bzw. visuell dargestellt werden. Ich habe diesen Zugang gewählt, um genau dieses Zusammenspiel zwischen den Körpern von obdach- und wohnungslosen Frauen* in ihrem Verhältnis zu urbanen Kontexten in Deutschland besser untersuchen zu können.
Warum ist Ihnen persönlich das Thema obdach- und wohnungsloser Frauen*, auch in Bezug auf die Forschung, so wichtig?
Die alltäglichen Belange, Bedürfnisse und Erfahrungen obdach- und wohnungsloser Frauen* werden bis heute sowohl in Forschung als auch Praxis vernachlässigt. Dies liegt u. a. an einer verbreiteten und gelernten gesellschaftlichen Stigmatisierung von obdach- und wohnungslosen Menschen. Diskriminierende Erfahrungen im urbanen Raum, in öffentlichen/privaten Einrichtungen, in Beziehungen oder in politischen Vertretungen hinterlassen Spuren im und am Körper obdach- und wohnungsloser Frauen*. Diese Spuren sind nicht nur individuell, sondern auch strukturell. Genau hier fehlt es in Deutschland an einer Grundlagenforschung zur Thematik der Obdach- und Wohnungslosigkeit, gerade aus intersektionaler Perspektive. Hierzu möchte ich mit meinen Arbeiten einen Beitrag liefern.
Der Workshop wurde mit Mitteln aus dem Frauenförderfonds der Stabsstelle Gleichstellung gefördert. Hier können Sie weitere Informationen zur Forschung von Dr. Katharina Schmidt finden.
"SEX.SEX.SEX. Kulturwissenschaftliche Höhepunkte und Abgründe" - 33. Studierendentagung der Deutschen Geselleschaft für Empirische Kulturwissenschaft
Bild: https://666studitagung2020.wordpress.com/poster/
Vom 13.-16.05.2021 fand die 33. Studierendentagung der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (dgekw) an der Universität Hamburg statt. Unter dem Motto „Sex.Sex.Sex.“ wurden Perspektiven auf Diskurse rund um Geschlecht, Körper und Sexualität thematisiert.
Die Deutsche Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (ehemals Deutsche Gesellschaft für Volkskunde) richtet jährlich an unterschiedlichen Hochschulen eine Studierendentagung zu diversen Themen aus. Im Jahr 2020 sollte die Tagung am Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Hamburg stattfinden. Pandemiebedingt wurde die 33. Studierendentagung unter dem Titel „Sex.Sex.Sex.“ 2021 digital durchgeführt.
Die Organisator:innen, bestehend aus Bachelor- und Masterstudierenden des Hamburger Instituts für Empirische Kulturwissenschaft und des Fachschaftsrats EKW (Empirische Kulturwissenschaft), erklärten als Tagungsziel, sich mit kulturwissenschaftlichen Perspektiven auf Sexualitäten, Geschlechter, Queer* Cultures und Körper auseinanderzusetzen. In sieben verschiedenen interdisziplinären Panels mit Einzelvorträgen von Studierenden, Workshops sowie Performances wurden Einblicke in laufende sowie abgeschlossene historische und gegenwartsorientierte Forschungsprojekte gegeben. Ferner widmeten sich die Tagungsteilnehmenden unter anderem den Fragen, welche Methoden und kulturwissenschaftliche Zugänge weiterentwickelt werden können, um Kulturen verstehen zu lernen und wie mit dem gewonnenen Wissen Veränderungen in den Gesellschaften bewirkt werden kann.
Doch wie begann alles? Als das Organisations-Team feststellte, dass die Studierendentagung sich zuletzt vor einem Vierteljahrhundert mit Geschlechterfragen befasste, stand schnell fest, dass die Tagung dieses Thema in den Mittelpunkt stellen sollte, um Fragen von Aushandlungen, Materialitäten, Körperlichkeiten und Ungleichheiten zu reflektieren. Die Kerngebiete der Tagung umfassten insbesondere die Verwobenheit von Sex und Geschlecht mit Identität, Moral/Ethik, Pathologie/Gesundheit, Arbeit, Institutionen/Politik, Technologie sowie Ästhetik. Außerdem sollten die Inhalte der Tagung interdisziplinäre Perspektiven betonen, theoretische Erkenntnisse mit Empirie verbinden sowie nach Veränderungen und kulturellen Wandel fragen.
„Es war uns als Organisations-Team ein Anliegen, Studierenden aller Studienstufen zu ermöglichen, Themen ihrer Haus- und Qualifikationsarbeiten vorzustellen. Neben der Sichtbarmachung von Forschungsfeldern und Fragestellungen war es ein Ziel der Tagung, uns für die Komplexität gegenwärtiger Alltage zu sensibilisieren und zu erörtern, welche intersektionalen, dekolonialen und historisierenden Ansätze es braucht, um diese zu untersuchen.“ sagt Manuel Bolz, Masterstudent der Empirischen Kulturwissenschaft und Teil der zehnköpfigen Organisationsgruppe. Weitere Einblicke zu den Inhalten der Tagung finden sich im Tagungsheft.
Die Relevanz und das große Interesse an der Tagung zeigen die über 450 Anmeldungen. In lebendigen Diskussionen haben sich die Vortragenden und Teilnehmenden den Spannungsfeldern von emotionalisierenden und moralisierenden Diskursen rund um Sexualität im Alltag gewidmet sowie mit einer kulturwissenschaftlichen Perspektive bestehend aus Methoden, Theorien und Wissensbeständen gemeinsam genähert.
Damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tagung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden können, planen das Organisations-Team und weitere Studierende anderer Hochschulen einen Tagungsband der 33. Studierendentagung, der voraussichtlich im Spätsommer 2022 im Hamburger Journal für Kulturanthropologie (HJK) erscheinen wird. Dort werden von den Autor:innen explorative Fragestellungen und abgeschlossene Qualifikationsarbeiten um die Themenschwerpunkte Geschlecht, Körper und Sexualität, die auch Teil der Panelinhalte waren, vorgestellt. Der Tagungsband wird aus Mitteln des Frauenförderfonds der Universität Hamburg gefördert.
Weitere Informationen finden sich auf der Homepage der 33. Studierendentagung.